Donnerstag, 18. April 2024

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Österreich-Urteil
Medien sind ohnehin nicht neutral?!

In Österreich gab es in dieser Woche ein bemerkenswertes Urteil. Eine Gratiszeitung hatte eine andere verklagt, weil diese Gefälligkeitsartikel nicht als Werbung gekennzeichnet hatte. Der Oberste Gerichtshof entschied: Das musste sie auch nicht. Denn Zeitungsleser hielten alle Artikel für gekauft, gefärbt und manipulativ.

Von Andreas Stopp | 19.11.2016
    "Lügenpresse" steht am 20.02.2016 in Mainz (Rheinland-Pfalz) bei einer Kundgebung des islam- und flüchtlingsfeindlichen Pegida-Ablegers "Karlsruhe wehrt sich" gegen den Südwestrundfunk (SWR) auf einem Schirm.
    Das österreichische Höchste Gericht: Alles Schmarrn, die Leser halten Zeitungsartikel, alle und überhaupt, ohnehin für gekauft, tendenziell, gefärbt, beeinflusst, subjektiv, gelenkt, manipulativ. (picture alliance / dpa / Arne Dedert)
    Das kann doch nicht wahr sein! Weil der sogenannte durchschnittliche Leser sowieso davon ausgeht, dass redaktionelle Medienbeiträge nicht neutral sind, brauchen Gefälligkeitsartikel nicht mehr als solche gekennzeichnet zu werden!? Das heißt also, wenn eine Firma Werbung in einer Zeitung schaltet, bedankt sich diese dafür damit, dass sie an anderer Stelle einen Artikel einrückt, der den Eindruck erweckt, hier würde neutral und seriös recherchiert über die Firma geschrieben!
    Keine unabhängige Berichterstattung
    Aber nur den Eindruck! In Wirklichkeit ist der Text quasi gekauft. Warum sollte man das dem unbedarften Leser sagen? Müssen wir nicht, sagt jetzt das österreichische Höchste Gericht: Alles Schmarrn, die Leser halten Zeitungsartikel, alle und überhaupt, ohnehin für gekauft, tendenziell, gefärbt, beeinflusst, subjektiv, gelenkt, manipulativ. Konsequenterweise muss auch gar nicht mehr unterschieden werden zwischen redaktionellen Teilen und bezahlter Werbung.
    Willkommen im postfaktischen Journalismus, kann ich da nur sagen. Art, Ursprung, Genese des Inhalts, der Fakten, spielt keine Rolle mehr! Allein die gefühlte Wahrheit entscheidet! Ab in die Restmülltonne mit der Objektivität des qualifizierten Journalismus, was bleiben darf, ist Lügenpresse. Weiss doch eh‘ jeder und das kann ja jetzt auch endlich mal gesetzlich legitimiert, gerichtlich verankert und als "normal" deklariert werden, dass Medien nicht trennen zwischen Wahrheit und Manipulation.
    Alles Journalismus, auch wenn’s nicht stimmt?
    Es gibt im Lebensmittelbereich die Kennzeichnungspflicht: Wo "light" auf der Käsepackung draufsteht, darf nicht "vollfett" drin sein. Wenn ich Super tanke, will ich keinen Diesel. Bestelle ich Sekt, schlürfe ich kein Selters. Verstehen Sie?
    Und ausgerechnet Medien sollen jetzt ihre eigentlich auf Vertrauen aufgebauten Beiträge auf die unterschiedslose Resterampe der Beliebigkeit dem Meistbietenden verscherbeln? Alles Journalismus, auch wenn’s nicht stimmt?
    Der Anfang vom Ende! Keiner glaubt dann mehr an unabhängige Berichterstattung. Wenn das die Populisten mitkriegen, gute Nacht, vierte Gewalt!