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Neues Album
Maxïmo Park mixt Elektro, Punk und Balladen

Neu erfinden wollen sie sich nicht: Maxïmo Park, das Quintett aus dem englischen Newcastle, legt mit "Too Much Information" sein fünftes Album vor. Dessen Texte beschäftigen sich nicht mit dem großen Ganzen, sondern mit dem Kleinen direkt vor der Tür.

Von Dennis Kastrup | 01.02.2014
    Paul Smith: "'Too Much Information' ist eine zuversichtliche Platte. Man hört zwar immer noch diese nervöse Energie der früheren Alben, weil sie Teil unserer Persönlichkeit ist, aber nach unserer letzten Platte hatten wir das Gefühl, unsere Sichtweise deutlich genug gemacht zu haben. Wir hatten bis dahin vier Alben herausgebracht. Dieses Mal haben wir uns schlichtweg gedacht: "Machen wir doch eine neue Platte, ohne zu sehr darüber nachzudenken."
    Es klingt ein wenig abgedroschen, wenn Paul Smith über das neue Maxïmo Park Album spricht. Musiker reden gerne über die Tatsache, dass die Musik einfach so "passiert ist". Doch so einfach ist das bei Maxïmo Park nicht.Drei Alben lang blieben sie sich ihrem Sound treu. Dann kam eine inhaltliche Neuorientierung: "The National Health", eine Art Konzeptalbum zur Lage der Nation und der drohenden weltweiten Rezession. Und nun "Too Much Information", wieder ein Statement?
    Paul Smith: "Die Platte handelt nicht vom Informationszeitalter, in dem wir leben. Uns ging es vielmehr um die Idee, dass wir dem Hörer sehr viel zumuten. Es gibt viele Hooks. Ein Elektro-Stück folgt auf einen Punksong, dem wiederum eine Ballade folgt, bevor dann ein klassischer Maxïmo Park Song kommt."
    Das Album ist in der Tat vielfältiger. Die starke Präsenz des Synthesizers gleich am Anfang führt den Hörer aber in die Irre. Dies ist keine reine Synthiepop-Platte. Die Songs wagen sich zwar aus dem Maxïmo Park Gitarren-Schneckenhaus heraus, verkriechen sich aber sofort wieder. Es fehlen die ganz großen musikalischen Impulse. Diese versucht Paul Smith mit seinen Texten aufzuarbeiten. Ein wenig klingt es nach persönlicher und bandinterner Midlife-Crisis.
    "Unsere Musik hat immer noch Ecken und Kanten"
    Paul Smith: "Ich benutze nicht so gerne den Begriff 'erwachsen werden' im Zusammenhang mit Musik, weil man dabei immer gleich an langweilige Typen mit Banjos und Bärten denkt – was vielleicht auf unsere nächste Platte zutreffen wird, wer weiß. Unsere Musik hat immer noch Ecken und Kanten, egal ob die Stimmung düster oder eher gelöst ist. Wir versuchen uns diese Entspanntheit, die mit dem fortschreitenden Alter einhergeht, zunutze zu machen, indem wir auf das bereits Erreichte zurückschauen, um aus unseren Fehlern zu lernen."
    Anders als auf dem Vorgänger beschäftigen sich die Texte nicht mit dem großen Ganzen, sondern dem Kleinen direkt vor der Tür. Paul Smith hat sich wie so oft an Geschichten seiner Lieblingsschriftsteller orientiert. Besonders Lydia Davis hat ihn dabei beeinflusst. Ihre Erzählungen sind bekannt für das Überraschungsmoment am Ende.
    Paul Smith: "Sie schreibt Kurzgeschichten, die manchmal nur einen Absatz oder eine Seite lang sind, und dennoch wird darin eine komplette Welt entworfen. Das brachte mich auch auf den Gedanken, die Stücke für das neue Album aus dieser Perspektive anzugehen."
    Außerdem flossen die afro-amerikanische Dichterin Audre Lorde, der amerikanische Schriftsteller Don DeLillo und der brasilianische Autor Roberto Bolano als Inspiration mit in die Songs ein. Sie alle schreiben Kurzgeschichten.
    Paul Smith: "Ich wollte dieses Mal verstärkt aus meinen Erinnerungen und Erfahrungen schöpfen. Alle Stücke auf dem Album sind sehr persönlich. Das ist auch wieder so ein Beispiel für die subtilen Neuerungen auf dieser Platte. Als Ausgangspunkt für jeden Song habe ich immer ein persönliches Erlebnis verwendet, das ich dann im weiteren Verlauf aber häufig auch ausgeschmückt und zu einer Art Kurzgeschichte verarbeitet habe."
    Auffallend ist dabei die Affinität für die Faszination der Nacht. Diese dunkle Stimmung legt sich ab und zu wie ein sentimentaler Schleier über manche Stücke. Muss man sich Sorgen machen um Maxïmo Park? Durchaus. Es hat sie erwischt. Nach über zehn Jahren entscheidet sich nun: so weiter machen oder ganz aufhören. Passend dazu heißt es im letzten Song: "Ich weiß nicht wohin wir gehen, du aber schon!"
    Paul Smith: "Songs halten bestimmte Momente für die Ewigkeit fest, und ich hoffe, dass ich sie jeden Abend auf Tour mit der gleichen Leidenschaft singen kann, denn sie entstammen diesen besonderen Momenten, wie etwa wenn man etwas in einem Buch wiedererkennt."