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Offener Brief an Merkel

Zwölf prominente Doping-Gegner haben am vergangenen Dienstag in einem offenen Brief Aufklärung und konsequentes Durchgreifen in der Erfurter Doping-Affäre gefordert. In dem Schreiben, das unter anderem an Bundeskanzlerin Angela Merkel gerichtet ist, werfen die Doping-Gegner dem Staat und den Sportorganisationen vor, Doping zu dulden.

Von Sebastian Krause | 01.04.2012
    Zu den Verfassern des offenen Briefes gehören die renommiertesten Doping-Bekämpfer der vergangenen Jahrzehnte wie Brigitte Franke-Behrendonk, Gerhard Treutlein und Hansjörg Kofink, die DDR-Doping-Opfer Andreas Krieger und Uwe Troemer sowie die Biathlon-Olympiasiegerin Antje Harvey-Miserski und Ex-Sprinterin Claudia Lepping.
    Lange hätten sie sich die fragwürdige Aufklärung der Erfurter Doping-Affäre angeschaut. Jetzt reicht´s – sagt Hansjörg Kofink, der Mitinitiator des offenen Briefes.

    "Zum allerersten Mal geht der Staat, Leute aus der Legislative, Sportausschuss, und Leute des Bundesinnenministeriums her und erklären, was Doping ist. Das war seither Sache des Sports, der NADA, der WADA . Und hier herrscht ein Dissens. Das ist eine neue Qualität."
    Hansjörg Kofink verweist auf die Sitzung im Sportausschuss des Bundestages vor knapp zwei Wochen zur Causa Erfurt und der von Sportarzt Andreas Franke durchgeführten UV-Behandlung, als die unterschiedlichen Auffassungen deutlich wurden:

    Die Nationale Anti-Doping-Agentur NADA vertritt wie die Welt-Anti-Doping-Agentur WADA den Standpunkt, dass die Methode schon seit Jahren verboten ist. Die Regierungskoalition im Sportausschuss sieht das anders und will sich noch nicht festlegen. Und als der Nürnberger Pharmakologe Fritz Sörgel in der Sportausschuss-Sitzung als Sachverständiger darlegt, warum es sich bei der UV-Behandlung um Doping handelt, wird er von CDU-Parlamentariern angegangen.

    "Das ist für mich eine absolute Katastrophe. Ich versteh nicht, wenn man einen bestellten Sachverständigen sofort im Ausschuss konfrontiert mit einem Gegengutachten und wenn dann das noch zu verbalen Beschimpfungen kommt, dann muss man sagen, das ist zu viel, das kann nicht sein."
    Ebenfalls als Sachverständiger ausgesagt hat damals der langjährige Richter am Internationalen Sportgerichtshofs CAS in Lausanne, Georg Engelbrecht. Die Diskussion, ob Doping oder nicht, kann der Sportjurist nicht nachvollziehen. Für ihn ist der Fall klar.

    "Wenn der Sachverhalt so ist, dass tatsächlich Athleten Blut entnommen wurde, behandelt in welcher Form und wie auch immer, dann handelt es sich um sogenanntes Blutdoping, dass schon nach den Verbotslisten seit 2000 verboten ist. Die verbotene Methode wurde sanktioniert bereits bei österreichischen Skiläufern nach Salt Lake City um Herrn Walter Mayer herum. Und ich glaube auch, dass die CAS-Rechtsprechung, an der ich damals an drei Verfahren mitwirken durfte, sich nicht ändern würde, sollte es wieder zu Streitigkeiten dieser Art vor dem CAS kommen."
    Die Doping-Gegner fordern in ihrem offenen Brief, Steuergelder einzufrieren und zurückzufordern, mit denen am Olympiastützpunkt in Erfurt gegebenenfalls Doping finanziert wurde. Bisher sah das Bundesinnenministerium und die Regierungskoalition im Sportausschuss dafür keinen Handlungsbedarf. Und auch der Antrag der Grünen, an allen Olympiastützpunkten in Deutschland zu untersuchen, wie Spitzensportler dort in der Vergangenheit behandelt wurden, wurde abgelehnt. Die Grünen-Politikerin Viola von Cramon.

    "Wir haben feststellen müssen, dass die Regierungskoalition auf jeden Fall kein Interesse hat an einem ambitionierten Anti-Doping-Kampf. Ich habe nicht den Eindruck, dass man hier gewillt ist, der Sache auf den Grund zu gehen. Ich habe nicht den Eindruck, dass man sich die tatsächliche Dimension der Dopingpraktiken ansehen will."
    Anti-Doping-Kämpfer Hansjörg Kofink schließt daraus…
    "…dass man so weiter machen will wie bisher. Der Hochleistungssport dient ausdrücklich der Politik dafür, sich selber in Sommermärchen, Wintermärchen oder vielleicht auch in Umkleidekabinen darzustellen. Wir sind ja dabei, dass unsere Olympiasieger zu hohen Prozentsätzen in der Zwischenzeit entweder beim Militär, Zoll oder bei der Polizei sind. Wir sind dabei, an Eliteschulen des Sports das Fach Leistungssport gleichwertig neben das Fach Biologie zu stellen. Eine absolute Veränderung der Schulgesetze. Das muss auf den Tisch. Der deutsche Sport muss endlich sagen, wo er steht."
    "Seit Jahrzehnten beißen konsequente Doping-Gegner bei Sportorganisationen und nationalen Regierungen auf Granit. Weil es dort um den nationalen Erfolg im internationalen Kräftemessen geht", heißt es in dem offenen Brief - persönlich adressiert unter anderem an Kanzlerin Merkel und den DOSB-Präsidenten Thomas Bach.

    Die Doping-Gegner fordern ein konsequentes und glaubwürdiges Eintreten für einen sauberen Sport. Sie erwarten den Abschluss des Ermittlungsverfahrens gegen den Sportarzt Franke und im Hinblick auf die Olympischen Spiele in London eine Offenlegung der Namen der betroffenen Athleten gegenüber allen beteiligten nationalen Verbänden.

    Reaktionen auf das Protestschreiben kamen bisher vor allem aus der Wissenschaft.

    "Ich bin gefragt worden, ob die Zeitschrift "Sport-Unterricht" noch im April diesen offen Brief abdrucken dürfe. Es würde in ihre Thematik reinpassen."
    Von den Adressaten hat sich stattdessen noch niemand gemeldet.
    "Ich habe einen Hinweis, den ich sehr ernst nehme und der mir sagt: Warten sie noch sieben, acht Wochen und dann wird etwas kommen."