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Schwere Zeiten: Krieg, Karriereende, Pubertät

Von der schwersten Zeit im Leben von Eltern und ihren Kindern handelt die Komödie "Das Pubertier" nach dem gleichnamigen Bestseller von Jan Weiler. Im Drama "Ihre beste Stunde" geht es um die britische Filmindustrie während des Zweiten Weltkriegs. Und in "Ein Chanson für dich" spielt Isabelle Huppert einen vergessenen Gesangsstar.

Von Jörg Albrecht | 05.07.2017
    Filmszene aus "Das Pubertier" - Vater, Mutter und Tochter im Bett (Bild: Constantin Film Verleih GmbH)
    Wer ist peinlicher - Kind oder Eltern? (Constantin Film Verleih GmbH )
    "Haben Sie mal versucht, ein Pubertier zu wecken? Carla, es ist Zeit. Aufwachen! Die Biester wachen einfach nicht auf."
    Vater werden ist nicht schwer, Vater sein dagegen sehr. Diese Erfahrung, von der schon Wilhelm Busch zu berichten wusste, macht jetzt Jan Josef Liefers als Vater eines 13-jährigen Mädchens, von ihm liebe- und leidvoll "Pubertier" genannt. Die zunehmende Ausschüttung von Geschlechtshormonen trägt zu einem exponentiellen Wachstum der Konflikte zwischen Vater und Tochter bei. Fürwahr eine Tragödie. Aber eine mit viel komischem Potenzial, wie Autor Jan Weiler 2014 in seiner Geschichtensammlung "Das Pubertier" kenntnisreich veranschaulicht hat.
    "Ich werde zuhause bleiben. Ich werde ganz nebenbei meiner Tochter beim Erwachsenwerden zuschauen. Ich werde Ballettaufführungen mit ihr besuchen, Sinfoniekonzerte, ich werde sie in die Welt der Dichter und Philosophen einführen."
    Konsequente Umsetzung
    Den Wettstreit, wer in der Pubertät peinlicher ist - Eltern oder Kind - wird der von Jan Josef Liefers gespielte Erziehungsberechtigte klar für sich entscheiden. Aus seinen Bestrebungen, den Entwicklungsprozess der Tochter rigoros mit Gegenmaßnahmen zu bekämpfen, schöpfen Buch wie Film ihren Humor.
    "Sie denken: Ist das nicht ein bisschen übertrieben? Irgendwann kommt jeder Vater an den Punkt, an dem er zum Äußersten greifen muss."
    Dieses Äußerste ist am Ende nicht mehr als eine mal mehr, mal weniger komische Nummernrevue, die vor allem von Überzeichnung lebt und in der die Eindimensionalität sämtlicher Figuren keinen Tiefgang gestattet. Insofern ist Regisseur Leander Haußmann, der sich Jan Weilers Buch angenommen hat, eine durchaus konsequente Umsetzung der Lach- und Sachgeschichten über die Hölle der Pubertät gelungen.
    "Ich würde gern Moritz besuchen, lieber Papa. Ich würde gerne da übernachten." - "Du, gar kein Problem. Wir leben doch im 21. Jahrhundert. Glaubst du, das habe ich ernst gemeint?"
    "Das Pubertier": zwiespältig.

    Singen kann sie also nicht. Das aber immerhin sehr charmant. Irgendwie ist es doch beruhigend zu wissen, dass die Über-Schauspielerin Isabelle Huppert etwas nicht kann. Sie ist Liliane, eine einsame Frau, die einen Fließbandjob hat, in einer Firma, die Pasteten herstellt. Dort wird die junge Aushilfe Jean auf Liliane aufmerksam.
    Filmszene aus Ein Chanson für Dich. Die Sängerin sitzt verzweifelt in ihrer Garderobe, leere Champagnerflaschen auf dem Maskentisch (Bild: Ein Chanson für Dich / Alamodefilm / Fabrizio Maltese)
    Bittersüß - Liliane in ihrer Garderobe (Ein Chanson für Dich / Alamodefilm / Fabrizio Maltese)
    "Sie erinnern mich an jemanden. An Laura. - Nein, ich habe keine Ahnung. Kenne ich nicht."
    Jean aber lässt nicht locker, bis Liliane gesteht, dass sie vor 30 Jahren unter dem Pseudonym Laura eine Karriere hatte. Mit der Trennung von ihrem damaligen Mann und Manager war die dann aber Geschichte. Obwohl sie den erfolgreichen Zeiten keine Träne nachzuweinen scheint, schafft es Jean, den Panzer, den sich Liliane über die Jahre zugelegt hat, zu knacken.
    "Warum startest du nicht neu durch?" – "Ich bin tot und begraben. So ist das." - "So ein Quatsch. Ich werde dein Manager."
    Isabelle Huppert glänzt
    Ihr Liebhaber ist der 22-Jährige immerhin schon. Es ist eine bittersüße, aber auch dünne Geschichte, die der belgische Drehbuchautor und Regisseur Bavo Defurne in "Ein Chanson für dich" erzählt und die ein wenig mehr Esprit, aber vor allem auch mehr Drama hätte vertragen können. So ist es einmal mehr Isabelle Huppert, die hier mit spröder und geheimnisvoller Ausstrahlung in der Rolle einer Frau glänzt, die ihr berufliches wie privates Glück an ihre Beziehungen knüpft.
    "Ein Chanson für dich": zwiespältig.
    Evakuierung von etwa 340 000 britischen und französischen Soldaten an der Küste der an der Nordsee gelegenen französischen Stadt Dünkirchen während des Zweiten Weltkriegs im Jahr 1940. (Bild: picture alliance / dpa)
    Die Evakuierung der British Expeditionary Force aus Dünkirchen 1940 bildet den Hintergrund für "Ihre beste Stunde" (picture-alliance / dpa)
    "Dünkirchen. Die Evakuierung der Truppen, die von den Deutschen eingekesselt waren. Zwei Schwestern wollten mit dem Boot ihres Vaters helfen und kamen mit dem Deck voller Soldaten zurück. Genau das will das Ministerium."
    "Authentizität und Optimismus."
    So lauten die Vorgaben des britischen Informationsministeriums, das während des Zweiten Weltkriegs eingerichtet wurde. Dem von Joseph Göbbels geleiteten deutschen Ministerium für Propaganda nicht unähnlich, hat das Informationsministerium Filme in Auftrag gegeben, mit denen die Moral der Briten gestärkt und vor allem Frauen angesprochen werden sollten.
    "Das echte Leben, aber ohne die langweiligen Stellen"
    Die Geschichte der beiden Schwestern Lily und Rose, die sich in einem klapprigen Boot auf den Weg machen, um bei der Evakuierung der britischen Soldaten im Juni 1940 vor der Küste von Dünkirchen zu helfen, scheint ideal. Hier kommt die von Gemma Arterton gespielte Werbetexterin Catrin Cole ins Spiel. Sie stößt zu einem Autorenteam, das vom Informationsministerium angeheuert worden ist, um aus dem Stoff einen Film zu machen. Bei ihren Recherchen allerdings muss Catrin feststellen, dass erstens die Geschichte von der Rettung nur halb der Wahrheit entspricht und zweitens ihre Kollegen schon dabei sind, auch noch diese wahre Hälfte zu beugen.
    "Er braucht einen Heldennamen." – "Johnny." - "Er muss es zurückschaffen. Verwundet. Rettet seinem Kommandeur das Leben. Rettet einen Kameraden." – "Im echten Leben hat er das nicht." - "Film, Mrs. Cole! Das echte Leben, aber ohne die langweiligen Stellen."
    Die gibt es auch nicht im Film "Ihre beste Stunde" von der dänischen Regisseurin Lone Scherfig, die mit Schwung und viel Gespür für die Zeit den Roman "Their Finest" von Lissa Evans verfilmt hat. Überraschend leichtfüßig und mitunter sogar heiter wie in einer Screwball-Comedy wird hier vom Filmemachen in dunklen Zeiten erzählt.
    "Ihre beste Stunde": empfehlenswert.