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RWE
Kommunen planen Aktienverkauf

Bisher gehörten die Kommunen an Rhein und Ruhr traditionell zu den größten Anteilseignern beim Energiekonzern RWE. Inzwischen planen mehrere Städte den Verkauf ihrer Aktien. Grund dafür sind vor allem ökonomische, weniger ökologische Überlegungen.

Von Kai Rüsberg | 08.08.2019
Blick auf das Kraftwerk Neurath im Süden von Grevenbroich, im Vordergrund ist ein Acker zu sehen.
Das Braunkohle-Kraftwerk Neurath bei Grevenbroich etwa wird vom Energieversorger RWE betrieben (imago images / Sepp Spiegl)
Rund 100 Millionen Aktien von RWE halten 21 kommunale Unternehmen in Nordrhein-Westfalen und angrenzenden Gebieten. Diese Zahl geht aus einer Übersicht von Greenpeace Köln hervor, die vor einem Jahr veröffentlicht wurde. Seitdem hat es einige Verkaufsbeschlüsse gegeben, aber bislang warten noch viele Kämmerer auf einen günstigeren Aktienkurs. So wie in Bochum, eine der ersten Kommunen, die bereits 2016 die Hälfte des Aktienbestands verkauft hat. Die 2,2 Millionen Restaktien verwaltet der Bochumer-Stadtwerke-Chef Dietmar Spohn:
"Also, wenn man den Aktienmarkt ja verfolgt und die RWE-Aktie verfolgt, hat sich das ja durchaus deutlich erholt. Wir gehen davon aus, dass insbesondere das Umsetzen der Ergebnisse der WSB-Kommission, aber auch mit Abschluss des RWE-Eon-Deals, eine gewisse Kursentwicklung möglich ist."
RWE-Aktie zuletzt wieder gestiegen
Die WSB-Kommission – das ist die sogenannte Kohlekommission – schlägt vor, Konzerne wie RWE wegen des Kohleausstiegs zu entschädigen. Wird dies politisch umgesetzt, werden weitere Steigerungen des RWE-Aktienkurses erwartet. Er ist von seinem Tiefpunkt 2015 mit zehn Euro auf aktuell etwa 25 Euro gestiegen. Diese Entwicklung hat nun auch bei weiteren Kommunen zu Verkaufsüberlegungen geführt. Zuletzt hat der Rat des Rheinisch-Bergischen Kreises im Juni mit großer Mehrheit einem Verkauf zugestimmt, bestätigt CDU-Fraktionschef Thorsten Bieber:
"Klumpenrisiko bedeutet, das halt eine Aktie auch deutlich nach oben oder nach unten gehandelt wird und das führt bei uns im Kreis zu Teilwertabschreibung bzw. zu –zuschreibung und das führt dazu, dass wir mal gut oder mal schlecht dastehen. Und dieses Risiko möchten wir vermeiden."
Denn: Für die Kommunen war die RWE-Aktie in den vergangenen Jahren eher eine Last als eine Entlastung für den Haushalt. Für den Kreis bedeutete die zunehmend unsichere Lage bei RWE ein Risiko für den städtischen Haushalt. Jährlich musste mit Abschreibungen in der Bilanz gerechnet werden.
Greenpeace fordert Ausstieg aus ökologischen Gründen
"Die Dividenden waren in der Vergangenheit sehr gut, die sind dann auch ausgefallen. Jetzt sollen sie kontinuierlich weiter sprudeln, ob sie kommen und welche Höhe sie kommen, ist für uns ein wenig unsicher. Von daher gehen wir lieber auf die sichere Bank."
Die aktuelle Diskussion in den Kommunen dreht sich daher vornehmlich um wirtschaftliche Argumente, die gegen die weitere Beteiligung an RWE sprechen. Ursprünglich war Tim Petzold von Greenpeace in Köln mit ökologischen Argumenten auf die Kommunen zugegangen:
"RWE, das ist halt ein Akteur, der sehr stark am Klimawandel beteiligt ist, mit den großen Braunkohlekraftwerken hier im Rheinischen Revier. Und wir haben gesagt, wenn die Kommunen es nicht schaffen können, RWE von diesem falschen Kurs abzubringen, und eben voll und ganz auf die erneuerbaren Energien setzen, dann sollten öffentliche Gelder nicht weiter in Aktien von RWE investiert werden."
Beteiligungsgesellschaften erschweren den Ausstieg
Dass der Verkaufsprozess in vielen Kommunen Jahre dauert, liegt oft daran, dass die Kommunen die Aktien gar nicht selbst besitzen. Greenpeace deckte auf, dass die meisten Kommunen ihre Aktien in Beteiligungsgesellschaften eingebracht hatten, die sie nun nach und nach wieder auflösen, so Petzold:
"Zum einen konnten die Kommunen dadurch einen Steuervorteil sozusagen erwirken. Auf deren Seite war es halt für RWE auch günstig, weil die Kommunen nicht mehr so einfach auf diesen Beteiligungsgesellschaften mehr herauskommen sind. Die konnten nicht ihre Aktien einfach herausziehen und sofort verkaufen, selbst, wenn sie es wollten."
Greenpeace rechnet damit, dass die Beteiligungssmodelle alle noch in diesem Jahr beendet werden. Erst dann können die Räte wieder eigenständig über einen Verkauf frei entscheiden.
Klimawirkung als künftiger Risikofaktor
Und es gibt ein weiteres Argument für den Verkauf. Für Ratingagenturen könnten die Folgen des Klimawandels eine stärkere Rolle spielen, wenn Unternehmen bewertet werden. Künftig drohe daher bei Aktien von Energieversorgern eine Bewertung als Risikopapier, meint Petzold von Greenpeace:
"Und wenn es da zu einer Neubewertung kommt durch die Ratingagentur, kann es halt passieren, dass auch RWE als eine spekulative Investition gesehen wird und dann, nach meinem Verständnis, dürfen die Kommunen nicht länger dort in RWE investieren, sondern die müssen dann ihre Aktien verkaufen."
Im Nachhinein hat es die Landeshauptstadt Düsseldorf wohl richtig gemacht, die sich mit dem bereits 2005 eingeleiteten Verkauf aller RWE Aktien entschuldet hatte. Bochums Stadtwerke-Chef Dietmar Spohn will sich aber nicht vorhalten lassen, zu spät dran zu sein:
"Bei uns im Ruhrgebiet sagen wir, wenn Du aus der Kirche raus kommst, bist Du schlauer. Rückblickend war es sicherlich richtig, aber wie das im Aktienmarkt so ist: Vor der Hacke ist es duster."