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Reise nach Pompeji

Technik. - Viele antike Grabungsstätten Italiens werden jährlich von Millionen von Menschen besucht. Menschen, die in vielen Fällen mit den Ruinen nicht viel anfangen können. Um die Phantasie anzuregen, hat das italienische Kulturministerium ein Guide-System entwickelt, das es Besuchern erlaubt, in eine virtuelle Welt einzutauchen. Mit Hilfe modernster Technologie können sich die Touristen in die Antike zurückzudenken.

Von Thomas Migge | 18.10.2005
    Die Arena ist voller Menschen. Wegen der großen Hitze wurde das "velarium" über einen Teil der steinernen Sitzreihen gezogen: ein riesiges Stofftuch, das das vornehme Publikum vor der direkten Sonneneinstrahlung schützt. Im Arenenrund kämpfen Gladiatoren gegeneinander. Der Benutzer von "handheld" sieht das Geschehen in aller Deutlichkeit: die Zuschauer und die Gladiatoren - alles wirkt zum Greifen nahe. Nimmt der Besucher der antiken Ruinenstadt Pompeji die 3D-Brille vom Kopf sieht er das Stadion in seinem aktuellen Zustand: als beeindruckende Ruine, aber eben ohne die faszinierende Animation einer virtuellen Realität, die die Antike hervorzaubert. "handheld" ist eine neue Technologie, mit der nicht nur die Ruinen von Pompeji zu neuem Leben erweckt werden sollen, erklärt der Computerexperte Gabriele Martines vom römischen Kulturministerium:

    "Dieses Projekt entstand, weil das Ministerium ganz gezielt nach Möglichkeiten suchte, antike Grabungsstätten noch attraktiver zu machen. 'handheld' ist ein tragbarer Computer, der mit einem elektronischen Kompass, einem GPS-Sensor und einer 3D-Brille ausgestattet ist. Ziel ist es, dem Besucher antiker Grabungsstätten die Möglichkeit zu geben, die existierenden Ruinen mit ihren Rekonstruktionen zu vergleichen. Wie Sie es ja gerade selbst ausprobiert haben."

    Beim Besuch einer antiken Villa in der vom Vesuv 79 n. Chr. zerstörten Stadt Pompeji bekommt der Besucher zunächst die erstaunlich gut erhaltenen Räumlichkeiten zu sehen. Die Lavaschicht, die sich nach dem Ausbruch des Vesuv über die Stadt legte, konservierte die römischen Gebäude. Der um den Hals tragbare Computer des Systems "handheld", das in Zusammenarbeit zwischen dem Unternehmen Ducati und der Universität Bologna entwickelt wurde, signalisiert auf seinem Bildschirm die genaue Position innerhalb der Ruinenstadt. Setzt man dann die 3-D-Brille auf erscheint die Villa in altem Glanz: komplett mit Wandmalereien und Möbeln. Je nachdem wie sich der Benutzer dreht und wendet bewegt sich die virtuelle Darstellung mit ihm: das Gestern und das Heute antiker Räumlichkeiten wird direkt vergleichbar. Gabriele Martines:

    "Die Idee zu einem solchen System kam uns wegen des immensen Booms der Playstations. Wir dachten uns, dass diese Technologie ganz wunderbar auch für archäologische Grabungsstätten benutzt werden könne, um gerade junge Leute für die Antike zu begeistern. 'handheld' verfügt über eine Datenbank, die je nach Grabungsstätte mit Informationen gefüttert werden kann. Das ist wirklich innovativ und hilfreich."

    Vor allem angesichts der Tatsache, dass das italienische Kulturministerium immer weniger Geld zur Verfügung hat, um die vor sich hin bröckelnden antiken Ruinen vor ihrem Verfall zu bewahren. "Handheld" sei eine wunderbare Möglichkeit, argumentiert Kulturminister Rocco Buttiglione, mit relativ wenig Finanzmitteln einen bleibenden Eindruck von der Pracht und Grösse altrömischer Architektur zu vermitteln.

    Das System soll auch dort zum Einsatz kommen, wo sich bisher nur wenig Touristen blicken lassen. Zum Beispiel im touristisch und wirtschaftlich unterentwickelten Novera Inferiore. Die Ruinen der antiken Stadt Nuceria Alfaterna sind beeindruckend, doch das Städtchen in der süditalienischen Provinz Salerno liegt im Schatten des Touristenmagneten Pompeji. Mit Hilfe der tragbaren Computers und der 3D-Brille sollen, so Fabrizio Martinez, Reisende angelockt werden:

    "Ein System wie 'handheld' ist fähig, die Phantasie anzuregen und genau damit kann man Leute anlocken, die, ausgerüstet mit dem Gerät, durch die Ruinen bummeln. Viele Menschen lassen antike Ruinen kalt. Mit Hilfe der neuen Technologie wird der Besuch spielerischer und davon können viele archäologischen Grabungsstätten profitieren."