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Portugal auf finanzieller Achterbahnfahrt

Vergangene Woche bestanden vier portugiesische Banken den europäischen Stresstest. Stunden später folgte die Abstufung der Kreditwürdigkeit eben dieser und anderer Banken durch eine Ratingagentur - was erhebliches Unverständnis in der Politik und Unsicherheit auf den Märkten mit sich zog.

Von Tilo Wagner | 18.07.2011
    Gute Nachrichten aus dem Wirtschafts- und Finanzsektor haben im Krisen geschüttelten Portugal Seltenheitswert. Deshalb stand dem Präsidenten der portugiesischen Staatsbank, Carlos Costa, die Erleichterung ins Gesicht geschrieben, als er das positive Abschneiden der vier größten portugiesischen Banken im europaweiten Stresstest kommentierte:

    "Obwohl die portugiesischen Banken ihre Tätigkeit in einem extrem schwierigen Umfeld ausüben müssen und die Kriterien des Stresstests anspruchsvoll waren, haben alle Banken die Mindestanforderungen erfüllt. Das zeigt, wie widerstandsfähig das portugiesische Bankensystem ist."

    Die Erleichterung in Portugals Finanzsektor hielt sich jedoch nur wenige Stunden, bis die amerikanische Ratingagentur Moody's eine erneute Herabstufung der Kreditwürdigkeit portugiesischer Banken bekannt gab, darunter auch drei Finanzinstitute, die den europäischen Banken-Stresstest bestanden hatten. Portugals Privatbanken fürchten, dass nach der Herabstufung die Flucht der Investoren weitergehen könnte. Allein in den vergangenen zehn Tagen haben die vier größten Banken über eine Milliarde Euro an der Börse verloren; der Aktienwert einzelner Finanzinstitute ist seit Beginn des Jahres um bis zu 40 Prozent gefallen. Die Empörung über die Urteile der Ratingagenturen erreicht jetzt auch im portugiesischen Bankensektor einen neuen Siedepunkt.

    Dagegen bemüht sich die Mitte-Rechts-Regierung um einen sachlichen Umgang mit dem kontroversen Thema. Premierminister Pedro Passos Coelho bedauerte zwar, dass die Agentur Moody's zu Monatsbeginn die Kreditwürdigkeit des portugiesischen Staates auf Ramschniveau abgesenkt hatte. An einer öffentlichen Diskussion etwa über die Schaffung einer alternativen europäischen Agentur beteiligt sich die Regierung jedoch nicht.

    Stattdessen will Passos Coelho ganz sicher gehen, dass die mit der EU und dem Internationalen Währungsfonds vereinbarten Ziele über eine Reduzierung der Neuverschuldung eingehalten werden können, um das Vertrauen der Finanzmärkte zurückzugewinnen. Die Portugiesen müssen deshalb im laufenden Jahr eine zusätzliche einmalige Einkommenssteuer von bis zu 3,5 Prozent an den Staat überweisen. Damit soll ein riesiges Haushaltsloch gestopft werden, das die bis Anfang Juni regierenden Sozialisten der jetzigen Regierung hinterlassen haben. Premierminister Pedro Passos Coelho:

    "Wir müssen ein Haushaltsloch stopfen, das ungefähr zwei Milliarden Euro ausmacht. Durch die zusätzliche Einkommenssteuer werden wir die Hälfte dieses Betrages einnehmen. Zudem müssen wir auf der Ausgabenseite rund eine Milliarde Euro einsparen, um die vereinbarte Defizitobergrenze zu erreichen. Wir sind ganz sicher, dass wir das schaffen werden."

    Die Opposition wirft der Mitte-Rechts-Koalition vor, mit ihrer allzu pessimistischen Prognose und neuen Abgaben für die Bürger die Rezession zusätzlich zu verschärfen. Tatsächlich verzeichnet die private Konsumtätigkeit den deutlichsten Rückgang seit knapp 30 Jahren.
    Ein Kaufgegenstand könnte in der nächsten Zeit dennoch reißenden Absatz in Portugal finden. Eine Keramikmanufaktur will Ende der Woche ein neues Designerstück auf den Markt bringen, das das Grundgefühl vieler Portugiesen ausdrücken soll: Es zeigt eine bekannte Karikaturfigur, die gegenüber der Ratingagentur Moody's eine provozierende Geste manifestiert. Dahinter verbirgt sich auch eine Spur Selbstironie. Denn die Figur war ursprünglich Ende des 19. Jahrhundert entstanden, nur ein paar Jahre, bevor Portugal den Staatsbankrott erklären musste.

    Deutschlandradio aktuell vom 8. April 2011: 80 Milliarden Euro für Portugal - EU spannt erneut den Rettungsschirm auf