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"Natürlich ist mein Mittelpunkt im Rathaus"

Möchte Münchens Oberbürgermeister Christian Ude (SPD) Horst Seehofer (CSU) als Bayerns Ministerpräsident ablösen? Dass dies in den Medien kursiert, ist offenbar Natascha Kohnen zu verdanken, der Generalsekretärin der bayerischen SPD. Ude selbst sagt zu möglichen Kandidaturplänen bislang nichts.

Von Michael Watzke | 11.08.2011
    Einmal im Jahr macht Christian Ude Urlaub auf Mykonos. Der Münchner Oberbürgermeister ist Ehrenbürger der griechischen Insel und hat dort ein Ferienhaus. Manchmal paddelt Ude ein kleines Stück auf die Ägäis. Aber nicht sehr weit, denn die ablandige Strömung ist tückisch und treibt einen schnell weit aufs Meer hinaus. Dieser Tage scheint Ude schon mal das Zurückrudern zu trainieren. Er lässt wissen:

    " ... dass die Mitwirkung an einem SPD-Wahlerfolg ja nicht nur in der Übernahme der Spitzenkandidatur bestehen kann."

    Also doch keine Kandidatur gegen Horst Seehofer um das Amt des Bayerischen Ministerpräsidenten? Er habe, sagt Ude, bisher keinesfalls seine Bereitschaft dazu erklärt.

    "Natürlich ist mein Mittelpunkt im Rathaus. Und ich habe auch immer zum Ausdruck gebracht, dass ich einen Wechsel auf die Landesebene keineswegs als Beförderung empfinde."

    Der Münchner Oberbürgermeister klingt in diesen Tagen eher so, als würde er Wasser aus dem Boot schöpfen, mit dem er in die raue landespolitische See geraten ist. Natascha Kohnen, die Generalsekretärin der SPD, schöpft kräftig mit. Sie hat das Boot nämlich losgetreten - eher versehentlich:

    "Das ist entstanden aus einem Mediengespräch heraus mit einer großen Münchner Zeitung, die mich danach fragte, ob es vorstellbar ist, dass Ude ein SPD-Kandidat für die Landtagswahl 2013 ist. Und da war meine Antwort, dass er zu der Reihe der Kandidaten natürlich gehören muss."

    Mehr haben bisher weder Kohnen noch Ude noch irgendein anderer bayerischer SPD-Spitzenfunktionär gesagt. Aber die Vorstellung eines Zweikampfs zwischen dem amtierenden Ministerpräsidenten Horst Seehofer (CSU) und dem bekanntesten Sozialdemokraten in Bayern, Christian Ude, elektrisiert seitdem die bayerische SPD. An der Basis der Partei hofft man auf den Heilsbringer aus dem Münchner Rathaus, der die Bayern-SPD aus ihrem Jammertal führt.

    "Wenns einer schaffen kann, ist es nur der Ude. Es ist krönender Abschluss, Ministerpräsident zu werden. Finde ich richtig gut.Der Christian ist der einzige Spitzenkandidat, wo wir gemeinsam mit den Grünen stark sein können. Wo auch die SPD stark sein kann. 25 Prozent!"

    Die SPD dümpelt in Bayern bei gerade mal 18 Prozent. Ude dagegen hat bei der letzten OB-Wahl in München 66 Prozent für die Roten geholt. Das weiß auch Ludwig Spaenle, der Münchner CSU-Chef. Wenn Ude tatsächlich zur Landtagswahl anträte, wäre Spaenles Direktmandat aus dem Stimmkreis München-Schwabing in Gefahr. Bei der letzten Wahl hatte Spaenle gerade mal 725 Stimmen Vorsprung. Der bayerische Kultusminister hat allen Grund, nervös zu sein.

    "In München werden wir zumindest einmal die Frage stellen, aus welchem Anlass heraus der Herr Ude gerne bei der nächsten Landtagswahl sich zwischen Herrn Rinderspacher und Frau Bause setzen will, auf die Oppositionsbank. Ob es Beschäftigungs-Therapie für einen rastlosen Oberbürgermeister a.D. sein soll, für den Landtag zu kandidieren, das muss die SPD in diesem Land und dieser Stadt mit sich selbst ausmachen."

    Tatsächlich sind schon zwei Vorgänger von Ude auf der harten Oppositionsbank des bayerischen Landtags versauert: die Alt-OBs Georg Kronawitter und Hans-Jochen-Vogel. Die CSU ist dennoch nervös – trotz aller Mir-san-mir-Rhetorik. Ude könnte den Christ-Sozialen jede Menge Stimmen abnehmen. Besonders in München und Oberbayern. Dafür täte sich der Münchner OB in anderen Teilen des Freistaates umso schwerer, glaubt Ludwig Spaenle:

    "Ich seh' nur, dass der Herr OB sich auch bei fränkischen, schwäbischen, oberpfälzischen und niederbayerischen Genossen wird einbringen müssen. Und das ist halt mehr als die Landeshauptstadt."

    In der CSU wundert man sich, dass die SPD die Kandidatenfrage gerade jetzt klären will, in der Urlaubszeit und lange vor der Landtagswahl. Aus dem Umfeld von Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer heißt es dazu: "Warum einen Plan vermuten, wenn Dummheit als Erklärung ausreicht"? Auch Ude selbst kritisiert das Timing der Kandidaten-Debatte:

    "Sie verstehen, dass ich es bevorzuge, wenn man mit den Betroffenen redet und die Ansichten nicht über die Medien austauscht."

    Ude und die bayerische SPD – das war bisher keine Liebesbeziehung. Die Partei steht deutlich weiter links als Ude. Der ist zum Beispiel für eine dritte Startbahn am Münchner Flughafen. Die bayerische SPD ist vehement dagegen. Sollte Ude tatsächlich Interesse an einer Spitzenkandidatur haben, wird er noch viele Kämpfe austragen müssen. Vor allem muss er den innerparteilichen Vorwurf entkräften, ihm sei das Wohl der SPD in Bayern jahrzehntelang wurscht gewesen:

    "Ja, es gibt merkwürdige Vorwürfe. Ich bin jetzt gerade ausgeschieden aus dem Amt des stellvertretenden Vorsitzenden des bayerischen Städtetages. Das war 15 Jahre lang das wichtigste Amt, das die SPD in der bayerischen Kommunalpolitik vergeben konnte. Das passt nicht ganz zusammen mit dem Vorwurf, ich würde mich auf Landesebene nicht engagieren."

    Vielleicht will Ude der CSU aber auch nur ein bisschen Angst einjagen. Denn eigentlich, betont der Münchner OB immer wieder, gibt es kein schöneres Amt als das des Münchner Oberbürgermeisters. Ude darf aber 2014 nicht mehr kandidieren, weil er das Höchstalter von 65 Jahren überschreitet. Der bayerische Landtag entscheidet aber im Herbst über eine Änderung des kommunalen Wahlgesetzes. Die CSU will das Höchstalter für Kandidaten von 65 auf 67 heraufsetzen. Das würde für Ude reichen. Allerdings soll das neue Gesetz erst ab 2020 gelten. Zu spät für Ude. Vielleicht denkt ja mancher CSU-Landtagsabgeordnete darüber nach, das Gesetz ein wenig vorzuziehen. Darüber dürfte weder Horst Seehofer noch Christian Ude unglücklich sein. Beim Oktoberfest könnten die beiden dann auch in Zukunft das Fass anzapfen und die erste Maß trinken. Einträchtig als Münchner OB und bayerischer Ministerpräsident.