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Priestermangel
Seelsorge bei den Sorben

Die Sorben sind eine slawische Volksgruppe in der Lausitz mit eigener Sprache und Kultur. Die Mehrheit der schätzungsweise 40.000 Sorben ist katholisch. Allerdings haben viele Gemeinden Probleme, sorbisch sprechende Priester zu finden. Am Pfingstsamstag wird nach 17 Jahren erstmals wieder ein junger, sorbischer Priester geweiht.

Von Iris Milde | 30.05.2017
    Paare in original sorbischer Festtagstracht gehen am 06.02.2016 beim traditionellen Zapust, der sorbisch-wendischen Fastnacht, durch den Ort Jänschwalde (Brandenburg). An der 140. Fastnacht nahmen etwa 115 Paare teil. Mit dem Fastnachtsumzug in den Dörfern der Lausitz wird nach altem Brauch der Winter ausgetrieben.
    Paare in original sorbischer Festtagstracht gehen beim traditionellen Zapust, der sorbischen Fastnacht, durch Jänschwalde in Brandenburg. (picture alliance / dpa / Patrick Pleul)
    "Also ich komme aus Wittichenau und bin in einem zweisprachigen Elternhaus aufgewachsen. Wenn ich bete, dann mache ich das natürlich in sorbischer Sprache."
    Florian Mroß ist 27 Jahre alt. Für seine Priesterausbildung verließ er seine sorbische Heimat bei Hoyerswerda in Sachsen und ging zum Studium an die katholische Fakultät in Erfurt.
    "Keine sorbische Messe, kein sorbisches gemeinsames Gebetsleben, sondern plötzlich alles Deutsch. Ich musste selber lernen, Deutsch zu beten. Und das hat mir eigentlich gezeigt, wie sehr verwurzelt eigentlich für mich selbst die Sprache, die sorbische Kultur, aber eben auch mein Glaube eigentlich sind. Das eine bedingt das andere."
    Derzeit ist Florian Mroß Diakon am Domstift Bautzen. Am Pfingstsamstag wird er zum Priester geweiht. Und ist damit der erste sorbische Priesterkandidat seit 17 Jahren.
    Sorbisch und katholisch
    Ortswechsel in das 83-Seelendorf Storcha bei Bautzen. Um 7 Uhr beginnt die katholische Messe in sorbischer Sprache. Ein Dutzend ausschließlich ältere Gläubige haben sich eingefunden. Eine Frau trägt die sorbische Kirchgangstracht mit der großen schwarzen Schleife am Hinterkopf. Pfarrer Gerhard Werner ist seit 30 Jahren in der Gemeinde tätig und denkt trotz seiner 74 Jahre noch lange nicht ans Aufhören.
    "Wir rechnen damit, dass in unseren acht Gemeinden 15.000 Gläubige sind und davon sind vielleicht zwei Drittel Sorbischsprecher. Jetzt ist es so, dass wir jede Gemeinde besetzt haben, sorbischsprachig oder zweisprachig. Die Gefahr besteht, dass das für die nähere Zukunft etwas schwieriger wird."
    Sorbische Reiter versuchen sich beim traditionellen Hahnrupfen in Fehrow in der Niederlausitz.
    Sorbische Reiter versuchen sich beim traditionellen Hahnrupfen in Fehrow in der Niederlausitz. (Imago Stock & People)
    Storcha gehört zur kleinen, überwiegend sorbischsprachigen katholischen Insel, die sich zwischen den Städten Bautzen, Kamenz und Hoyerswerda erhalten hat.
    "Also über Jahrhunderte war eigentlich das Evangelische dominierend. Trotzdem: Diese wenigen katholischen Gemeinden, wir sagen jetzt unser Kerngebiet, da war man sehr bewusst darauf, das Sorbische zu pflegen und auch das Katholische. Da hat man sich ein bisschen abgeschottet. Und das hat vielleicht bewirkt, dass wir uns sprachlich besser erhalten haben, dass bei uns die Assimilation und auch die Germanisierung nicht so schnell fortgeschritten ist."
    Chance für die sorbischen Laien
    Zurück in der Hauptstadt der Sorben, in Bautzen – auf Sorbisch Budyšin. Dass immer weniger sorbischsprachige Priester berufen werden, sieht Dompfarrer Veit Scapan gelassen. Das entspreche dem Bundestrend.
    "Momentan sind wir gut bestückt. Es ist schwierig, Urlaubsvertretungen zu bekommen. Das ist richtig. Es möchte niemand krank werden, das ist auch richtig. Die Sprache ist aber ebenso zu erlernen oder erlernbar. Und es sind in der Lausitz zwei Priester tätig, einer aus Litauen und einer aus Polen und beide beherrschen die sorbische Sprache so, dass Kommunikation und vor allem Verkündigung möglich ist."
    Zukünftige Engpässe will der Dompfarrer auch damit überbrücken, dass er zunehmend Gemeindemitglieder einbindet. Das geschieht bereits beim Katolski Posol, dem Katholischen Boten, dem auflagenstärksten Printmedium in sorbischer Sprache, und bei den täglichen Andachten im sorbischen Rundfunk.
    "Es gibt eine gemeinsame Verantwortung für den sorbischen Rundfunk, fürs geistliche Wort. Am Sonntag ist es der Priester, an Werktagen sind es vorrangig Laien, die Verantwortung übernehmen und ich denke, dass da noch viel möglich ist."
    Kirche pflegt sorbische Kultur
    Da es im Alltag immer weniger Möglichkeiten gibt, Sorbisch zu sprechen, kommt der Kirche eine wichtige Rolle zu. Sie schafft Räume, wie Gottesdienste, in denen die Sprache ganz selbstverständlich praktiziert wird. Dennoch sei Kulturpflege nicht die Hauptaufgabe sorbischer Geistlicher, sondern eher Nebeneffekt, meint Jan Mahling. Er ist evangelischer Superintendent und schätzt, dass es noch 10.000 sorbische Protestanten gibt. Für die ist er zuständig. Doch die leben so verstreut, dass sie keine eigenständigen Gemeinden mehr bilden.
    "Mit der Reformation sind 90 Prozent der Sorben lutherisch geworden. Die lebten in einem Gebiet von Bautzen bis Cottbus. Und das waren mehrere Hundert Kirchgemeinden. Wir haben heute sechs, sieben Pfarrer, die sorbische evangelische Gottesdienste halten können. Und das in dem Gebiet von Bautzen bis Cottbus."
    Tanz während eines sorbischen Brauches in Sielow bei Cottbus
    Frauen in sorbischen Festtagstrachten (picture alliance / dpa - Patrick Pleul)
    Mahling selbst wurde 1983 ordiniert. Die nächste Amtseinführung eines evangelischen Pfarrers bei den Sorben folgte 2014 mit seiner Tochter Jadwiga Mahling, der ersten sorbischen Pfarrerin.
    "Es können immer mehr sein, andererseits ist auch die Zahl der evangelischen Sorben, die dann kommen oder so, auch nicht so hoch, dass man sagen müsste, wenn wir nur zehn Pfarrer mehr hätten, würde es ein Aufblühen geben. Sondern der Erhalt eines Volkes hängt inzwischen eben nicht nur an Kirche, sondern auch an Schule, an staatlicher Förderung, an Vereinsförderungen, am gesamten Willen. Richtig ist, dass man sich freuen würde, es gebe noch mehr sorbischen theologischen Nachwuchs. Aber den kann man nicht erzwingen."
    Superintendent Mahling wie auch Dompfarrer Scapan hoffen, dass neue Berufungen einen Vorbildeffekt haben und weitere nach sich ziehen. Das Kalkül scheint aufzugehen. Der jüngere Bruder von Priesterkandidat Florian Mroß ist ebenfalls bereits auf dem besten Weg ins Priesteramt. Ob sie allerdings auch in einer sorbischen Gemeinde eingesetzt werden, diese Entscheidung liegt beim Bischof des Bistums Dresden-Meißen.