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Reformation in Serie
Luthers Thesen - neu gelesen (83)

Die buddhistische Nonne Carola Roloff, die Rabbinerin Elisa Klapheck und der Kirchenhistoriker Thomas Kaufmann kommentieren Martin Luthers 83. These.

12.10.2017
    These 83: "Warum bleibt es bei den Messen und Jahrgedächtnissen für die Verstorbenen, und warum gibt der Papst die dafür eingerichteten Stiftungen nicht zurück oder erlaubt deren Rücknahme, wo es doch schon Unrecht ist, für vom Fegfeuer Erlöste zu beten?"
    Carola Roloff, buddhistische Nonne: "Bei der These 83 denke ich, dass Luther deutlich machen will, dass es hier an theologischer Konsistenz fehlt. Es scheint nur noch um Geldmacherei zu gehen."
    Elisa Klapheck, Rabbinerin: "Luther spricht hier natürlich ironisch gegen den Papst. Wo doch schon die Menschen durch Ablässe sich vom Fegefeuer freigekauft haben, wieso sollte man dann noch für sie beten?"
    Thomas Kaufmann, Kirchenhistoriker: "Hier geht es im Grunde um die Frage der Plausibilität kirchlichen Handelns. Wenn man Ablässe für Verstorbene ermöglicht, dann bedeutet das natürlich zugleich, dass andere Heilssicherungssysteme - etwa die Totenmessen - eigentlich völlig überflüssig sind. Luther argumentiert hier im Grunde ausgesprochen konservativ im Sinne eines plausiblen Heilssicherungssystems. Also er ist noch weit davon entfernt, die Stiftung der Totenmessen in Frage zu stellen, wie er es dann 1520 mit allergrößter Schärfe tut."
    Klapheck: "Im Judentum gibt es ein spezielles Gebet für die noch unerlösten Gestorbenen. Hier geht es zum Beispiel um die Holocaustopfer. Wir wissen ja nicht, was passiert nach dem Tod. Aber wir haben Beziehungen zu den Menschen vor uns, die vor uns gestorben sind. Und das Gebet soll helfen, diese Beziehungen zu lösen. Also ihnen doch Freiheit zu verschaffen, damit der Teil der Seele zur Ruhe kommen kann. Ich halte es also für wichtig, für die unerlöst Gestorbenen doch zu beten."
    Konzeption und Realisierung: Christiane Florin, Andreas Main, Christian Röther, Simonetta Dibbern