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Hostwriter vernetzt Journalisten

Panama Papers, Cum-Ex-Skandal, Football Leaks – immer häufiger stemmen große internationale Recherche-Verbünde die großen Geschichten. Aber was ist mit den kleineren Redaktionen und tausenden freien Journalisten weltweit? Das deutsche Start-up Hostwriter will sie zusammenbringen.

Von Dieter Wulf | 05.09.2019
Eine Frau steht vor einem Message-Board, auf dem "How can you Hostwriter?" steht.
Etwa 4.000 Journalisten aus über 150 Ländern sind bei Hostwriter gelistet. (Hostwriter)
Im Herbst 2010 hatte Tabea Grzeszyk gerade ihr Journalismusvolontariat beendet. Vor dem endgültigen Berufseinstieg stand nochmal eine längere Reise. Mehrere Monate durch verschiedene Länder im Nahen Osten. Übernachtungen organisierte sie sich mit Hilfe des Onlineportals "Couch Surfing". Zurück in Deutschland hatte sie viele neue Kontakte und Ideen aus den bereisten Ländern im Gepäck. Und schließlich die Idee, das Modell Couch Surfing auf den Journalismus zu übertragen, erinnert sich die Mitgründerin und Geschäftsführerin von Hostwriter.
"Und dachte: Ist ja verrückt, warum gibt es nicht so ein Netzwerk für persönliche Kontakte? Warum gibt es denn kein Couch Surfing für Journalisten? Dann habe ich tatsächlich Couch Surfing angeschrieben, ob die nicht noch ein Häkchen 'Ich bin ein Journalist' einfügen wollen auf ihrer Seite, aber da gab es kein Interesse, aber so fing das eigentlich an."
Kein Blog und kein Newsroom, sondern Infrastruktur
2013 gründete Tabea Grzeszyk zusammen mit den deutschen Journalistinnen Sandra Zistl und Tamara Anthony ihre Online-Plattform Hostwriter. Anfangs alles ehrenamtlich. 2016 gab es Geld von einer holländischen Stiftung. Tabea Grzeszyk kündigte ihre Redakteursstelle bei Deutschlandfunk Kultur, um sich ganz dem Start-up zu widmen. Hostwriter ist kein Blog, betreibt keinen Newsroom. Es ist eine Infrastruktur, ein weltweites Journalistennetzwerk. Mittlerweile sind bei Hostwriter etwa 4.000 Journalisten aus über 150 Ländern gelistet. Daniel Bates ist seit 2016 dabei. Er sieht hauptsächlich zwei journalistische Ansätze, wie man Hostwriter nutzen kann.
"Eine Möglichkeit wäre, wenn man etwas über Ländergrenzen verfolgt - ein Produkt zum Beispiel aus China - und man sich ansieht, wie das produziert wird, verschifft und dann zum Beispiel in den Händen eines Konsumenten in Deutschland landet. Das kann sehr erleuchtend sein. Oder, was wir gemacht haben, man vergleicht eine Sache und kommt dann durch die international verschiedensten Perspektiven zu neuen Erkenntnissen."
Der Engländer lebt seit knapp zehn Jahren als freier Journalist in New York und hat immer wieder über Gentrifizierung geschrieben. In New York ein Riesenthema. Wie aber geht man in anderen Ländern mit dem Thema um, fragte sich Daniel Bates und stieß auf Hostwriter.
"Ich begann, über Hostwriter nach Leuten zu suchen an Orten, wo Gentrifizierung auch ein Thema ist, aber deren Stimmen man zu diesem Thema sonst so nicht hört. Also suchte ich in Johannesburg, Lagos, Nairobi oder Manila auf den Philippinen, um die Bandbreite der Stimmen zu diesem Thema zu erweitern."
Länderübergreifende Zusammenarbeit immer wichtiger
Mit dem Artikel "Global Squeeze", der dann in dem New Yorker Online Magazin "City Limits" erschien, gewannen Daniel Bates und seine Kollegen schließlich einen Preis. In unserer immer vernetzteren Welt müsse auch der Journalismus länderübergreifend zusammenarbeiten, ist Tabea Grzeszyk überzeugt. Hostwriter, glaubt sie, sei dafür ein gutes Werkzeug.
"Nicht jede Geschichte ist eine Cross-Border-Geschichte, eine länderübergreifenden Geschichte. Aber wenn wir jetzt Klimawandel nehmen oder wenn wir Migration nehmen oder wenn wir grenzüberschreitende Kriminalität nehmen, das kann ja eigentlich ein Newsroom oder ein Kollege alleine gar nicht mehr stemmen."
Wer Teil des Netzwerks werden will, muss sich auf der Website erst mal anmelden. Neben den wenigen persönlichen Daten muss jeder mindestens eine veröffentlichte Arbeitsprobe beifügen. Der Mitgliedsantrag muss auf Englisch verfasst werden. Etwa fünf bis zehn Anträge kommen jeden Tag aus aller Welt bei der pakistanischen Journalistin Zahra Uddin an. Sie ist im Berliner Büro von Hostwriter für die Akkreditierungen zuständig.
"Eines der wichtigsten Dinge, die wir uns bei den Bewerbungen ansehen, ist die journalistische Arbeit. Bei den Profilen müssen sie Links zu ihren journalistischen Arbeitsproben beifügen. So sehen wir, was für eine Art von Journalismus sie praktizieren, denn schließlich ist das ein Netzwerk professioneller Journalisten und diesen Standard wollen wir beibehalten."