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Reportage Parkinsonschen Erkrankung

Zu Beginn der Erkrankung sind es kleine Unpässlichkeiten, die Patienten und Angehörige beobachten. Irgendwann lässt sich nicht mehr wegdiskutieren, dass es sich um eine ernste Erkrankung handelt.

Von Barbara Weber | 02.11.2010
    "Ich bin Marathon noch 2004 im Ruhrgebiet gelaufen. Ich bin zwei Mal in Köln Marathon gelaufen. Ich bin in Paris, New York und London gelaufen."

    Hans Werner Kindermann, ehemaliger Geschichts- und Sozialkundelehrer an einem bilingualen Gymnasium.

    "Ja, ich konnte mit einmal nicht mehr. Ich wunderte mich selbst. Ich blieb zurück. Ich war also für mein Alter relativ schnell und genoss es sehr, mit den jungen Leuten noch zu laufen, in der Gruppe vier, das war die Leistungsgruppe bei uns, zu laufen, die zum Teil auch zu führen, und plötzlich merkte ich, es ging nicht mehr."

    Hans Werner Kindermann konnte körperlich mit seinen Sportfreunden nicht mehr mithalten.

    "Das war sehr schade, weil über das Laufen natürlich auch meine sozialen Kontakte hergestellt wurden, und die wurden vermindert, und die wurden weniger und weniger, bis ich gar nicht mehr laufen konnte."

    Seine Frau Patricia, Britin und Englischlehrerin, machte sich zunächst nicht so viel Gedanken.

    "Am Anfang haben wir das nicht besprochen. Ich habe es beobachtet. Ich habe es am Anfang nicht ganz ernst genommen. Ich dachte, der wird älter und die Leistung gibt dann nach. Aber dann kam ein Punkt, wo, es kamen andere Begleiterscheinungen wie Zittern und Sachen fallen lassen, wo ich dann gemerkt habe, das ist krankheitsbedingt."

    Zuerst tippten beide auf das Herz. Doch ein eingesetzter Herzschrittmacher half nur vorübergehend.

    In der Uniklinik Bochum kam dann die genaue Diagnose: Parkinson.

    "Wir waren beide geschockt, erst mal. Und dann haben wir gedacht, na ja, der ist so fit. Ich hab' ihn bestimmt zehn Mal Marathon laufen gesehen. Und wir haben gedacht, ach, das wird so bleiben, bisschen Zittern, bisschen weniger laufen. Und eine Zeit lang ging das gut. Und dann auf einmal ging es rapide bergab, und dann haben wir wirklich gemerkt, das ist eine ernsthafte Krankheit."

    Hans Werner Kindermann und seine Frau versuchen, diese und andere Tücken des Alltags möglichst elegant zu umschiffen:
    "Am Anfang war das schwierig, weil man muss sich dran gewöhnen. Aber jetzt - wir lösen das Problem, ich verlange immer einen Löffel, und wenn das ein Stück Fleisch ist zu zerschneiden, ich mach das so diskret wie möglich. Es ist eigentlich kein Problem mehr.

    "Das jüngste Beispiel ist die Uniklinik hier. Als ich heute Mittag essengegangen bin, bin ich rübergegangen. Die Frau sah das an der Theke und sagte, ob sie mir das Essen bringen könnte und ich sagte, das nehme ich dankend an, dann sagte sie, Sie haben ja auch Probleme, ich sehe, Sie zittern sehr stark, kann ich Ihnen zwei Handtücher bringen, die Sie sich über die Hose und Jacke legen können. Da habe ich ihr gesagt, das ist mir sehr recht und sie war froh, dass mir das nicht peinlich war. Ich habe die dankend angenommen und somit ist meine Hose jetzt noch sauber."

    "Ja, wir haben oft Unfälle. Aber ein Gläschen Wein darf noch genossen werden, aber bitte mit beiden Händen das Glas in die Hand nehmen, wir haben schon Unfälle gehabt."

    Das Leben mit Parkinson ist manchmal eine gefühlsmäßige Achterbahnfahrt. Mit einem Elektromobil, so haben beide überlegt, könnte Hans Werner seine Frau beim Joggen und Spazieren gehen begleiten. Was sich beide für die Zukunft wünschen?

    "Zumindest, dass der Zustand nicht mehr schlechter wird. Dass es so bleibt, wie es ist, dass ich also ein bisschen im kleinen Rahmen laufen kann, weiter meinen Haussport machen kann, dass ich auf mein Fahrrad mich setzen kann und auch zu meinem Physiotherapeuten gehen kann, auf dem Laufband laufen kann, das wünsche ich mir, und wenn es sich nicht verschlechtern würde, könnte ich noch einige Jahre damit leben, wenn meine Frau damit leben kann."

    "Dass wir trotzdem gemeinsame schöne Sachen machen können. Wir haben uns quasi damit arrangiert, glaube ich, muss man. Es bleibt einem nichts anderes übrig."