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Prozessauftakt in der Türkei
Solidaritäts-Bekundungen für Adil Demirci

Seit heute steht der Deutsch-Türke Adil Demirci in Istanbul vor Gericht - ihm wird Terrorpropaganda und Mitgliedschaft in einer Terrororganisation vorgeworfen. Sein Bruder und seine Arbeitskollegen tun alles dafür, damit sein Fall nicht in Vergessenheit gerät.

Von Jonas Panning | 20.11.2018
    ARCHIV - 06.06.2018, Nordrhein-Westfalen, Köln: Demonstranten fordern die Freilassung des in der Türkei inhaftierten Journalisten Adil Demirci. (zu dpa "Erneut Deutscher in Türkei vor Gericht" am 20.11.2018) Foto: Christoph Hardt/Geisler-Fotopres/Geisler-Fotopress/dpa
    Regelmäßig wird in Köln für die Freilassung von Adil Demirci demonstriert (picture alliance / Christoph Hardt / Geisler-Fotopres / Geisler-Fotopress / dpa)
    Es sollte ein Kurzurlaub werden, bei Verwandten in Istanbul. Es ging um das Wohl der Mutter. Die war an Krebs erkrankt und die Tage in der Türkei sollten ihr gut tun, so die Hoffnung. Doch kurz vor der Rückreise kam die Polizei, erzählt Tamer Demirci, der Bruder.
    "Also mein Bruder wurde am 13. April 2018 festgenommen, indem sie halt die Wohnung meines Onkels gestürmt haben. Seitdem ist er im Hochsicherheitsgefängnis Silivri inhaftiert."
    Die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft: Terrorpropaganda und Mitgliedschaft in einer Terrororganisation. 300 Seiten dick ist die Anklageschrift.
    Darin wird dem 32-jährigen Kölner unter anderem vorgeworfen, dass er an Beerdigungen teilgenommen hat - von Mitgliedern einer in der Türkei verbotenen linkspolitischen Partei. Neben seiner Tätigkeit als Sozialarbeiter in Remscheid, arbeitet Adil Demirci auch als freier Journalist für die staatsunabhängige Nachrichtenagentur Etha, jene Agentur, für die auch Mesale Tolu gearbeitet hat.
    "Mein Bruder hat da an diesen Beerdigungen teilgenommen und dafür für die Nachrichtenagentur zu berichten. Das war im Jahreszeitraum von 2013. Fünf Jahre später wird er ja verhaftet und das auch nicht bei der Einreise, sondern vor der Rückreise."
    Wöchentliche Mahnwache in Kölner Innenstadt
    Seitdem hat Tamer Demirci seinen Bruder nicht mehr gesehen. Über seinen Anwalt hat er aber Kontakt zu ihm. Ihm gehe es den Umständen entsprechend gut im Gefängnis in der Türkei. In Köln tut Tamer Demirci währenddessen alles, damit der Fall seines Bruders nicht in Vergessenheit gerät.
    Jeden Mittwoch steht er mitten in der Stadt auf dem Wallraffplatz in der Nähe des Domes und macht auf das Schicksal seines Bruders aufmerksam. Ein Schicksal, das weniger stark wahrgenommen wird als das von prominenteren Fällen wie von Welt-Journalist Deniz Yücel oder des Menschenrechtlers Peter Steudtner.
    "Für die Freilassung meines Bruders hat sich ganz schnell, recht schnell vor allen Dingen ein Solidaritätskreis gegründet. Und wir haben seit sieben Monaten eine Mahnwache organisiert und versuchen, ne Öffentlichkeit zu schaffen für die Freilassung meines Bruders. Und sowohl der Arbeitgeber als auch alle Freunde und Bekannte haben uns wirklich nicht im Stich gelassen."
    Adil Demirci arbeitet in Remscheid als Sozialarbeiter. Er kümmert sich dort um junge Migranten und ihre Integration in den Arbeitsmarkt. Als die Kollegen von seiner Festnahme erfuhren, waren sie geschockt, erzählt Gabi Asbeck-Eufinger. Sie ist Betriebsrätin und hat lange mit Adil Demirci zusammengearbeitet.
    "Wir haben Kontakt zu den Vorgesetzten, zur Geschäftsführung aufgenommen. Kontakt zu den Kollegen, die direkt vor Ort am nächsten Montag damit, das war ja en Freitag, damit konfrontiert werden würden, damit sie vorbereitet sind auf die Situation und abgeklärt, wie können wir was bewältigen. Auf der einen Seite die Arbeit, auf der anderen Seite mit Freunden, Familie das Netzwerk zu gründen und auszubauen, damit er möglichst schnell die Freiheit wieder erlangt."
    Postkarten aus Deutschland
    Viele Kollegen sind in den letzten Monaten immer wieder nach Köln gekommen, um an der Mahnwache für den Festgenommenen teilzunehmen. Außerdem haben sie versucht mit persönlichen Großbotschaften ihren Kollegen im Istanbuler Gefängnis zu unterstützen.
    "Auch, wenn Bedenken bestanden, kommen die an, die Postkarten, ja oder nein? Und dann war’s ja auch so, dass er irgendwann Ende Mai mal einen riesen Stapel an Postkarten erhielt, die ihm aber Kraft geben sollten und aufbauen sollten. Das war unser Hauptanliegen."
    Prozessbeobachter vor Ort
    Zwei seiner Arbeitskollegen sind heute auch nach Istanbul geflogen, um den Prozess zu beobachten und Adil Demirci zu unterstützen. Sein Bruder ist aus Sicherheitsgründen in Köln geblieben. Die Mahnwachen seien zuletzt immer wieder gefilmt worden. Er macht sich Sorgen, dass er in der Türkei verhaftet werden könnte. Die Vorwürfe gegen seinen Bruder hält er für absurd und hofft, dass er ihn schon bald wiedersehen kann. Das würde auch der Mutter Hoffnung machen, mit der Adil Demirci im April in die Türkei geflogen war:
    "Sie schöpft natürlich Kraft. Aber wir sehen, dass es ein sehr schwerer Kampf ist mit ihrem Krebs und da versuchen wir natürlich und hoffen, dass Adil wieder zurückkommt und da einen positiven Faktor einnimmt."