Freitag, 19. April 2024

Archiv

Neues Zulassungsverfahren für Studiengänge
"Ein Misstrauensvotum gegenüber den Universitäten"

Das jetzt von der Kultusministerkonferenz beschlossene Verfahren zur Zulassung von neuen Studiengängen sei nicht angemessen, um die Qualität der Studiengänge sicherzustellen, sagte der Präsident des Deutschen Hochschulverbands, Bernhard Kempen, im DLF. Zudem seien solche Verfahren zu kostspielig, zu aufwendig und würden viel zu wenig bringen.

Bernhard Kempen im Gespräch mit Markus Dichmann | 09.12.2016
    Prof. Dr. Bernhard Kempen, Direktor des Instituts für Völkerrecht und ausländisches öffentliches Recht an der Universität Köln. Seit 2004 Präsident des Deutschen Hochschulverbandes.
    "Da können wir nicht einfach gelassen zuschauen, sondern da müssen wir uns empören": Bernhard Kempen, Präsident des Deutschen Hochschulverbandes, zum neuen Verfahren zur Zulassung von Studiengängen. (imago / Medoti Popow)
    Markus Dichmann: Soweit also das Verfahren , so entstehen neue Studiengänge an Hochschulen. Was das Bundesverfassungsgericht dabei im Frühjahr zu bemängeln hatte, das war die Rolle der sogenannten Akkreditierungsagenturen, von denen wir eben schon gehört haben, die Studiengänge beurteilen sollen, um eine gewisse Qualität zu sichern, ja, aber die dabei zum Teil auch rein formalistische Kriterien anlegen und damit das wissenschaftliche Primat aushebeln würden. Die Kultusministerkonferenz war angehalten, auf dieses Urteil aus Karlsruhe zu reagieren, und hat das auch getan und heute eben den Entwurf zu einem gemeinsamen Staatsvertrag vorgelegt, der diese Akkreditierungsfrage endlich regeln soll.
    Diesen geplanten Staatsvertrag wollen wir besprechen mit Bernhard Kempen, Präsident des Deutschen Hochschulverbands. Guten Tag, Herr Kempen!
    Bernhard Kempen: Guten Tag, Herr Dichmann!
    Dichmann: Fangen wir mal so an, Herr Kempen: Die Akkreditierungsagenturen, die wird es weiterhin geben nach diesem Entwurf, Agenturen, deren Arbeit Sie hier bei uns im Deutschlandfunk mal als schlechten Witz und zum Teil als Bullshit bezeichnet haben. Und heute haben Sie bereits formuliert, diese Entscheidung sei unzumutbar. Ich nehme an, Sie haben heute keine gute Laune?
    "Diese Verfahren sind viel zu kostspielig"
    Kempen: Nein, ich bin nicht besonders gut gelaunt, denn was uns die Kultusministerkonferenz da beschert, ist schon … Wie soll man sagen, das ist schon allerhand. Das ist ein Misstrauensvotum gegenüber der Bereitschaft der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in den Universitäten, die Studiengänge in Ordnung zu halten oder in Ordnung zu bringen, und da können wir nicht einfach gelassen zuschauen, sondern da müssen wir uns empören.
    Dichmann: Können Sie das noch mal skizzieren, was stört Sie genau an der Arbeit dieser Agenturen?
    Kempen: Es sind die Agenturen und was ja jetzt ist, jetzt wird das Ganze ja weiter zentralisiert, indem die Akkreditierungsentscheidungen nicht mehr von den Agenturen, sondern von einer zentralen Institution, nämlich dem Akkreditierungsrat getroffen werden. Das ist die einzige Veränderung, die wir jetzt haben. Und das bedeutet, es bleibt bei den Missständen, die wir seit Jahren – und zwar mit ganz großer Geschlossenheit in den Universitäten – beklagen, nämlich, dass diese Verfahren viel zu kostspielig sind, viel zu aufwendig sind und viel zu wenig bringen.
    Und wir haben Alternativen. Wir haben vorgeschlagen, Mensch, lasst uns das doch machen, das ist unsere ureigene Aufgabe in den Hochschulen, wir haben geradezu darum gebettelt, dass der Gesetzgeber das in die Hochschulgesetze reinschreiben soll. Der soll uns halt verpflichten, dass wir das machen, der kann dabei auch die Eckpunkte reinschreiben, dass wir das natürlich in Kommunikation mit den Studierenden tun, dass wir das unter Zuhilfenahme externen Sachverstandes machen, dass wir das unter Einbeziehung der Kräfte des Arbeitsmarkts machen et cetera, et cetera. Darum haben wir regelrecht gebettelt. Und was machen die Kultusminister, sie gießen alten Wein in neue Schläuche beziehungsweise verschlimmbessern die Sache noch, indem sie das Ganze, was vorher noch auf verschiedene Agenturen verteilt war, jetzt einem Akkreditierungsrat anvertrauen.
    Dichmann: Aber im Entwurf zu diesem neuen Staatsvertrag heißt es genau, dass dieser Akkreditierungsrat erstens die Entscheidungsgewalt hat, genau, und zweitens mehrheitlich mit Vertretern der Wissenschaft besetzt sein soll, was ja auch auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts eingeht. Kommt Ihnen das nicht entgegen?
    "Das ist nicht das, was Karlsruhe gemeint hat"
    Kempen: Das werden wir noch zu prüfen haben. Wir werden ohnehin zu prüfen haben, ob das, was jetzt hier als Vertrag aufgelegt wird, ob das den verfassungsrechtlichen Anforderungen, die das Bundesverfassungsgericht formuliert hat, entspricht. Da gibt es die eine oder andere Stelle, wo man Zweifel haben darf. Aber ob das sozusagen eine adäquate Form der Mitwirkung von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern ist, wenn in diesem Akkreditierungsrat sieben oder acht Professoren sitzen, die dann sozusagen die komplette Fächerbandbreite aller Fächer in den Universitäten repräsentieren sollen, da können wir auch … Das ist, glaube ich, nicht das, was Karlsruhe gemeint hat, um es deutlich zu sagen, das ist das nicht.
    Dichmann: Ein Staatsvertrag, wenn er denn kommt, in Sachen Akkreditierungsverfahren, Herr Kempen, das wäre dann ein rechtsstaatliches Dokument allerhöchster Güte. Damit wäre das dann auch in Stein gemeißelt, könnte man auch sagen. Wie wollen Sie das aufhalten?
    Kempen: Ja, wie gesagt, also, der Staatsvertrag ist zunächst einmal Vertrag, der muss dann in den Landesparlamenten gewissermaßen ratifiziert werden, also in Landesgesetze gegossen werden. Und das bietet natürlich auch Angriffsflächen. Das könnte bedeuten, dass wir ein abermaliges Verfahren in Karlsruhe durchführen. Aber das ist nur die eine Seite der Medaille, die andere ist, dass wir nicht müde werden, darauf hinzuweisen, dass das keine adäquate Form der notwendigen Qualitätssicherung ist. Das bringt nichts, so bringen wir die Studiengänge nicht in Ordnung, das müssen wir ganz anders machen.
    Und unsere Enttäuschung geht so weit, dass wir sagen, also, dann müssen wir jetzt auch mal eine Zeit lang den Kultusministern die kalte Schulter zeigen, so kann man mit Professoren nicht umgehen. Ich will noch mal darauf hinweisen, da besteht absolute Einmütigkeit in unseren Kreisen, und zwar was die Professorinnen und Professoren angeht, aber auch was den sogenannten Mittelbau angeht und was die Studierenden selbst angeht, dass diese Form der Akkreditierung, die wir jetzt haben, dass die nicht adäquat ist. Sie ist nicht angemessen, um die Qualität der Studiengänge sicherzustellen.
    Dichmann: Die Arbeit der Agenturen ist zu teuer für die Hochschulen, sagen Sie unter anderem, Herr Kempen. Auf der anderen Seite, wenn Sie das selber machen würden, würde Sie das doch auch kosten?
    "Es fehlt die Kenntnis, wo drückt wirklich der Schuh"
    Kempen: Ja, selbstverständlich wird das kosten, aber es wird nicht so viel kosten wie die derzeitigen Akkreditierungen. Da zahlen wir 15.000 Euro für einen Studiengang, der da nach drei Jahren für abermals 10.000 Euro reakkreditiert werden muss. Und da muss ich sagen, das ist … Da läppern sich Beträge zusammen, die würden wir viel lieber in eine effektive Verbesserung der Studienbedingungen stecken.
    Dichmann: Und wo liegen die inhaltlichen Schwächen der Agenturen?
    Kempen: Dass da die notwendige Flexibilität, die Ortsnähe fehlt, es fehlt die Kenntnis, was geht da eigentlich ab in den einzelnen Hochschulstandorten, wo drückt wirklich der Schuh. Das kann in diesen Verfahren gar nicht ermittelt werden.
    Dichmann: Sagt Bernhard Kempen, Präsident des Deutschen Hochschulverbands, hier in "Campus und Karriere". Danke, Herr Kempen!
    Kempen: Sehr gerne, danke schön!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.