Donnerstag, 28. März 2024

Archiv


Rätselhafter Tod mit 48

Vor einer Woche ist die ehemalige DDR-Hürdenläuferin vom SC Cottbus, Birgit Uibel, verstorben war. Der Tod kam im frühen Alter von 48 Jahren, als Todesursache wurde eine innere Erkrankung genannt. Konkrete Angaben darüber hinaus gibt es nicht. Birgit Uibel, geborene Sonntag, war staatlich anerkanntes Dopingopfer - sie war ab dem Alter von 15 Jahren mit männlichen Steroiden vollgepumpt worden.

Von Thomas Purschke | 17.01.2010
    Birgit Uibel befand sich anfangs der 80er-Jahre auf ihrem leistungssportlichen Höhepunkt. Da wurde sie zehn Mal bei Länderkämpfen in die DDR-Auswahl berufen. Bei den Europameisterschaften 1982 in Athen belegte sie den sechsten Platz im 400-Meter-Hürden-Lauf. 1984, im Jahr des Los Angeles-Olympia-Boykotts der DDR, gewann Birgit Uibel als 22-Jährige den DDR-Meistertitel über 400 Meter Hürden in 54,90 Sekunden, danach beendete sie ihre Leistungssport-Karriere und brachte 1985 ihre Tochter auf die Welt. Von 1981 bis 1990 war sie mit dem heutigen Radsport-Bundestrainer Detlef Uibel verheiratet.

    Birgit Uibel war ein vom Bundesverwaltungsamt Köln staatlich anerkanntes DDR-Doping-Opfer. Im Jahr 1997 hatte die Ex-Athletin mit ihren präzisen Aussagen, die sie auch öffentlich vertrat, bei der Zentralen Ermittlungsstelle für Regierungs- und Vereinigungskriminalität, einen wichtigen Beitrag zur Aufklärung des Staats-Dopings in der DDR geliefert. Ihre Schäden an Leber- und Schilddrüse waren erheblich, dazu die schwere Rücken-Akne, die taubeneigroßen Geschwülste im Oberschenkel und dann die schwere Körper-Behinderung ihrer heute 25 Jahre alten Tochter.

    All dies führte sie auf die Einnahme von hohen Dosierungen an vermännlichenden Sexualhormonen zurück, die von ihrem Club-Arzt Bodo Krocker sowie ihrem Trainer Siegfried Elle angeordnet und vergeben worden waren. In erster Linie wurde sie mit Oral-Turinabol gedopt. Gegen beide, Krocker und Elle, sowie gegen die Haupt-Verantwortlichen im Deutschen Turn- und Sport-Bund der DDR, Manfred Ewald und Manfred Höppner, stellte Uibel Strafantrag.

    Dem Deutschlandfunk liegt das Protokoll der ZERV aus der Anhörung der Zeugin Uibel aus dem Jahr 1997 vor. Darin heißt es unter anderem:

    "Bezüglich der ärztlichen Betreuung kann ich für meine Person den Arzt Bodo Krocker, er praktiziert heute noch in Cottbus, angeben. Bei Tests und in Trainingslagern und bei Wettkämpfen waren die Ärzte Dr. Hans-Joachim Wendler und Dr. Manfred Höppner zugegen. Alle 14 Tage musste ich Blut und Urin abgeben. Dieses erfolgte in der Sportmedizin Cottbus mit eigenem Labor. Der Arzt Krocker war dort auch Chef. Diese regelmäßigen Kontrollen wurden bei mir ab 1979 – ich war 16 Jahre alt - durchgeführt. Dieses war auch der Zeitpunkt, wo ich erstmals unterstützende Mittel erhalten habe.

    Mein Trainer Siegfried Elle sagte mir, dass ich wegen eines Gespräches zum Arzt Krocker gehen müsse. Ich wurde allein dort vorstellig. Dr. Krocker versuchte mir zu erklären, warum ich diese unterstützenden Mittel nehmen müsse. Ich würde durch diese Einnahme der Mittel bessere Leistungen erzielen und dadurch an großen Wettkämpfen teilnehmen können.

    Er machte sinngemäß auch Versprechungen, die mir einen Vorteil dahingehend verschaffen würden, dass ich Reisekader für das kapitalistische Ausland sein könnte und ähnliches mehr. Als 16-jähriges Mädchen vertraute ich ihm bedingungslos. Ich stellte keine Fragen, weil ich ja auch innerlich bereit war, sportliche Erfolge für mich und mein Land zu erzielen. Der Arzt Krocker übergab mir dann an diesem Tag einen Briefumschlag mit kleinen blauen Pillen. Ein Medikamentenname war nicht zu erkennen. Diese Pillen sollte ich morgens einnehmen und abends dann die Anti-Baby-Pille. Mit der Anti-Baby-Pille sollte auch eine vorzeitige Schwangerschaft verhindert werden. Gleichzeitig forderte mich der Arzt Krocker zur strengsten Verschwiegenheit darüber auf. Ich sollte mit niemanden über die Einnahme dieser blauen Pille reden. Ich habe mir darüber auch keine Gedanken gemacht, weil ich den Erfolg unbedingt wollte. Ich dachte vielmehr an eine Vitaminsubstanz. Über negative Folgen und Nebenwirkungen, die sich aus der Einnahme dieses Mittels ergeben könnten, hat er nicht gesprochen. Gesagt hat Dr. Krocker auch, dass ich diese Pillen immer heimlich, niemand sollte es sehen, einnehmen sollte."


    Soviel aus dem ZERV-Protokoll von Birgit Uibel.

    In einem Interview mit ihrer Heimatzeitung "Lausitzer Rundschau" im Jahr 2003 hatte sie rückblickend gesagt:

    "Wenn ich damals gewusst hätte, was das Zeug anrichten kann, hätte ich es nicht genommen. Wer sich geweigert hat, musste aufhören."

    Selbst über den frühen Tod hinaus gibt es bei den einstigen Tätern und Mitwissern des DDR-Dopings keine veränderte Haltung. Gegenüber der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" erklärte jetzt ihr Trainer Siegfried Elle, er fühle sich nicht schuldig. Wenn Frau Uibel damals Dopingmittel bekommen habe, dann hätte sie selbst davon gewusst. Er jedenfalls habe ihr kein Doping verabreicht, behauptet Elle.

    Der Todesfall Uibel wird obendrein erneut die Frage aufwerfen, wie man mit dopinggeschädigten Kindern umgeht.

    Der Heidelberger Krebsforscher Werner Franke fordert einen "vielleicht wichtigsten letzten Dienst", den man Birgit Uibel und dem Sport erweisen könne, und zwar eine dem internationalen Standard entsprechende pathologische Untersuchung ihrer Schäden.