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Probleme der Commerzbank

Im Fokus unserer Wirtschaftspresseschau steht die Commerzbank mit der überraschenden Abschreibung von 2,3 Milliarden Euro auf ihren Beteiligungsbesitz bei gleichzeitiger Kapitalerhöhung von mehr als 800 Millionen Euro. Konzernchef Klaus-Peter Müller wird von der BÖRSEN-ZEITUNG indirekt ein gestörtes Verhältnis zur Wahrheit vorgehalten:

13.11.2003
    "Die Neubewertungsaktion im gigantischen Volumen von 2,3 Milliarden Euro ist mit früheren Aussagen und dem bisher erweckten Anschein alles andere als kompatibel. Doch den Paradigmenwechsel vertritt Commerzbank-Chef Müller nun im gleichen Brustton der Überzeugung, wie er früher anders-lautende 'Wahrheiten' verkündete. Abgesehen von den haarsträubenden Defiziten an Kommunikation ist der Commerzbank-Spitze eine schwere Fehleinschätzung vorzuwerfen".

    In der FINANCIAL TIMES DEUTSCHLAND heißt es:

    "Solange die Unternehmen sich scheibchenweise an die Wahrheit heranarbeiten, müssen sie mit pauschalem Misstrauen der Märkte leben. Einige Propheten warnen vor 'tickenden Zeitbomben' in den Bilanzen, und der Einbruch der Commerzbank-Aktie gestern früh scheint sie zu bestätigen. Zwingend ist ein Absturz allerdings nicht. Im Fall Commerzbank war es auch die Kapitalerhöhung, die die Anleger irritierte. Dass es Risiken gibt, ist zudem bei vielen Unternehmen bekannt. Eine Aufräumaktion kann dann auch als Schritt nach vorn bewertet werden. Endlich weiß man, was man hat".

    Nach Auffassung der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG übernimmt die Commerzbank mit dem Coup vom Mittwoch die Rolle des Musterschülers:

    "Die anderen Banken werden sich vorhalten lassen müssen, warum nicht auch sie ihre stillen Lasten auskehren. Das gilt vor allem für die Hypo-Vereinsbank in München, bei der der Buchwert der Beteiligungen Allianz und Münchener Rück noch deutlich über ihrem Marktwert liegt. In München dürfte denn auch genau geprüft werden, ob der Doppelschlag der Commerzbank eine Blaupause sein könnte".

    Die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG resümiert:

    "Eine von ihren Altlasten weitgehend befreite Commerzbank stärkt ihre Position im bevorstehenden Konsolidierungsprozeß der deutschen Bankenlandschaft. Das weiß auch Müller, der nun versucht, die Braut fit zu machen für eine Übernahme".

    Auch für das HANDELSBLATT "drängt sich der Verdacht auf, dass Müller es eilig hat, alle Altlasten zu beseitigen, um mit seiner Bank auf dem Fusionskarussell der europäischen Finanzindustrie möglichst rasch eine selbstbewußte und aktive Rolle spielen zu können. Mit dem Doppelschlag der Commerzbank scheint die neue Konzentrationswelle aus der Spekulations- in die konkrete Umsetzungsphase zu kommen".