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Roger Cicero
"Wir haben erst die Tour, dann das Album gemacht"

Mit "The Roger Cicero Jazz Experience" bringt der Berliner Jazzer Roger Cicero sein siebtes Album heraus. Es sind seine Lieblingstitel, die teilweise gar nichts mit Jazz zu tun haben: von den Beatles bis Paul Simon. Das Besondere: Cicero ist zuerst mit den neuen Stücken und seinem Trio im Gepäck durch die Lande getourt und dann erst ins Studio.

Von Luigi Lauer |
    Roger Cicero
    Roger Cicero (Alexander Heil)
    "Und dann dachte ich so: Ich habe jetzt eigentlich keine Lust, jetzt so Jazz-Standards einfach nur zu spielen, die Sachen zu spielen, die ich halt auch mit Jazzbands seit zehn Jahren gespielt habe. Und dann habe ich mich hingesetzt und gedacht: Was willst du eigentlich singen
    Eine Frage, die Roger Cicero sich sehr bald selber beantworten konnte: seine Lieblingslieder nämlich. Jazz war dabei kein Kriterium, eher die Jazztauglichkeit.
    "Also es gab Titel, die trage ich einfach schon seit ewigen Zeiten in meinem Herzen mit mir. Also so was wie "From the Morning" von Nick Drake, den wollte ich schon immer mal singen. Manchmal war auch die Motivation: Das würde ich gerne mal als Jazzstück hören und habe aber noch gar keine Vorstellung davon gehabt, wie das klingen könnte. Manchmal war es halt auch: Das ist so weit weg vom Jazz, das finde ich interessant, da möchte ich kucken, was da rauskommt. "Shower the People" hat ja mit Jazz gar nichts zu tun. "50 Ways to leave your Lover" zum Beispiel ist ein Titel, der halt durch seine wirklich ausgefuchste Harmonik dem Jazz doch sehr nahe ist, finde ich. Natürlich in der Ausführungsart so gar nicht. Im Grunde genommen: Die meisten sind sehr sehr weit weg vom Jazz."
    Zusammenstellung klingt gekonnt
    Während nur wenige Titel relativ nahe am Originalzustand belassen wurden, entzog Roger Cicero den meisten Liedern komplett die ursprüngliche Grundlage. Die Liste mutet abenteuerlich an: Singer/Songwriter Amos Lee und James Taylor, Pop-Musiker Paul Simon, Melancholie-Minimalist Nick Drake, die Beatles. Und doch klingt die Zusammenstellung nicht gewollt, sondern gekonnt. Gut 20 Konzerte hatten Roger Cicero und sein Trio schon gespielt, bevor sie mit dem Programm ins Studio gingen – um dort festzustellen, dass sie weit mehr als nur die Länge der Stücke ändern mussten.
    "Alles! Alles! Wir haben jetzt eigentlich die Tour erst gespielt und danach das Album aufgenommen. Es ist immer normalerweise so: Man geht ins Studio und nimmt ein Album auf, geht dann auf Tour, und wenn man dann fertig ist mit der Tour, kommt man zurück und denkt so, ich würde grad alles noch mal neu spielen, weil: Ich würde es alles anders machen jetzt. Und wir haben erst mal die Tour gespielt, sind dann ins Studio gegangen, um festzustellen, es macht einfach keinen Sinn, das so aufzunehmen, wie wir es live spielen."
    Die Arbeit eines Produzenten musste die Band dann eben gemeinsam vor Ort leisten. Und dabei war es mit instrumentieren und arrangieren nicht getan.
    Von der Big Band zum Quartett
    "Das hat sich eigentlich fast mehr angefühlt wie komponieren, weil wir uns da wirklich komplett frei gemacht haben von den ursprünglichen Harmonien. Das Einzige, was halt manchmal noch dicht drangeblieben ist, war die Melodie. Wobei die Harmonik zum Beispiel bei einem Titel wie "Shower the People" so stark verändert wurde, dass es unmöglich war, die Original-Melodie da drüber zu singen. Also da musste ich auch eine komplett neue Melodie mir ausdenken. Aber das war genau das Spannende, so war das halt sehr, sehr individuell immer."
    "The Roger Cicero Jazz Experience" ist das siebte Studioalbum des 45-jährigen, und er kehrt mit ihm an seine Anfänge als Jazzmusiker zurück. Viele Jahre hat er vor allem mit Big Bands gearbeitet wie etwa in seinem aktuellen Sinatra-Programm. Das Abrüsten auf ein Quartett sei zwar eine große Umstellung gewesen, sagt Cicero, habe aber auch viele Freiheiten offenbart.
    "Also in der Big Band bin ich der Solist und singe den Song, also wirklich Text, Melodie, Strophe, Refrain. Und alles, was dazwischen stattfindet an Füllmusik und an instrumentalen Linien, das wird ja komplett von der Band abgedeckt. Das ist halt in so einer kleinen Besetzung nicht, es ist halt viel, viel mehr Platz zum Atmen da und es ist wahnwitzig viel Platz zum Improvisieren, für alle. Und wir machen auch alle ganz, ganz kräftig Gebrauch davon (lacht). Und das ist das Tolle."