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Neue Filme
Stationen einer 'dunklen' Kinowoche

Ab morgen neu im Kino: "Findet Dorie", die Fortsetzung von "Findet Nemo", den "Neuen" von Frankreichs Regiestar François Ozon, "Breaking Bad"-Star Bryan Cranston in einem Drogenthriller und mit "Nebel im August" ein Blick in die düsteren Abgründe deutscher Geschichte.

Von Hartwig Tegeler | 28.09.2016
    Die Schauspieler Bryan Cranston und Diane Kruger auf dem Roten Teppich zur Premiere des Films "The Infiltrator" in New York City.
    Die Schauspieler Bryan Cranston und Diane Kruger auf dem Roten Teppich zur Premiere des Films "The Infiltrator" in New York City. (imago / UPI Photo)
    "The Infiltrator" von Brad Furman
    "Er ist ein verdammter Bulle, Mann. - Halt´s Maul! Halt´s Maul! - Komm schon, du wirst diesem Arschloch doch nicht glauben. Also, was ist hier los?"
    Ein Mann muss lügen, um zu überleben. Er muss das Vertrauen, das andere in ihn setzen, verraten. Denn was soll der FBI-Agent Robert Mazur machen, in den 1980er Jahren, wenn er einen Drogendealer aus dem Umfeld von Pablo Escobar überführen will. In der Rolle des Geschäftsmannes, der angeblich Geld waschen will, erlangt Mazur Zugang zum inneren Kreis der Kartelle, aber er geht ein tödliches Risiko ein.
    "Dein Freund, wer ist das? - Gehört zur Familie. - Ganz schön hässliche Visagen in deiner Familie. [Schmutziges Lachen.]"
    "The Infiltrator" mit dem wunderbaren "Breaking Bad"-Hauptdarsteller Bryan Cranston, dem großartigen John Leguziamo, dem wie immer verstörenden Benjamin Bratt und der hier sehr sinnlichen Diane Kruger ist Nervenkino par excellence. Denn, obwohl wir wissen, dass Robert Mazur seinen Undercover-Trip in die Welt der mexikanischen Drogenkartelle überlebt hat - wie hätte er sonst die Vorlage, auf der der Film beruht, schreiben können -, obwohl wir das wissen, ist diese Höllenfahrt nichts für schwache Nerven. Obwohl sie erstaunlich unblutig für einen zeitgenössischen Drogen-Thriller daher kommt.
    "The Infiltrator" von Brad Furman - herausragend.
    "Frantz" von François Ozon
    "Jeder Franzose ist für mich der Mörder meines Sohnes. Also, verschwinden Sie!"
    Großes Gefühlskino hat François Ozon mit seinem neuen Film "Frantz" inszeniert. Es geht um Liebe, um Freundschaft, um Illusionen, um Träume. Und es geht um die Vergebung. Aber vor all dem liegt das große Schlachten des Ersten Weltkriegs. Die Gewalt ist also in all die Gefühle eingeschrieben, die Anna und Adrien empfinden. Übrigens, nicht unbedingt füreinander. Oder doch? Das ist ein Geheimnis, das hier nicht verraten werden darf. Das zweite Geheimnis, was hier ebenfalls im vagen bleiben muss: Die Antwort auf die Frage, warum taucht am Grab von Annas, in den Schützengräben von Verdun gefallenen Verlobten 1919, mitten in Deutschland, ein trauernder junger Franzose auf?
    "Er hat Blumen auf sein Grab gelegt? - Ja. Rosen. Wissen Sie, wer das sein könnte? - Nein. Vielleicht ein französischer Freund von vor dem Krieg."
    Anna und Adrien - herausragend gespielt von Paula Beer und Pierre Niney -, die beiden gehen aufeinander zu. Adrien kannte Frantz, den Toten. Langsam fängt er an, Anna über seine Freundschaft zu Frantz mit ihm zu erzählen. Immer, wenn François Ozon Momente des Glücks oder der Freude inszeniert, dann gleitet das Schwarz-Weiß dieses Films hinüber in Farbe. Für kurze Momente. Obwohl Anna das Geheimnis von Adrien enthüllt - wie gesagt, verraten wird es hier nicht -, begehrt sie den Franzosen, folgt ihm nach Paris. Die Mutter des toten Verlobten drängt sie dazu:
    "Du bist jung und schön. Das Leben liegt vor dir. Versäume diese Chance nicht."
    Im letzten Kapitel des Films zeigt sich, dass François Ozons grandioser Film "Frantz" in seiner Tiefe vor allem eine Ode an die Trauer ist. Die Trauer, die sich im Verlust eines Menschen, aber auch in dem von Illusionen zeigt.
    "Frantz" von François Ozon - herausragend.
    "Nebel im August" von Kai Wessel
    Nazi-Wahn: "Die deutsche Bevölkerung soll ein für alle Mal von diesen Erbkrankheiten befreit werden. Lassen Sie uns das bitte mit vereinten Kräften angehen. Wissen Sie eigentlich, dass die meisten Eltern froh sind, dass wir ihnen diese schwere Last abnehmen?"
    Sagt der Leiter der sogenannten "Heil- und Pflegeanstalt", in die der 13jährige Ernst Lossa eingeliefert wird. Sohn eines fahrenden Händlers. Ernst gilt als schwer erziehbar, als "Zigeuner". Und er wird hier - bis er selbst ermordet wird - erleben, wie im Rahmen des Euthanasie-Programms der Nationalsozialisten behinderte Kinder und Jugendliche ermordet werden. Durch Medikamente oder eine tödliche "Hungerkost", die gänzlich frei ist von allen Nährwerten.
    "Schwester Sophia hat den Kranken geholfen. Und Sie, Sie ermorden sie. Sie sind ein ganz gemeiner Lügner. Ein Mörder, hören Sie!"
    Kai Wessel zeigt in seinem Film "Nebel im August" die mörderische Nazi-Heil- und Pflegeanstalt, aber immer auch mit ihrem Kontrapunkt. Da ist die Menschlichkeit und der Widerstandswille dieses Jungen Ernst, der sich um die Mitinsassen kümmert, sie füttert, für sie Nahrung stiehlt. Und Ernst versucht, Hoffnung zu geben.
    "Kennst du den Michigan-See? - Nein. - Das ist ein See, der ist so groß, dass man nicht auf die andere Seite gucken kann. Und mein Geschenk zu deinem Geburtstag ist, dass wir da im Winter zusammen Schlittschuh laufen, weil, du hast ja niemanden, zu dem du kannst."
    Eindrucksvoll, wie Ivo Pietzcker, der schon vor drei Jahren in der Berliner Milieustudie "Jack" eine wunderbare Vorstellung gab, hier, in "Nebel im August", den 13jährigen Heiminsassen spielt. Der junge Schauspieler lässt in diesem verstörenden Film ein eindrucksvolles Porträt von Ernst Lossa entstehen. Ernst Lossa: 1929 in Augsburg geboren, im Augst 1944 mit einer "Giftspritze" ermordet.
    "Nebel im August" von Kai Wessel - empfehlenswert.