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Referendum über Abschiebepraxis

Dass Volksbefragungen nicht nur ein Mittel sind, um möglichst viele Menschen an politischen Entscheidungen zu beteiligen, sondern durchaus auch Risiken mit sich bringen, davon wissen die Schweizer ein Lied zu singen. Nach einem Entscheid um das Minarettverbot, geht es am 28. November um die Abschiebung krimineller Ausländer.

Von Pascal Lechler | 18.11.2010
    Sie hängen am Hauptbahnhof in Zürich, sie sind überall in Bern zu sehen und selbst in den Ferienorten: Plakate die Ivan S. zeigen, den Vergewaltiger, mit dem geschorenen Schädel, dem fiesen Bärtchen und der fetten Silberkette um den Hals. Ivan S., der Inbegriff des kriminellen Ausländers. Und der soll, geht es nach dem Willen der Schweizerischen Volkspartei, künftig nach Verbüßung seiner Haftstrafe automatisch abgeschoben werden können – "ausgeschafft" heißt das in der Schweiz. Über diese Ausschaffungsinitiative stimmen die Eidgenossen Sonntag in einer Woche ab. In Umfragen gibt es eine klare Mehrheit für eine rigorosere Abschiebepolitik.

    Momentan werden schon jedes Jahr mehrere Hundert Ausländer ausgewiesen. Die gesetzliche Grundlage, um kriminellen Ausländern in der Schweiz das Aufenthaltsrecht zu entziehen, existiert also bereits. Doch einige Kantone sind strenger, wie beispielsweise Zürich und andere laxer wie Genf. Die SVP will nun eine einheitlich strenge Abschiebepraxis.

    Ein Jahr nach der Minarettverbotsinitiative geht die Schweiz mit einer weiteren Volksabstimmung auf Kollisionskurs mit dem Völkerrecht. Juristen sehen in dem Automatismus der SVP-Vorlage, sodass eine Verurteilung eines Ausländers zwingend seine Abschiebung nach sich zieht, ohne dass ein Richter die Umstände nochmals prüft, einen Verstoß gegen zahlreiche Verträge und Rechtsgrundsätze. Europarechtler führen an, dass beispielsweise kriminelle Ausländer aus EU-Ländern wegen des sogenannten Personenfreizügigkeitsabkommens zwischen der EU und der Schweiz, also dem offenen europäischen Arbeitsmarktes, gar nicht ausgewiesen werden dürften.

    Mehrer Juristen, mehrere Meinungen, kontert SVP Nationalrätin Natalie Rickli. Sie ist überzeugt, dass die Initiative ihrer Partei nicht gegen das Völkerrecht verstößt.

    Einzig die Grünen in der Schweiz sind geschlossen gegen eine Verschärfung der Abschiebepraxis. Doch der millionenschweren Wahlkampfmaschine der Schweizerischen Volkspartei hat die Öko-Partei nichts entgegenzusetzen. Außerdem gebe es momentan eine ausländerfeindliche Tendenz in ganz Europa, bemängelt der Schweizer Grünen-Präsident Ueli Leuenberger.

    Übrigens der antideutsche Reflex wird von der SVP auch bedient. Detlef gilt in der Schweiz als typisch deutscher Vorname. Und Detlef, der Kinderschänder, soll auch abgeschoben werden.