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Revolten, Hochzeit und ein Musical

Wo Alison Klayman in "Ai Weiwei: Never Sorry" den chinesischen Regimekritiker porträtiert, erzählen Delphine und Muriel Coulin in "17 Mädchen" von einer Jugendrevolte. In Stephan Elliotts Komödie "Die Trauzeugen" gerät eine Hochzeit zum formidablen Chaos. Und Adam Shankmans "Rock of Ages" ist ein rhythmisches Feuerwerk .

Von Hartwig Tegeler | 13.06.2012
    "Ai Weiwei: Never Sorry" von Alison Klayman

    Ai Weiwei will mit seiner Kunst schockieren, sagt Ethan Cohen in der Dokumentation "Ai Weiwei: Never Sorry". Cohen, New Yorker Galerist des chinesischen Künstlers und Regimekritikers, meint: Wenn Ai Weiwei vor der Kamera eine neolithische Vase feierlich fallen lässt, sagt er: "Ich liebe die Kultur, aber ich will nicht linientreu sein. Ich will etwas Neues." Wie dieses Neue im zeitgenössischen China entstehen könnte, wie Menschenrechte umgesetzt werden könnten, das ist ungewiss. Und Ai WeiWeis Schicksal zeigt, wie schwierig und gefährlich Veränderungen in China sind. 81 Tage lang war der Künstler in Haft, und seit seiner Entlassung 2011 steht er unter Hausarrest. Die Filmemacherin Alison Klayman begleitete Ai Weiwei drei Jahre lang und dokumentiert dessen Arbeit genauso wie die "alltägliche" Repression der Behörden. Bezweifelt werden darf allerdings, ob diese Dokumentation es schafft, einen Zugang vermittelt zum komplexen Werk und zu der Person dieses außergewöhnlichen Mannes, der sich selbst als politisches Gesamtkunstwerk inszeniert zwischen Willkür und Widerstand.

    "Ai Weiwei: Never Sorry" von Alison Klayman - zwiespältig, aber empfehlenswert.


    17 Mädchen" von Delphine und Muriel Coulin

    "Nichts auf der Welt hält ein Mädchen auf, das träumt."

    Eine andere Form von Widerstand, den der Jugend gegen das Alten: Davon erzählen Delphine und Muriel Coulin in ihrem Film "17 Mädchen". In einer Stadt in der Bretagne wird Camille schwanger. Nicht geplant, aber auch nicht ungewollt.

    "Ich bin acht Wochen schwanger.
    Und da sagst du es uns erst jetzt?
    Ich konnte es nicht glauben."

    Camille wird nicht abtreiben, Einwände ihrer Mutter …

    "Wenn du wüsstest, was es bedeutet, ein Baby zu haben."

    …sind ihr egal; aber nicht nur das. Camille schlägt ihren Schulfreundinnen vor, ebenfalls Mutter zu werden. Die staunen nicht schlecht.

    "Macht es doch einfach auch.
    Das wäre der Hammer."

    "17 Mädchen", das ist die Geschichte einer weiblichen Jugendrevolte, eine mittels Schwangerschaft, erzählt aus der Perspektive dieser Mädchen, aber eben nicht als Märchen. Denn ob der Kampf um Selbstbestimmung tatsächlich so gelingen kann, stellt sich langsam, aber sicher in Frage. Delphine und Muriel Coulin zeigen viel Respekt für die Gefühle ihrer Protagonistinnen, sodass sie sie in deren letztendlich vergeblicher Revolte nie denunzieren.

    "Nichts auf der Welt hält ein Mädchen auf, das träumt."

    "17 Mädchen" von Delphine und Muriel Coulin - empfehlenswert.


    "Die Trauzeugen" von Stephan Elliott

    "Du musst jetzt Ruhe bewahren. Aber es wird schon wieder.
    Aber wie?"

    Filmemacher Stephan Elliott, der 1994 die Drag-Queen-Tragikomödie "Priscilla - Königin der Wüste" drehte, glaubt nicht an die rebellische Kraft der Ehe; das mag man daran ablesen, dass in der anarchischen Komödie "Die Trauzeugen" Hauptfigur David…

    "Ich werde heiraten."

    …Mia, die Urlaubsbekanntschaft, vor den Traualtar führt. Doch die Hochzeit zwischen dem Briten und der Australierin stürzt an diesen Tag der Eheschließung in ein formidables Chaos. Verursacht durch die Trauzeugen. Das ist schon einigermaßen durchgeknallt.

    "Die Trauzeugen" von Stephan Elliott - empfehlenswert.


    "Rock of Ages" von Adam Shankmans

    Doch dieser Begriff - "durchgeknallt" - darf in Adam Shankmans Filmmusical "Rock of Ages" eine erstaunliche Steigerung erfahren:

    1980er-Jahre. Es ist die Zeit der Musik von Def Leppard, Bon Jovi, Whitesnake, Reo Speedwagon oder Guns'N Roses. Sherrie aus der Provinz verliebt sich im angesagten Rockschuppen in L. A. in Drew, während Kult-Rocker Stacee Jaxx - Tom Cruise - zum Auftritt erwartet wird. Vorher gibt der aber noch ein Interview:

    "... ich denke aufgrund der kulturellen Trends der Musikindustrie sich ständig ändern und blah, blah, blah ..."

    Und mittendrin werden die alten Songs "von der Leine gelassen".

    Die 80er-Jahre außerdem: Drogen und hemmungsloser Sex. Sex & Drugs & Rock'n Roll eben. "Rock of Ages" ist grandios choreografiert und wird zum rhythmischen Feuerwerk, wenn Julianne Hough, Mary J. Blige, Catherine Zeta-Jones oder Tom Cruise die Rock-Hits dieser 80er covern, und dabei der Film dabei immer mehr anfängt, neben dem Rad zu drehen. Höhepunkte dieser wunderbaren Durchgeknalltheit: Rockschuppenbesitzer Alec Baldwin - langhaarig - und Russel Brand als seine rechte Hand erleben ihr schwules Coming-out und fangen an, "Can´t Fight This Feeling" von Reo Speedwagon zu singen. Ach, ist das ... schön ... schräge.

    "Rock of Ages" bedient so ziemlich jedes Klischee über die Rockmusik, um es dann allerdings im stampfenden Rhythmus wieder zu umarmen.

    "Rock of Ages" von Adam Shankman - herausragend. Mit Kultcharakter.