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Opel-Werk Bochum
Alles muss raus

Ausverkauf bei Opel: Nach mehr als 50 Jahren Produktion in Bochum fängt der Autobauer an, die Reste zu verramschen - noch während die Mitarbeiter dort arbeiten. Im Angebot waren zunächst Roboter, Schweißmaschinen, Werkzeuge, die Kantine und sogar eine Krankenstation. Ende Dezember schließt das Bochumer Opel-Werk.

Von Kai Rüsberg | 24.11.2014
    Die Müller-Weingarten 5000 ist gigantisch groß, größer als manches Einfamilien-haus. In der sogenannten Transferpresse können gleich mehrere Autobleche gleichzeitig in Form gepresst werden. 1997 stellte Andreas Graf Praschma als Unternehmens¬sprecher von Opel in Bochum stolz die Innovation der Öffentlichkeit vor. Jetzt steht sie im Internet zum Verkauf.
    "Das tut weh, das tut weh. Das ist nicht schön, wenn die Mitarbeiter das sehen, an der sie zur Zeit noch arbeiten. So was macht man nicht."
    Im Bochumer Werk werden noch bis Anfang Dezember Autos gebaut. Alle Arbeits-plätze sind noch besetzt, auch die, die durch eine Versteigerung einen neuen Eigentümer fanden. Auch die Firma Volz Maschinenhandel aus Witten hat sich die Pressen und Roboter angeguckt, die auf der Versteigerung waren. Dirk Husemann hat viel Erfahrungen mit Auflösung von Produktionsbetrieben. Opel schmerzt aber besonders.
    "Das ist eine große Emotion. Wenn man jetzt als Mitarbeiter da 20 bis 30 Jahre dran stand. Da hängt natürlich die Seele dran."
    Alles muss raus, steht auf der Versteigerungsseite der kanadischen Firma Maynards. Ausverkauf bei Opel. Nach mehr als 50 Jahren Produktion in Bochum fängt der Autobauer an, die Reste zu verramschen, noch während die Mitarbeiter dort arbeiten. Bochums Oberbürgermeisterin Ottilie Scholz ist damit nicht einverstanden:
    "Das ist schon bitter. Ich finde, die Art und Weise, wie man daran geht, nicht besonders sensibel. Da hängen Schicksale dran. Opel gehörte einfach zur Region. Das merke ich an mir selber. Wir reden nicht nur drüber, sondern das tut schon weh, wenn man sieht, das passiert jetzt auch und ich glaube, so geht es vielen Menschen in Bochum und der Region."
    Versteigerung im Internet
    Auf der Internetseite des Auktionshauses wurde im ersten Schritt bereits ein Großteil der Produktionsmaschinen angeboten. Dutzende Roboter, Schweißmaschinen, Drehbänke und ganze Werkstatteinrichtungen inklusive aller Geräte und Schraubenschlüssel. Sogar eine haushohe Karosserie-Presse aus den 60er-Jahren war im Angebot. Darüber, wer die Käufer sind, darf das Versteigerungshaus keine Auskünfte geben. Dirk Husemann vom Maschinenhandel Volz kennt sich aber in der Branche aus:
    "Weltweit kommen da die Zusprüche. Das fängt von Indien an und ist grenzenlos."
    Während die Roboter in der Versteigerung Preise von bis zu einer Viertel Millionen Euro erzielten, konnten andere Teile wie computergesteuerte Fräsen, Kompressoren oder Standbohrmaschinen auch günstiger ersteigert werden. Aufgrund der hohen technischen Anforderungen und Sicherheitsvorschriften sind solche Maschinen in Deutschland nicht leicht zu vermarkten, sagt Fachmann Dirk Husemann. Und Aus¬länder müssen mit hohen Versandkosten rechnen:
    "Sie müssen eine Seeverpackung rechnen. Sie müssen das begasen. Sonderverpackungen, Zollpapiere müssen gemacht werden. Der Aufwand nach Indien ist schon enorm."
    Kuriose Versteigerungsstücke
    Auch kuriose Versteigerungsstücke waren im Angebot. Ein komplettes Feuerwehr-auto mit Leiter und Schläuchen wurde für nur 4.400 Euro ersteigert, eine komplette Tankstelle mit Zapfsäulen und Tanks für 24.000 Euro, die Kantine mit allen Theken, Töpfen und Großbrätern für 4.500 Euro. Auch die gesamte Krankenstation, erzählt Andreas Graf Praschma:
    "Da kommt eine Arztpraxis nicht mit. Das war eine Riesenabteilung. Da stehen hoch technische Geräte, die man draußen gebrauchen kann."
    Bezahlt werden muss bis zum Jahresende. Die Abholung ist aber erst im kommenden Jahr möglich, denn das Opel Werk 1 in Bochum produziert noch offiziell bis Dezember. Wie anschließend auf dem Gelände möglichst schnell neue Arbeitsplätze entstehen, ist noch unklar, so Oberbürgermeisterin Scholz:
    "Im Moment ist es noch nicht klar, weil die Vorstellung von Opel, mit welcher Perspektive und welchem Umfang, das wird sehr stark beeinflussen, was wir auf der Fläche machen können. Ich hoffe, dass die Aufsichtsratsentscheidung Anfang Dezember Klarheit bringt."
    Unterdessen läuft die Verwertung des Bochumer Opelwerks weiter. Der vorzeitige Verkauf noch während der laufenden Produktion sei ein ganz normaler Vorgang, so der Sprecher des Bochumer Werks. Persönlich wollte er nicht Stellung nehmen, aus Termingründen. Er hat sich unterdessen eine neue Wohnung angesehen - in der Nähe des Opel-Stammsitzes in Rüsselsheim.