Vor drei Jahren ging es gerade nochmal gut. (Mr. Saxobeat) "Mr. Saxobeat" war wochenlang Platz eins, Lady Gaga mietete sich den legendären Clarence Clemons (Edge Of Glory), kurz schien ein Comeback der eigentlich seit Jahren geschmackspolizeilich verbotenen Blechkanne zu drohen.
Klar hat sie uns Großes geschenkt: Ja, den Bebop von Charlie Parker mit seinem Gespür für den richtigen falschen Ton oder das samtige Timbre von Stan Getz. Sonny Stitt und John Coltrane und Sonny Rollins. Oder Branford Marsalis (Sting). Aber warum gibt es die Facebook-Seite "I hate saxophones"? Warum steht im Netz der Entwurf eines Romans, in dem zwei Teenager in der Zeit zurück reisen, um die Erfindung des Saxofons ungeschehen zu machen? Oder Listen der "Zehn Songs, die ein Saxofonsolo fast ruiniert hätte" (darin Radiohead und Bruce Springsteen)? Warum wird das Saxofon so leidenschaftlich gehasst? Vielleicht ist ihr Ton, der der menschlichen Stimme gleicht, zu aufdringlich. Und zwar nuancenreich, aber vor allem: laut. Nicht nur im Free Jazz, der dennoch ohne Saxofon sicher nicht erfunden worden wäre, denn nicht mit zehn Trompeten kann man derart entgrenzt herumhupen und böse tröten. Warum es dann im Heavy Metal kein Sax gibt, fragen Sie? Gibt es! (Heavy Metal) Scherzfrage: Was ist der Unterschied zwischen einem Saxofon und einem Rasenmäher? Antwort: Rasenmäher klingen im kleinen Ensemble besser.
Die Achtziger: Einfach zu viel
Aber es macht einen ja gar nicht die wüste Seite des Saxofons so kirre. Sondern die sanfte! (BakerStreet) Schon im Softrock der Siebziger wurde sein Image leicht dekadent. Und dann kamen eben die Achtziger (Careless Whisper).Das Jahrzehnt des Saxofons. Von der Wham!-Schnulze über Sades Barjazz bis zu Foreigners Rock: Eine Zeit lang hatte keine Band mehr keinen Saxofonisten. Men At Work, Huey Lewis, INXS, Dire Straits, Grönemeyer, BAP - The Cure! David Bowie! Das 80er-Instrumental war natürlich eines mit Sax (Lily Was Here), und welches Gerät spielt der meistgeschmähte Musiker der Welt? (Kenny G) 50 Millionen Alben voller windelweichem Easy-Listening-Jazz hat Kenny G verkauft. In den Neunzigern kam der Backlash. Es war zu viel gewesen, und aus einer Grunge-Perspektive etwa waren die Saxer mit ihren geblähten Backen und ihrem virtuosen Getue zu Vokuhila-Frisuren und pastellfarbenen Jacketts mit hochgekrempelten Ärmeln auf einmal nur noch Poser und out. Und sind es bis heute: das anhaltende Achtziger-Revival hat sie ausgelassen, wie Schulterpolster.
Nur manchmal (Walk On The Wild Side) hört man etwas sehr schönes, cooles, stilsicheres; eine Stimme, die keine Gitarre und kein Klavier und auch keine Trompete hinbekommt. Und ist fast versucht zu denken: Danke, Monsieur Sax.