Freitag, 03. Mai 2024

Archiv

Papst-Brief an deutsche Kirche
Ein Schreiben, verschiedene Deutungen

Deutschlands Katholikinnen und Katholiken haben Post vom Papst bekommen. 19 Seiten gibt der Papst den Gläubigen mit auf den synodalen Weg. Das Evangelium müsse Kompass sein, schreibt er; zu Themen wie Zölibat und Frauenpriestertum schweigt er. Reformgegner und Befürworter fühlen sich gleichermaßen bestärkt.

Von Tilmann Kleinjung | 01.07.2019
Papst Franziskus erteilt den Segen "Urbi et Orbi" von der Loggia des Petersdoms
Papst Franziskus hat sich überraschend in einem Brief an die Gläubigen in Deutschland gewandt (AFP / Vincenzo PINTO)
Die Post aus Rom kam überraschend. Der Vatikanbotschafter hat den deutschen Bischöfen den Papstbrief bei ihrer Sitzung in Berlin zugestellt. Und nicht nur der Osnabrücker Bischof Franz-Josef Bode wird sich Sorgen gemacht haben: Ist das der Schlussstrich unter die deutsche Reformdebatte?
Der stellvertretende Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz war dann nach der Lektüre erst einmal erleichtert. Bode sagt: "Er ist erstmal für den synodalen Weg. Das war für mich die Erleichterung. Da wird nichts zurückgenommen. Dass wir nach vorne gehen können, dass wir einen Weg gehen können."
Die Bischöfe wollen gemeinsam mit Vertretern des Zentralkomitees der deutschen Katholiken ab September über die drängendsten Reformanliegen beraten: über die Themen Macht, Sexualmoral, priesterliche Lebensform und möglicherweise auch über die Rolle der Frauen in der Kirche. So hat man es bei der Frühjahrstagung der Bischofskonferenz verabredet - als Konsequenz aus der Missbrauchskrise.
Bischof Bode: "Ich fühle mich bestätigt"
Dieser Weg wurde vom Papst prinzipiell bestätigt, sagt Bode: "Natürlich auch mit Sorgen, dass wir nicht irgendwie aus dem Ruder rutschen. Aber doch mit viel Verständnis dafür. Er spricht vom freimütigen Dialog, von Fragen, die wir öffnen sollen. Ich fühle mich auf dem Gesamtweg bestätigt."
Papst Franziskus hat es den Katholiken in Deutschland allerdings nicht leicht gemacht. 19 Seiten umfasst sein Schreiben. An wenigen Stellen wird der Papst konkret. Er macht keine expliziten Vorgaben für den Reformprozess in der deutschen katholischen Kirche.
Er zieht keine roten Linien, sagt Pater Bernd Hagenkord vom Sender Vaticannews: "Er nennt es aber nicht Reformprozess, so wie wir das in der deutschen Kirche tun. Sondern er nennt es pastorale Bekehrung. Ganz im Duktus dessen, was er seit 2013, seit seinem Amtsantritt über Wandlungsprozesse in der Kirche gesagt hat. Er betont sehr deutlich das geistliche Fundament dieses Prozesses, das notwendig ist, damit es gelingen kann."
Franziskus warnt in seinem Schreiben davor, die Lösung der Probleme ausschließlich auf dem "Wege der Reform von Strukturen, Organisationen und Verwaltung zu erreichen". Steckt darin nicht doch der Hinweis, die Deutschen mögen bitte die Finger von den bekannten Reformforderungen lassen: flachere Hierarchien, die Weihe von Frauen, die Abschaffung des Zölibats?
Hagenkord meint, dass Papst Franziskus sicherstellen wolle, dass die Befassung Themen wie der Zölibatsfrage auf einem geistlichen Fundament passiere und nicht aus Nützlichkeitserwägungen heraus. "Dass wir uns sehr genau überlegen: Was besprechen wir hier? Und vor welchem Hintergrund besprechen wir das?"
Generalvikar von Regensburg: Prozess kann nicht wie geplant stattfinden
Es gibt auch andere Lesarten dieses Papstbriefes. Sie kommen - wenig überraschend - aus dem eher konservativen Lager im deutschen Katholizismus. Am deutlichsten wird der Generalvikar von Regensburg, Michael Fuchs. Er schreibt: "Der synodale Prozess kann nicht so stattfinden wie geplant. Weder dem Inhalt nach noch in der Form."
Der Vorsitzende der Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, und der Präsident des Zentralkomitees, Thomas Sternberg begreifen den Papstbrief dagegen als Ermutigung. Und Christian Weisner von der Kirchenvolksbewegung fordert die Bischöfe auf, den eingeschlagenen Weg fortzusetzen: "Wenn die große Mehrheit der deutschen Bischöfe sich nicht gemeinsam mit dem Zentralkomitee und den theologischen Wissenschaftlern auf den Weg macht, dann sehe ich keine Zukunft für die Kirche."
Papst Franziskus scheint besonders wichtig, dass die deutsche Kirche keinen Sonderweg einschlägt. Sie ist nur ein Teil der großen katholischen Weltkirche. Das Ganze sei mehr als der Teil. "Man darf sich", so Franziskus "nicht zu sehr in Fragen verbeißen, die begrenzte Sondersituationen betreffen."