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Ökosystem oder Rohstofflager?

Die Vereinten Nationen haben 2011 zum Internationalen Jahr des Waldes erklärt. Die Bundesregierung will den prominenten Anlass nutzen, um eine neue Waldstrategie vorzustellen. Doch der Entwurf stößt bei Umweltverbänden auf Kritik.

Von Dieter Nürnberger | 11.03.2011
    Die Kritik an der Waldstrategie 2020 der Bundesregierung ist schon sehr massiv vorgetragen worden. Federführend ist ja das Agrar- und Ernährungsministerium von Ilse Aigner (CSU), und die Kritik ist vielschichtig. Der Naturschutzbund Deutschland und auch der Bund für Umwelt und Naturschutz beschwerten sich beispielsweise darüber, bisher nicht groß in den Entscheidungsprozess mit eingebunden gewesen zu sein. Aber der Hauptanteil der Kritik betrifft natürlich die Inhalte der geplanten Waldstrategie. Olaf Tschimpke, der Präsident des NABU, des Naturschutzbundes:

    "Sie setzt darauf, eine sogenannte Holzlücke zu schließen und den Holzabsatz aus den Wäldern zu vergrößern. Das schadet letztendlich aber den Wäldern. Wir müssen hier allerdings eine ganz andere Richtung einschlagen. Am Ende geht es sonst zulasten des Naturschutzes, auch die Waldfunktionen werden tangiert. Die Erholungsfunktion des Waldes, das Wasserschutzregime beispielsweise auch. Es geht derzeit in die völlig falsche Richtung."

    In diesem Zusammenhang fiel heute Vormittag auch der böse Begriff des Waldes als künftiges Rohstofflager. Die Nutzung von Holz soll nach den Plänen der Bundesregierung künftig zunehmen. Die Verwertung des Rohstoffs als längst wiederentdecktes Baumaterial oder eben auch zur energetischen Nutzung spielt eine Rolle. Das müsse nicht per se negativ bewertet werden, aber es dürfe halt auch nur in Maßen geschehen, sagt Hubert Weiger, der Vorsitzende des Bundes für Umwelt und Naturschutz BUND:

    "Wir haben im Jahr 2001 aus unseren Wäldern rund 40 Millionen Kubikmeter Holz entnommen. Rund acht Jahre später waren dies fast 70 Millionen. Das bedeutet somit fast eine Verdoppelung. In einigen Wäldern findet eine Übernutzung statt, somit haben wir auch kaum noch Mobilisierungsreserven."

    Aus diesem Grund fordern die beiden größten Umweltverbände Deutschlands, dass eine Fläche in der Größe von fünf Prozent des Waldbestandes überhaupt nicht mehr für eine Verwertung infrage kommen solle. Das übrigens sei auch Bestandteil der Biodiversitätsstrategie der Bundesregierung. Leider aber wolle die Regierung von diesem Punkt bei der Waldstrategie wohl nichts mehr wissen. Wichtig sei dies aber gerade aus Klimaschutzgründen, denn der Wald bindet CO2 – allerdings würden die Kapazitäten des Waldes für diese so wichtige Funktion immer weiter zurückgehen. NABU-Präsident Olaf Tschimpke:

    "Wir haben einfach zu kurze Umtriebszeiten. Natürlich speichern Wälder, desto älter sie werden, auch mehr Kohlenstoff, bis sie eine Obergrenze erreicht haben. Heutzutage machen wir aber alles immer schneller, und somit senken wir die Aufnahmekapazitäten der Wälder ab."

    Zudem sei noch ein anderer Punkt ganz wichtig: Der deutsche Wald sei inzwischen längst sozusagen überkultiviert worden. Das habe mit den ursprünglichen Beständen hierzulande kaum noch etwas zu tun. BUND-Chef Hubert Weiger:

    "Wir müssen den sehr hohen Anteil an Nadelbäumen reduzieren. Der war auch von Natur aus gar nicht so vorhanden. Ursprünglich hatten wir hier in Deutschland viele Laubwälder, und nicht nur Kiefer- oder Fichtenbestände. Wir müssen also mehr Laubbäume zurückbekommen und vor allem und generell auch mehr Mischwald. Es darf nicht so sein wie heute, dass fast die Hälfte unserer Wälder nur aus einer einzigen Baumart besteht."

    Noch ist die Waldstrategie 2020 der Bundesregierung nicht verabschiedet. Die Kritik daran wird aber lauter.