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Rossini im Oman
Hamburgerin leitet das erste Opernhaus der Arabischen Halbinsel

Das Royal Opera House in Muscat ist das erste Opernhaus auf der gesamten Arabischen Halbinsel. 2011 wurde es eröffnet, 2012 übernahm die Hamburgerin Christina Scheppelmann die Leitung des Hauses, an dem sich westliche und orientalische Kunst begegnen - ohne die traditionellen Werte zu opfern.

Von Antje Hoffmann |
    Besucher besichtigen das Royal Opera House in Muscat, Oman
    Besucher besichtigen das Royal Opera House in Muscat, Oman (dpa picture alliance / Benoit Doppagne)
    "I expect something beautiful. Insha'Allah. I wish to enjoy my time."
    Etwas Wundervolles erwartet diese junge Omani von ihrem ersten Besuch im Royal Opera House Muscat. Für die 36-Jährige ist es der erste Theaterbesuch ihres Lebens. Landestypisch trägt sie die schwarze Abaya – aber eine besonders festliche, mit vielen bunten Edelsteinen bestickt. Ihr Verlobter ist traditionell ganz in weiß, im knöchellangen Männergewand, der Dishdasha.
    Etwa ein Drittel des Publikums sind Omani oder Araber aus den Nachbarländern. Die vielen Anzug- und Abendkleidträger sind Europäer, die hier leben oder Touristen. Das Konzert von Tenor Juan Diego Flórez und dem Spanischen Nationalorchester beginnt mit Rossini.
    Intendantin des Hauses ist die Hamburgerin Christina Scheppelmann. Zehn Jahre hat sie die Nationaloper in Washington geleitet, dann übernahm sie 2012 das ein Jahr zuvor neu eröffnete Opernhaus in Muscat - das erste auf der gesamten Arabischen Halbinsel.
    "Ein Theater mit wahnsinniger Bandbreite"
    "Ich fand das einfach wirklich interessant. Es ist ein wunderschönes Theater. Es ist ein neues Theater. Es ist ein neues Publikum. Ein Ort, an dem es Theater nie gegeben hat, und vor allen Dingen ist es ein Theater, das eine wahnsinnige Bandbreite hat – von arabischen Veranstaltungen, über Jazz, Worldmusic, Symphonic, Oper, Ballett – es hat einfach alles."
    Fünf bis sechs Opern präsentiert das reine Gastspielhaus pro Spielzeit. Von Puccini bis Wagner. Die Genres wechseln sich ab. Die Wiener Staatsoper spielt "Figaros Hochzeit", das Russische Staatsballett tanzt den "Nussknacker", das Royal Philharmonic Orchestra spielt auf, aber auch Youssou N'Dour oder Diana Krall. Die internationale Bühnenelite kommt. Und: Das Publikum kommt.
    "Wir sind gut besucht. Ausverkauft nicht immer, das würden wir ja alle gerne haben."
    "Weltoffen und kunstsinnig" - die Tradition immer im Blick
    An diesem Abend ist etwa die Hälfte der tausend Plätze besetzt. Das Publikum ist auffallend jung. Kein Wunder: Das Durchschnittsalter im Oman beträgt 19 Jahre. Und dieses junge Land ist aufgeschlossen und wissbegierig. Innerhalb weniger Jahrzehnte hat der Oman einen rasanten Wandel hingelegt. Vom Entwicklungsland zum Vorzeigestaat am Golf. Die Heimat von Sindbad dem Seefahrer gilt heute als "die Schweiz von Arabien": sicher, sauber, wohlhabend. Nun will man das Image um "weltoffen und kunstsinnig" erweitern. Ohne die traditionellen Werte zu opfern.
    "Ich kann vieles hier tun, aber Sie müssen berücksichtigen, wo Sie hier sind. In welchem Ambiente Sie sind und in welcher Kultur Sie sind. Sie können nicht in einem Land, das so vorher Theater noch nie gesehen hat, das einfach zu weit treiben. Wenn dem Publikum was nicht gefällt, die kommen einfach nicht wieder."
    Ein Anreiz sind die stark subventionierten Karten: Die kosten zwischen umgerechnet 4 und 140 Euro. Das Opernhaus soll ein Luxus sein, den sich jeder leisten kann. Ein Luxus aber in jedem Falle. Daran lassen Architektur und Ausstattung keinen Zweifel. Von außen erscheint das Gebäude wie ein gewaltiges Fort in gleißend weißem Marmor, mit hohen Türmen und ausgedehnten Arkaden. Innen wirkt es elegant und verspielt wie ein Palast aus 1001 Nacht. Und die technischen Möglichkeiten des rot-goldenen Konzertsaales dürften weltweit ihresgleichen suchen. Genau wie die in jede Sitzlehne eingelassenen Monitore zum Mitlesen der Librettos auf Englisch und Arabisch.
    Stark subventionierte Opernkarten sollen Luxus für jedermann ermöglichen
    Zunehmend kommen Touristen ausdrücklich wegen des Opernhauses in den Oman, bemerken Reiseveranstalter. Und das einheimische Publikum wird spürbar lockerer, beobachtet die Intendantin. Aus manchem schüchternen Theaterneuling wurde schon ein Fan. Ein 32-Jähriger schwärmt nach dem Konzert:
    "Wundervoll. Die heutige Aufführung war eine der besten, die wir seit Langem gesehen haben. Wir waren begeistert."
    Im dritten Jahr ist das Ganze noch eine Art Start-up-Unternehmen. Ob die Omanis das Haus und die westliche Klassik auf Dauer annehmen, wird man sehen. Eingefleischte Opernfreunde aus München zeigen sich auf jeden Fall begeistert von diesem ungewöhnlichen Zusammentreffen der Kulturen mitten in der Wüste:
    "Ich finde Oper passt überall hin. Oder passt es irgendwo nicht? Ich saß neben einer omanischen Frau und bei dem Franz von Suppé, da fingen schon die kleinen Fußspitzen an, sehr im Takt zu wippen, es kam schon gut an."