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Rhapsody in school

Das im vergangenen Jahr gestartete Projekt "Rhapsody in school" vermittelt den Besuch von professionellen Musikern in Schulen. Die Initiative stammt von dem Pianisten Lars Vogt. Der Einsatz der Musiker von "Rhapsody in school" ist ehrenamtlich, sie unterbrechen ihre Konzertproben und nehmen sich Zeit, um von ihrer Arbeit zu erzählen und mit den Kindern zu musizieren.

Von Thomas Koppelt | 10.06.2006
    Er galt einst als musikalisches Wunderkind: Im Alter von 15 Jahren gewann der Cellist Daniel Müller-Schott den Internationalen Tschaikowsky-Wettbewerb in Moskau. Heute, 14 Jahre später, arbeitet er mit international renommierten Orchestern zusammen, reist um die Welt, gibt Konzerte in Kanada, Japan oder den USA - und dennoch, nimmt er sich die Zeit, in seinen Heimatort Vaterstetten bei München zurückzukehren, an seine alte Schule, das Humboldt-Gymnasium. Mit sichtlicher Freude sitzt er dort im Musiksaal und erklärt Kindern aus den fünften und sechsten Klassen den Don Quixote von Richard Strauss:

    "Das ist der Auftritt von dem Don Quixote, und der möchte jetzt Abenteuer erleben, der Don Quixote. Und dann beginnt das eben."

    "Und dann überlegt er sich: Vielleicht ist das mit den Abenteuern nicht so, wie ich mir das vorgestellt habe, und dann erzählt er eben."

    "Das klingt dann doch etwas wehmütiger."

    Ein Musiker zum Anfassen, das ist eine willkommene Abwechslung im oft so spröden Musikunterricht. "Rhapsody in school" nennt sich das Projekt, an dem sich viele namhafte Musiker beteiligen, von Daniel Müller-Schott über Emmanuel Pahud bis Tabea Zimmermann. Sie alle besuchen in ihrer Freizeit Schulklassen, stellen ihre Instrumente vor, beantworten Fragen und versuchen, Kinder für die Klassische Musik zu begeistern. Das scheint Daniel Müller-Schott in Vaterstetten gelungen zu sein.

    "Also ich fand es schön! Diese Suite hat mir besonders gut gefallen, von Johann Sebastian Bach, Dritte Suite Erster Satz.

    "Mir hat es auch gut gefallen! War sehr schön."

    "Er hat viele Fragen beantwortet, das fand ich gut. Ich hab gefragt, wie viele Leute bei seinem größten Konzert waren: 40.000!"

    Müller-Schott: "Ich hab jetzt doch einige Male schon dran teilgenommen, und jedes Mal tue ich es mit noch mehr Begeisterung. Es ist so, dass die Konzertgänger nicht unbedingt jünger werden, und ich hab den Eindruck, dass das Image der Klassischen Musik ein bisschen verstaubt ist und dass es sehr sehr wichtig ist, einen Weg zu finden, um ein junges Publikum für die Klassische Musik zu begeistern. Das geht meiner Meinung nach nur über einen direkten Kontakt und die direkte Kommunikation, das Vorstellen der Musik, das Vorstellen meines Instruments. Es ist so heutzutage, dass der Musikunterricht eine immer kleinere Rolle spielt - und ich denke, da müssen die Musiker selbst aktiv werden."

    Die Akteure der Klassischen Musik müssen sich ihr Publikum von morgen selbst heranziehen, denn auch in Bayern verliert der Musikunterricht an den Schulen zunehmend an Bedeutung: Nur zwei Drittel des vom Lehrplan ohnehin spärlich verordneten Unterrichts werden an den Gymnasien tatsächlich abgehalten. An den Grundschulen verfügen die wenigsten Lehrkräfte überhaupt über eine musikalische Ausbildung. Und so häufen sich in Bayern außerschulische Projekte: "Musik zum Anfassen" beispielsweise, eine Initiative, bei der professionelle Musiker zusammen mit Kindern eigene Musikstücke erarbeiten. Auch große Häuser und renommierte Klangkörper ziehen mit: Das Münchner Rundfunkorchester etwa hat in dieser Saison die Zahl der Kinder- und Jugendkonzerte deutlich angehoben, von 19 auf 26. Die Münchner Philharmoniker veranstalten neben Schulkonzerten neuerdings auch Kindergartenkonzerte, um Schwellenängste gegenüber der Klassischen Musik gar nicht erst entstehen zu lassen. Und die Bayerische Staatsoper lud im vergangenen Jahr erstmals zu einem Opernerlebnistag ein, bei dem Kinder die verschiedenen Bereiche des Hauses spielerisch erkunden konnten, die Bühnenmeisterei, die Requisite und natürlich auch das Orchester.

    "Spieloper", unter diesem Titel bietet die Bayerische Staatsoper das ganze Jahr über ein umfangreiches Kinderprogramm an, mit Werkeinführungen und praktischen Workshops. Zuständig für die Jugendarbeit ist Bettina Schimmer:

    "Eigentlich ist grundsätzlich das Ziel, wirklich das Erleben der Oper, der Kunstform Oper, Kindern und Jugendlichen zu vermitteln. Und dann ist die Institution einfach ein bisschen in der Bringschuld, einfach auch um sich selbst zu erhalten, das den Kindern zu bieten."

    Die Kunstschaffenden scheinen die Zeichen der Zeit erkannt zu haben. Jetzt liegt es an der Politik, dem Musikunterricht an Schulen wieder mehr Gewicht zu verleihen und finanzielle Mittel für außerschulische Initiativen bereit zu stellen. Es darf nicht bei einigen wenigen Leuchtturmprojekten bleiben, fordert Haimo Liebich vom Kultur- und Schulservice München:

    "Nordrhein-Westfalen hat gerade zu diesem Thema eine Initiative gestartet und eine Million extra in den Haushalt eingestellt. In Bayern gibt es eine wunderbare Stiftung 'Art131', die allerdings noch keine Mittel hat, das muss sich ändern. Und es fehlt in Bayern auch eine systematische landesweite Kooperation. Von diesen punktuellen hervorragenden Einzelprojekten muss es zu einer landesweiten breiten kulturellen Bildung kommen. Da sollten wir uns auf den Weg machen, es lohnt."