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Podcasts
Vielfalt in der Nische

Es ist wie Radio in Eigenregie. Was Blogs für Geschriebenes und Bilder, sind Podcasts für das gesprochene Wort. Jeder kann eigene Sendungen veröffentlichen. Doch obwohl die Technik immer einfacher wird, kommt sie nicht aus der Nische raus. Dafür werden die Macher immer kreativer.

Von Daniel Bouhs | 03.01.2015
    Kopfhörer mit Smartphone
    Kopfhörer mit Smartphone (picture alliance / dpa / Daniel Bockwoldt)
    "Hallo Hörer! Na, ihr? Auch hier?" – "Gero, Du warst in Düsseldorf –wie war's denn?" "Fortuna, scha-la-la-la-la... Ja, ich war in Düsseldorf und ich muss sagen: Es war sehr, sehr nett – abgesehen vom Ergebnis..."
    Das "Textilvergehen", eine Anspielung auf das Zupfen und Zerren auf dem Fußballplatz, ist wieder auf Sendung. Nun schon zum 214. Mal diskutiert eine Handvoll Fans vor Mikrofonen die Lage bei ihrem Verein, dem Zweitligisten Union Berlin – darunter Stefanie Fiebrig. Podcasten ist für sie Leidenschaft.
    "Nach einem Fußballspiel hat man in der Regel Gesprächsbedarf. Und manchmal ist es fast wie eine Therapie, kann man sagen, dass man sich noch mal richtig aussprechen kann, oder ärgern kann gemeinsam oder zusammen freuen kann über das, was man da auch gerade gemeinsam erlebt hat."
    Über Fußball sprechen, das geht auch in der Kneipe. Aber dort ist man ja unter sich und das muss heute nicht mehr sein. Der Stammtisch lässt sich erweitern – übers Netz. Für eine Gesprächssendung auf Abruf braucht es nicht viel: ein paar Mikrofone, ein kostenloses Aufnahmeprogramm und ein bisschen Interesse für die technische Verbreitung.
    "Ich finde, dass die Technik bedienbarer geworden ist und dadurch auch der Aufwand sich verringert hat und das ganze Drumherum, die Einbindung in ein Blog oder so, das ist so viel praktikabler geworden."
    Erzählt die Berliner Podcasterin Stefanie Fiebrig kurz bevor sie wieder im Stadion verschwindet – akustischen Nachschub holen, sozusagen und: Hörer treffen. Die hat das "Textilvergehen" inzwischen reichlich.
    "Die stehen dann plötzlich vor der Tür, klingeln und bringen einen Kasten Bier vorbei oder einen Kasten Mate oder so was. Es ist manchmal auch nur ein aufmunternder Spruch: 'Hat Spaß gemacht, zuzuhören' oder 'Wo bleibt ihr denn?' Ich habe offensichtlich so regelmäßig produziert, dass Leute kommen und Fragen: Hey, wo bleibt ihr denn, das Spiel war doch schon vor zwei Tagen? Dann merkt man, dass es angenommen wird, und das ist schön."
    Podcasts sind aber auch nach gut zehn Jahren noch immer ein Nischenphänomen: Gerade mal jeder zehnte Internetnutzer hört mal rein. Doch in der Nische wächst und gedeiht das Angebot: Private Podcasts gibt es heute zu allen Themen – Sport, Technik, Wissenschaft. Und manche Angebote sind sogar echte Lebenhelfer.
    Podcast zum Einschlafen - ein voller Erfolg
    "Hallo ihr Lieben und herzlich willkommen zum Einschlafen Podcast, Episode 200, ne 315. Ich bin Tobi, glaube ich, oder wie auch immer. Ich lese euch heute irische Elfenmärchen vor von den Brüdern Grimm..."
    Ein paar Kilometer südlich von Hamburg entsteht mit dem "Einschlafen Podcast" ein ganz besonders Angebot. Tobias Baier sitzt nun schon seit vier Jahren jede Woche auf seinem Sofa und gibt nichts anderes als den unaufgeregten Vorleser.
    "Eigentlich wollte ich nur die Kinderbücher, die ich meinen Kindern jeden Abend zum Einschlafen vorgelesen habe als sie noch klein waren, noch mal aufnehmen und aufbewahren für später, wenn sie selber groß sind und Kinder haben – einfach als Erinnerung."
    Doch dann kam ihm die Idee, das einfach ins Netz zu stellen – für kleine und große Menschen, die einschlafen wollen. Weil er aber dafür nicht einfach aus Kinderbüchern Hörbücher für alle machen darf, liest er alte Geschichten vor, die urheberrechtlich nicht mehr geschützt sind. Der Inhalt ist letztlich ohnehin nebensächlich. Auf die ruhige Stimme des Podcasters kommt es an. Ob er richtig liegt, merkt Baier meist sofort.
    "Die Kleine, die liegt total gerne dann mit auf dem Sofa, kuschelt sich unter ihre Decke und pennt dann tatsächlich dabei ein. Das ist ganz lustig, weil mir das natürlich auch das Gefühl gibt: So, jetzt muss ich leiser werden mit der Stimme, damit sie nicht ständig aufschreckt – was sich natürlich auch auf die Hörerauswirkt."
    Auch Tobias Baier weiß, dass sein Podcast funktioniert. Zum einen verrät ihm die Statistik seiner Internetseite, dass die Fans seine Folgen fast 100.000 Mal herunterladen – jeden Monat. Zum anderen melden sich aber viele auch persönlich, schicken ihm mal Geld, mal etwas zum Knabbern. Auch eine Sachertorte kam an – und viel Fanpost.
    "Ich habe letztens die Nachricht von einem Sanitäter der Bundeswehr bekommen, der im Kosovo-Einsatz war und dort abends, um runter zu kommen, den Podcast gehört hat. Das macht mich stolz. Oder auch Leute, die mir schreiben 'Ich habe Einschlafprobleme durch meine Krankheit' und ich kann da helfen. Das geht runter wie Öl und gibt mir wahnsinnig viel Motivation."