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Politiker-Nebeneinkünfte unter Druck

Die Diskussion um die Nebeneinkünfte von SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück hat auch wieder die generelle Transparenz bei den Abgeordneteneinkünften auf die Tagesordnung geholt. Eine Kommission diskutiert darüber bald.

Von Gudula Geuther | 11.10.2012
    - "Wir haben ja jetzt auch schon gute Regeln, wie ja auch die aktuelle Diskussion beweist. Regeln müssen manchmal auch nur Anlass geben, nachfragen zu können. Und dass das bei einem Kanzlerkandidaten stattfindet, ist nun wirklich das Natürlichste der Welt."

    - "Manche haben jetzt die Backen geblasen. Und jetzt kommt es drauf an, auch zu pfeifen. Insbesondere von CDU/CSU und FDP. Das heißt, wer Peer Steinbrück auffordert, auf Heller und Cent zu publizieren, der muss diesen Maßstab auch gegen sich selbst richten."

    Nur soviel ist klar: Die Nebeneinkünfte Peer Steinbrücks sind der Anlass für den neuen Streit um parlamentarische Transparenz. Vorwand oder Katalysator? Das wird sich vielleicht schon am kommenden Donnerstag zeigen. Dann trifft sich – wieder einmal – die Rechtsstellungskommission - ein Untergremium des Ältestenrates im Bundestag. Mit neuem Schwung.

    "Am 18. werden wir unseren Antrag einbringen zur Veröffentlichung auf Euro- und Cent-Betrag, komplett. Und dann werden wir sehen, wie sich CDU, CSU und FDP verhalten."

    Auf Euro und Cent also, so fordert es Christian Lange, der für die SPD in dem Gremium sitzt, soll jeder Abgeordnete ins Internet stellen, was er verdient – vor allem neben dem Mandat. Vorträge und Aufsichtsratsvergütungen, aber auch Einnahmen aus der Tätigkeit als Berater, Handwerker, Unternehmer. Vor allem aber sollte da stehen: Wer hat gezahlt? Ausnahmen sollte es demnach nur geben, wo Schweigepflichten bestehen, bei Anwälten oder Ärzten etwa. Das wäre tatsächlich etwas ganz Neues. Denn auch, wenn einige Abgeordnete das jetzt schon tun - sie müssen nicht. Erst seit 2002 sind sie überhaupt verpflichtet, auch nur die Nebentätigkeiten anzugeben, seit fünf Jahren müssen sie die Einkünfte mindestens in groben Zügen dazuzuschreiben.

    "Damals war die Diskussion ja auch schon zäh",

    erinnert sich Gregor Hackmack von Abgeordnetenwatch.

    "Das Gesetz wurde ja im August 2005 erlassen in dem Drei-Stufen-System von Rot-Grün, praktisch so kurz vor Schluss, die Bundestagswahl stand an. Danach haben ja auch erst mal Abgeordnete gegen die Neuregelung geklagt, die bis vors Bundesverfassungsgericht gezogen sind. Und erst im Juli 2007 gab es ja dann die Freigabe durch das Bundesverfassungsgericht in einem sehr knappen Urteil."

    Stufensystem heißt: von 1000 bis 3500 Euro, bis 7000 Euro oder mehr. Im Internet steht dann: Stufe 1, Stufe 2, Stufe 3. Ob ein Vortrag 7.500 oder 30.000 Euro eingebracht hat, ist dort nicht zu lesen. Übrigens war es eine rot-grüne Mehrheit, die das entschieden hat, aber schon damals waren Unionsabgeordnete dabei. Und später waren auch SPD-Politiker unter denen, die sich gegen die Veröffentlichung mit der Klage wehrten. Eine schwierige Geburt also. Und trotzdem: Gleich darauf begann man wieder, zu verhandeln. Seit Beginn der Legislaturperiode diskutiert die Rechtsstellungskommission. Warum?

    "Das müssen sie die Kollegen von der Grünen-Fraktion fragen. Die haben damit nach meiner Kenntnis angefangen."

    Sagt Michael Große-Brömer, Parlamentarischer Geschäftsführer der Unions-Bundestagsfraktion, wenig enthusiastisch. Und doch hatte gerade er vor wenigen Tagen im Zuge der Steinbrück-Diskussion auf den Termin der Rechtsstellungskommission verwiesen. Die schon einmal ganz nah dran war an einer Einigung.

    "Wir haben gesagt, vielleicht besteht die Möglichkeit, dass man über eine Bagatellgrenze mal nachdenkt. Muss man wirklich 1000 Euro schon angeben. Oder kann man das vielleicht ein bisschen hochsetzen? Dafür aber dann an der Obergrenze vielleicht bereit sein, zu sagen: Ok, wenn jemand 10.000 verdient hat oder 20.000, dann muss er das auch besonders kennzeichnen."

    Ein Kompromiss, trotzdem, eine Einigung gab es nicht. Denn, so fürchteten SPD und Grüne: je laxer die Regeln im unteren Einnahmenbereich, desto größer die Umgehungsmöglichkeiten. Trotzdem: Die Fronten sind nicht so verhärtet, wie es in der öffentlichen Diskussion den Anschein hat. Denn nicht nur Große-Brömer, auch der Sozialdemokrat Lange hat Verständnis für Selbstständige. Mehr übrigens als Kritiker wie Gregor Hackmack von Abgeordnetenwatch. Der sagt: Wer im Bundestag sitzt, hat eh keine Zeit, als Anwalt zu arbeiten, zumindest nicht, wenn er seine Sache richtig macht. Der Unions-Fraktionsgeschäftsführer dagegen verweist darauf, dass selbst die Verfassungsrichter sich nicht einig waren, ob auch nur die heute gültige Stufenregelung in Ordnung ist. Vier Richter fanden das damals nicht:

    "Weil der Abgeordnete sozusagen eine Sonderstellung hat, nur sich verpflichtet ist, seinem Wähler natürlich auch. Und zwar im Mittelpunkt seiner Tätigkeit das Mandat stehen muss. Aber gerade mit Blick auf die Verbindung zu seiner vorherigen Berufstätigkeit, zu der Möglichkeit, zurückkehren zu können, eben auch die Möglichkeit des Nebenverdienstes bestehen muss. Und infolgedessen diskutiert man halt so was auch. Weil es immer um Grundfragen des Abgeordnetendaseins geht."

    Auch der SPD-Politiker Lange weiß zumindest, woher der Wunsch nach einer höheren sogenannten Bagatellgrenze kommt: Wer geht schon zu einem Anwalt, der öffentlich sagen muss, dass er nur Mandate im untersten Bereich hat? Immerhin gibt es in allen Fraktionen Selbstständige, auch in seiner. Aber zum Bild des Abgeordneten gehöre eben auch, dass Abhängigkeiten, finanzieller und anderer Natur, erkennbar sein müssten. Und das immer mehr. Immerhin haben die Volksvertreter nicht nur sich selbst schärfere Regeln verordnet.

    "Etwa bei den Dax-Unternehmen. Dass Vorstände verpflichtet sind, ihre Einkommen zu veröffentlichen, ihre Pensionsansprüche, das finden sie jetzt in den Bilanzen. Denken sie daran, was das für eine Welle ausgelöst hat in den öffentlichen Unternehmen."

    In seiner Fraktion spüre er jetzt Offenheit für mehr, sagt er. Man muss dann mit der Fraktion ins Gespräch kommen, sagt Große-Brömer von der Union. Ob das aber schon nach dem nächsten Donnerstag nötig sein wird? Da haben beide Zweifel. Abgeordnetenwatch wird das beobachten. Aber nicht nur das. In keinem einzigen Land, außer in Sachsen, sagt Gregor Hackmack, gebe es auch nur Publizitätspflichten wie derzeit im Bundestag.

    "Insofern haben die Bundesländer da auf jeden Fall Nachholbedarf. Und wir appellieren jetzt auch natürlich an Rot-Grün, zumindest in den Bundesländern zu liefern, wo sie eine eigene parlamentarische Mehrheit haben. So könnte man Schwarz-Gelb auf Bundesebene dann auch unter Druck setzen."