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Rücktritt des Fifa-Chefermittlers
Es bleibt ein Scherbenhaufen

Er beklagte Führungsmangel in der FIFA und hat nun das Handtuch geworfen. Der Chefermittler Garcia geht im Zorn. Kein Ermittler könne die Kultur einer Organisation ändern, twitterte der US-Amerikaner. Dies ist ein erneuter Imageschaden für die FIFA.

17.12.2014
    Michael J. Garcia
    Michael J. Garcia schmeißt hin. (Walter Bieri, dpa)
    "To guard the integrity and the reputation of football worldwide."
    Das sei sein Ziel, so der FIFA-Chefermittler Michael Garcia am 27. Juli 2012 bei der gemeinsamen Pressekonferenz mit dem Münchner Richter Hans Joachim Eckert im Hauptquartier des Weltfußballverbandes - die Integrität und die Reputation des Fußballs weltweit zu schützen. Groß waren die Hoffnungen damals, dass Garcia und Eckert Licht ins Dunkel des FIFA-Weltreichs bringen würden, dass Aufklärung, Transparenz und Glaubwürdigkeit den Ruf der FIFA aufpolieren könnten.
    Doch jetzt ist Garcia abgetreten, sang- und klanglos, im Streit mit dem Vorsitzenden der Spruchkammer der Ethikkommission Hans-Joachim Eckert, dem er fehlerhafte und unvollständige Wiedergabe seines Untersuchungsberichts über die WM-Vergaben nach Russland und Katar vorwirft. Was die Fakten angeht - und die Schlussfolgerungen. Die Lage ist einmal mehr unübersichtlich. Wie hatte Richter Eckert 2012 selbstbewusst erklärt:
    "Wir haben hier keinerlei Einflussnahme werden wir akzeptieren. Mit Sicherheit nicht. Wir werden unseren Job machen. Er als Ermittler, ich als Richter. Und ich glaube, das ist unwahrscheinlich wichtig, dass diese Botschaft auch rüber kommt. Ich werde mit Sicherheit keinerlei Einflussnahme akzeptieren. Das habe ich nicht notwendig."
    Ein FIFA-Krimi
    Und doch gab es diese Einflussnahme, ob bei den eigentlichen Ermittlungen wissen wir nicht, doch Garcia hat jetzt in seiner Rücktrittserklärung ein paar Hinweise gegeben. Über den Konflikt mit Eckert und über die Führungsschwäche der FIFA. Der Showdown mit Eckert ist auf schwerwiegende Meinungsunterschiede zurückzuführen, soviel steht fest. Doch was dann geschah, ist einmal mehr ein Fifa-Krimi. Denn Garcia gab seinen Widerspruch über die Eckert-Erklärung zu Protokoll, ging in Berufung, doch die wurde von der Berufungskommission mit rein juristischen Argumenten abgeschmettert. Eckerts Erklärung sei ja keine Entscheidung und damit nicht anfechtbar, so die lapidare Begründung. Damit wollte sich Garcia nicht abspeisen lassen. Da geht es auch um Reputation.
    Doch das Fass zum Überlaufen brachte wohl die Entscheidung des FIFA-Exekutivkomitees, Garcia vor den Disziplinierungsausschuss zu zerren, nur weil der Chefermittler es gewagt hatte, die Veröffentlichung seines kompletten Berichts zu empfehlen. Das war nicht nur eine Ohrfeige für Garcia, sondern eine Demütigung. Und eine Einmischung jenes Gremiums, das im Verdacht steht, korrupte Mitglieder zu beherbergen. Daran hatte Garcia sicherlich nicht gedacht, als er vor zwei Jahren die Beschaffung von Dokumenten und Zeugen als seine eigentliche Herausforderung beschrieben hatte und die ihm zur Verfügung stehenden Befugnisse auch einzusetzen. Das werde er auch schaffen:
    "So I see the issue in the challenge being, getting folks to come in, getting wittnesses, getting documents and making sure we use the authoritys that we now have to do that. I can assure you, that will get done."
    Erneuter Imageschaden
    Der mehr als 400 Seiten starke Bericht mit rund 200.000 Dokumenten liegt zwar vor, doch veröffentlicht werden soll er nicht. Schlimmer noch. Der Chefermittler geht im Zorn, und gibt sich geschlagen. Kein unabhängiges Gremium, kein Ermittler oder Schiedsgericht könne die Kultur einer Organisation ändern, twitterte Garcia in seiner Rücktrittserklärung, auf gut deutsch: die FIFA ist nicht reformierbar. Das sagen die Kritiker schon seit Jahrzehnten. FIFA-Boss Sepp Blatter zeigt sich vom Garcia-Rücktritt überrascht, UEFA-Präsident Michel Platini beklagt erneutes Versagen der FIFA, der Präsident des DFB Wolfgang Niersbach wünscht einen Schlussstrich. Doch welchen? Ein Ende mit Schrecken oder einen Schrecken ohne Ende? Der Weltfußballverband hat erneut einen Imageschaden erlitten. Nach zwei Jahren mühsamer Ermittlungen ein Scherbenhaufen.