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Profit mit ministeriellem Segen?

Die Debatte um die Massentierhaltung in Niedersachsen ist in vollem Gange. Landwirtschaftsministerin Astrid Grotelüschen, Niedersachsens oberste Tierschützerin, wird vorgeworfen, selbst in tierquälerische Massentierhaltung verstrickt zu sein.

Niedersachsen-Korrespondentin Susanne Schrammar im Gespräch mit Theo Geers | 11.08.2010
    Theo Geers: Niedersachsen ist seit langem berühmt, manche sagen sogar berüchtigt für seine agroindustriellen Mastbetriebe zum Beispiel bei Schweinen. Aber aktuell tobt die Debatte um die Massentierhaltung bei Puten, Hähnchen und Hühnchen, und da gibt es gleich zwei Aufreger in Niedersachsen. Der eine ist der geplante Bau eines Geflügelschlachthofes in Wietze bei Celle, und dann gibt es die Vorwürfe gegen Niedersachsens oberste Tierschützerin, Landwirtschaftsministerin Astrid Grotelüschen. Sie soll selbst in tierquälerische Massentierhaltung verstrickt sein, doch dagegen wehrt sich die Ministerin. Kurz vor der Sendung fragte ich unsere Niedersachsen-Korrespondentin Susanne Schrammar: Was sagt denn Frau Grotelüschen, die als Landwirtschaftsministerin wie gesagt auch für den Tierschutz zuständig ist, zu den Vorwürfen?

    Susanne Schrammar: Der Vorwurf, der ja im Raum steht, lautet ja, dass die von Grotelüschens Mann geführte Mastkükenbrüterei Ahlhorn, deren Geschäftsführerin Frau Grotelüschen selbst war, bevor sie Ministerin in Niedersachsen wurde, intensive Geschäftsbeziehungen unterhalten soll zu Putenhaltern in Mecklenburg, die angeblich eben den Tierschutz verletzt haben sollen. Das ARD-Magazin "Report" hatte Bilder von verletzten, toten und dahinvegetierten Tieren gezeigt und hatte eben eine Verbindung gezogen zur Ministerin. Die Ministerin allerdings weist jede Geschäftsbeziehungen zurück zwischen sich, dem Betrieb ihrer Familie und den Betrieben in Mecklenburg-Vorpommern. Sie hat gesagt, ich habe mit den Mecklenburger Betrieben persönlich und auch als Familie, als Betrieb nichts zu tun. Der Betrieb ihres Mannes sei eine reine Zuchtanlage für Mastputenküken und liefere die Tiere nur. Richtig ist allerdings auch, dass ihr Mann beziehungsweise die Firma 30 Prozent an dieser Erzeugergemeinschaft besitzt, um die es hier geht. Also ganz von der Hand zu weisen ist das offenbar nicht.

    Geers: Was ist denn dran an den Vorwürfen, dass gegen den Tierschutz verstoßen wird?

    Schrammar: Das ist nicht so ganz leicht einzuschätzen. Es sind hier Bilder, die von der Tierschutzorganisation PETA heimlich gedreht wurden. Grotelüschens Sprecher und auch die betroffenen Betriebe, die zweifeln die Echtheit dieser Bilder an. Die sagen, die Außenaufnahmen, die da gezeigt wurden, das sind ganz klar unsere Betriebe, aber die Innenaufnahmen, da sind wir uns nicht sicher, ob hier diese Räumlichkeiten wirklich gezeigt werden. PETA hingegen hat diesen Vorwurf zurückgewiesen und hat auch Strafanzeige gestellt und hat hier eidesstattliche Erklärungen vorgebracht. Die Opposition in Niedersachsen, die hat jetzt eine lückenlose Aufklärung gefordert. Am Freitag soll sich Astrid Grotelüschen im Agrarausschuss des Landtages erklären, und die Linken und auch Peter haben gleich ihren Rücktritt gefordert.

    Geers: Nun ist ja die Massentierhaltung in Niedersachsen generell ein riesen Thema. Mitte Juli beispielsweise wurde in Wietze bei Celle ein riesiger Geflügelschlachthof genehmigt. Geplant ist dort, wenn er fertig ist, jede Woche 2,5 Millionen Tiere zu schlachten. Die Proteste auch dort reißen nicht ab, oder?

    Schrammar: Nein. Nachdem Tierschützer drei Monate lang einen Acker in Wietze in der Nähe von Celle besetzt gehalten hatten, ist der Platz gestern von der Polizei geräumt worden. Es waren sehr heftige Proteste, die Tierschützer haben sich hier auch angekettet. Dass es jetzt geräumt wurde deutet darauf hin, dass der Baubeginn für den größten Geflügelschlachthof Europas – das wird es nämlich hier – kurz bevorsteht. Diese 2,6 Millionen Hähnchen, die in der Woche geschlachtet werden müssen, die müssen natürlich auch herangeliefert werden und in einem Radius von 150 Kilometern rund um Wietze werden mindestens 100 Mastbetriebe entstehen mit Kapazitäten von bis zu 80.000 Tieren. Tierschützer und Umweltverbände protestieren heftig, haben lange versucht, das Projekt zu verhindern. Sie sagen, wir wollen lieber eine artgerechte Haltung, und fürchten zudem um Luftverschmutzung und Geruchsbelästigung.

    Geers: Nun ist ja Niedersachsen berühmt, um nicht zu sagen berüchtigt für die agroindustrielle Massentierzucht, und Sie sagten es ja auch: in vielen Dörfern werden jetzt Ställe gebaut. Wie sind denn da die Mechanismen?

    Schrammar: Sie sagen es: der Einfluss der Landwirte ist groß. Die Politik, die setzt sich stark ein für die Belange der Landwirte, und die sehen mit dem immer größer werdenden Europa in Niedersachsen eigentlich ihre Betriebe gefährdet, denn dort, in Osteuropa vor allen Dingen, da drängt die Konkurrenz, die Betriebe werden immer größer und darum sehen auch die niedersächsischen Landwirte ihre Möglichkeit nur darin, noch größere Mastbetriebe zu unterhalten, die noch billiger produzieren können. Da sehen eben die Landwirte in solchen Mastbetrieben eine zusätzliche Erwerbsquelle und die Gemeinden eben auch die Möglichkeit, hier zusätzliche Arbeitsplätze zu schaffen, und das ist zum Beispiel auch in Wietze der Fall.