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Neuer Vorsitzender des Wissenschaftsrates gewählt

Der Wissenschaftsrat hat Wolfgang Marquardt zum neuen Vorsitzenden gewählt. Im Interview mit Kate Maleike spricht der Professor für Verfahrenstechnik an der RWTH Aachen über Ziele und Herausforderungen der neuen Aufgabe.

31.01.2011
    Wolfgang Marquardt: Ich bin 54 Jahre alt.

    Kate Maleike: Und der Beruf, bisherige Tätigkeit?

    Marquardt: Universitätsprofessor in Aachen.

    Maleike: Sie sind Verfahrenstechniker?

    Marquardt: Ich bin Verfahrenstechniker, ja.

    Maleike: Was ist Ihr Hobby?

    Marquardt: Lesen, Musik, Wissenschaft.

    Maleike: Und jetzt der Wissenschaftsrat noch dazu! Worin sind Sie besonders gut?

    Marquardt: Ich glaube, Dinge insgesamt anzugucken, so die Systemperspektive einzunehmen.

    Maleike: Was gelingt Ihnen weniger?

    Marquardt: Manchmal bin ich nicht der beste Kommunikator.

    Maleike: Okay, das sind die persönlichen Voraussetzungen. Jetzt haben Sie sich entschieden, sozusagen der Kopf des Wissenschaftsrates zu werden. Was ist für Sie die wichtigste Herausforderung für dieses Gremium?

    Marquardt: Der Wissenschaftsrat ist, wie wir wissen, ein strukturorientiertes wissenschaftspolitisches Beratungsgremium, und damit richtet es sich eigentlich zunächst mal an die Politik, an Bund und Länder. Aber ich denke, der Wissenschaftsrat muss sich einfach auch als Mittler zwischen anderen Agenten in diesem System verstehen, und das ist insbesondere natürlich auch die Öffentlichkeit, die Hochschulen an sich und schließlich auch die Wirtschaft.

    Maleike: Sie sind ja mitverantwortlich auch für die Exzellenzinitiative, da läuft die nächste Runde. Was erwarten Sie sich eigentlich von dieser Runde?

    Marquardt: Ich wünsche mir, dass das Verfahren wissenschaftsgeleitet läuft, so wie das auch in der ersten Runde war, und die richtigen Projekte sozusagen gefördert werden. Ich denke aber, dass das durch das schon auch gut angelaufene Begutachtungsverfahren, der ganze Prozess sehr gut sichergestellt ist. Das ist quasi die kurzfristige Perspektive. Längerfristig würde ich mir wünschen, dass die Exzellenzinitiative eben nicht nur, in Anführungszeichen, eine "Projektförderung" ist, wie wir das heute erleben, sondern dass es einfach darüber hinaus langfristig auch nachhaltige Wirkung haben wird.

    Maleike: Was werden Sie jetzt als Erstes in Angriff nehmen als neuer Präsident des Wissenschaftsrates?

    Marquardt: Ich finde, dass wir uns noch mal intensiv auch um die Schnittstelle Wirtschaft/Wissenschaft kümmern sollten, die Frage des Transfers, ja also letztlich noch mal zu beleuchten, wie man Synergien schaffen kann, um auch hier wiederum die begrenzten Ressourcen einfach sinnvoll zu nutzen. Zweiter wichtiger Punkt ist das Thema Interdisziplinarität, wir wissen, dass Fortschritt an den Grenzen der klassischen Disziplinen entsteht und dort eben auch Förderung, strukturelle Förderung nötig ist um diese interdisziplinären Brückenschläge zu ermöglichen. Und das hat so eine systemische Komponente, wie geht man strukturell damit um, wie bringt man die Hochschulen schnell dazu, entsprechende Ausbildungsangebote dann auch zu machen. Das hat aber auch ganz konkrete Bedeutung, beispielsweise Fächer, die einfach entstehen: Versorgungswissenschaften, Biodiversität, Simulationswissenschaften, einfach um ein paar Beispiele hier zu nennen. Das sind Themen, die man einfach auch strukturell in der Wissenschaftslandschaft sowohl auf der Ausbildungsseite als auch auf der Forschungsseite richtig implementieren muss.

    Maleike: Letzte Frage: Wenn Sie Bundesminister für Bildung und Forschung wären, was würden Sie sofort verändern?

    Marquardt: Ich glaube, ich würde mir Gedanken machen oder versuchen, die Finanzierungsstrukturen des ganzen Wissenschaftssystems noch mal gut zu überdenken. Ich bin nicht sicher, ob wir dort alle Potenziale, die bei einem gegebenen Kuchen, Kuchen gegebener Größe auch richtig ausnutzen.