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Neue Freiheiten

Zum ersten Mal seit über 50 Jahren dürfen von April 2013 an in Myanmar wieder private Tageszeitungen erscheinen. Es gibt zwar immer noch die Zensurbehörde, aber die Angst der Journalisten vor den Zensoren nimmt ab. Immer mehr von ihnen prangern die Missstände im Land an.

Von Udo Schmidt | 05.01.2013
    Khin Maung Whin ist stellvertretender Chefredakteur des ehemaligen Exilsenders Myanmars, der Democratic Voice of Burma. Viele Jahre hat er in Flüchtlingslagern an der Grenze zu Thailand gelebt, später dann in Norwegen, nun ist er zurück in Rangun, der Metropole Myanmars. Und plötzlich sitzt er im Scheinwerferlicht von MRTV, dem Staatssender Myanmars.

    Khin Maung Win ist gern genommener Interviewgast des Senders, der Jahrzehnte Sprachrohr des Militärregimes war, und dessen Journalisten früher nicht gezögert hätten, Khin Maung Win sofort verhaften zu lassen.

    Merkwürdig sei das schon, sagt Khin Maung Win, der bisherige Exil-Journalist, jetzt schon fast Vorbild zu sein:

    "Ja, das war wirklich komisch, es war immerhin mein erstes Interview für den Staatssender. Und sie haben gefragt, wie mein Exilsender sie unterstützen könnte während des Veränderungsprozesses. Und ich habe angeboten, unsere Erfahrungen mit ihnen zu teilen."

    Und Naw Ku Auh, die interviewende MRTV-Reporterin ist noch etwas unsicher, ob sie sich überhaupt äußern sollte. Tut es dann aber doch, grundsätzlich:

    "Nach meiner Ansicht verändert unsere Regierung unser Mediensystem, daher müssen wir jetzt mit ganz vielen Medien im Inland und auch im Ausland zusammenarbeiten. Es gehört zur Öffnung des Landes."

    Die Medienlandschaft in Myanmar ist im heftigen Um- und Aufbruch. Die Pressezensur für Printmedien ist abgeschafft, es gibt zwar immer noch die Zensurbehörde, aber die Angst der Journalisten vor den Zensoren verfliegt erfreulich schnell. Dutzende unabhängige Wochenzeitungen berichten offen über die aktuellen Konflikte in Myanmar. Die Regierung unter Präsident Thein Sein kann Fehlverhalten nicht mehr geheim halten.

    Für die Journalisten heißt es nun zu lernen, mit den neu gewonnenen Freiheiten verantwortlich umzugehen. Gerade wurde eine Art Presserat gegründet. Thiha Saw, Chefredakteur der Wochenzeitung "Open News" hat an den Richtlinien mitgearbeitet:

    "Der Presserat als Institution soll verhindern, dass die Demokratisierung der Medien chaotisch verläuft. Auch das Informationsministerium will, dass wir den Aufbau der Medien mit ethischen Richtlinien begleiten und am neuen Mediengesetz mitarbeiten."

    Und es hat auch schon Beschwerden beim Presserat gegeben, Beschwerden, die ab jetzt möglich sind, über den Sender MRTV 4 beispielsweise. Der ist eine Art Vorreiter des Privatfernsehens in Myanmar, ein Joint Venture zwischen dem Staatssender MRTV und der privaten Forever Group.

    MRTV 4 hat eine Kindershow im Programm, die Anstoß erregt hat, berichtet der Direktor des Senders, Khin Maung Htay:

    "Wir setzen ein Kind nicht älter als vier Jahre in einem eigens aufgebauten Zimmer vor einen Bildschirm, auf diesem sieht es seine Mutter, die Aufträge erteilt. Wenn diese schnell ausgeführt werden, innerhalb einer Minute, dann bekommt die Familie einen Geldpreis. Das haben jetzt Psychologen als schlecht für das Kind kritisiert."

    Die, für die MRTV 4 jetzt schon ein Konkurrent ist, die Staatsfunker Myanmars, die Kollegen von Myanmar Radio and TV, sitzen weit ab vom Geschehen in einem überdimensionierten Gebäude, mehr als 300 Kilometer von Rangun entfernt, weit außerhalb der neuen Hauptstadt Naypidaw. Aber auch dort draußen haben sie die Botschaft vernommen, dass sie sich schnell werden verändern müssen, wenn sie in Zukunft auf dem neuen Medienmarkt Myanmars bestehen wollen. U Whin Khy, Direktor des englischsprachigen Staatssenders MRTV 3 hält sich mit seiner Meinung nicht zurück:

    "Wir waren 20 Jahre vom Staat finanziert, wir haben es natürlich nicht gelernt, Geld zu verdienen. Aber wir wissen, wie man gutes Programm macht. Jetzt müssen wir natürlich lernen, noch besser zu werden."

    Bis zu 3000 Mitarbeiter stehen auf der Gehaltsliste der verschiedenen MRTV-Staatssender. Vielen von ihnen wird der Wandel vor allem Arbeitslosigkeit bringen. Die Angst davor ist groß, darüber allerdings will niemand sprechen. Auch nicht direkt darüber, das man bisher die Nachrichten praktisch vorgefertigt vom Informationsministerium bezog und nun wird lernen müssen, eine eigene Berichterstattung auf die Beine zu stellen.

    Im Printbereich gehen die Veränderungen derzeit sehr viel schneller voran als bei den elektronischen Medien. So soll den unabhängigen Wochenzeitungen bald erlaubt werden, täglich zu erscheinen. In den kommenden Wochen können die Verlage entsprechende Anträge einreichen. Bisher gibt es nur die Staatsblätter 'New Light auf Myanmar' und 'The Mirror' jeden Morgen an den Ständen an der Straße, die auch optisch schlichten Presseorgane sind jedoch nicht für investigativen Journalismus bekannt. Die kommende Konkurrenz werden sie wohl kaum überleben, meint Open-News-Chefredakteur Thiha Saw:

    "Solche Blätter gibt es nur in Ländern mit Kommandowirtschaft wie Vietnam oder China. Wenn sich das politische System ändert, dann haben solche Zeitungen keine Rolle mehr."

    Bleibt die Frage, ob es für so viel unabhängige, im besten Sinne demokratische Medien im Land auch genug Leser gibt. Ja, meint Naw Say Paw Waah, Reporterin der englischsprachigen "Myanmar Times":

    "Ja, weil sich doch viele Nachrichten so schnell weiter entwickeln, wir sehen das doch täglich mit den Konflikten in Myanmar. Jetzt sind die Nachrichten oft schon sehr alt, wenn die Zeitung überhaupt erst erscheint."

    Aber das Geld sitzt bei den Zeitungskäufern nicht locker. Das Geld knapp ist, zeigen die vielen Stände in Rangun, die die Presse der vergangenen Woche anbieten. U Tchai sitzt mit seinem Angebot am Straßenrand. Das Geschäft läuft gut, sagt er:

    "Ich verkaufe hier alte Zeitungen. Neu kosten sie 500 Kyatts, bei mir nur 200."

    200 Kyatts, 20 Eurocent, das ist eben ein günstiger Preis. Und solange selbst Nachrichten von vergangener Woche noch besser sind als das, was früher zu Zeiten der Militärdiktatur verbreitet wurde, ist auch ein Yesterday Paper ein Gewinn.