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Schlechte Quote an der Uni Wien

Die Universität Wien wollte den Frauenanteil an ihrer Medizinfakultät erhöhen und wertete den Zulassungtest nach Geschlechtern getrennt aus. Viele Männer, die im Test besser abschnitten als die weibliche Konkurrenz, bekamen keinen der begehrten Studienplätze. Einer von ihnen hat nun geklagt.

Von Alexander Musik | 02.11.2012
    740 Studienplätze bot die Medizinische Universität Wien in diesem Studienjahr an – doch keinen für Oliver K. Und das, obwohl der junge Mann nach Auswertung des Bewerbungstests auf deutlich mehr Punkte kam als so manche Bewerberin, die gleichwohl einen Studienplatz bekam. Der Grund dafür ist die so genannte gendergerechte Testauswertung, die die Universität seit diesem Jahr praktiziert. So soll der Frauenanteil im Medizinstudium und mittelfristig auch im Arztberuf erhöht werden. Oliver K. wollte es aber nicht hinnehmen, dass er trotz besserer Leistung nicht studieren durfte und reichte Klage ein: vor dem Uni-Senat und vor dem Bundesverfassungsgericht. Rechtsanwalt Raoul Wagner vertritt ihn; er ist davon überzeugt, dass das Vorgehen der Universität verfassungswidrig ist:

    "Sie können natürlich, wenn Sie Ungleichheiten in der Behandlung von Geschlechtern ausgleichen wollen bei gleicher Qualifikation die eine oder andere Seite vorziehen - das kann mal männlich, mal weiblich sein - spielt ja keine Rolle. Aber es ist jedenfalls unzulässig, besser qualifizierte Bewerber eines Geschlechts zu benachteiligen, indem man schlechter qualifizierte Bewerber des anderen Geschlechts vorzieht - und genau das passiert hier."'"

    Den ganzen Ärger hätte sich die Universität ersparen können, meint der Wiener Bildungsforscher Stefan Hopmann. Es gebe hinreichend Forschungen darüber, bei welchen Testaufgaben jeweils männliche und weibliche Bewerber besser abschneiden. Den Effekt, den Frauenanteil im Medizinstudium zu erhöhen, hätte die Med-Uni über ein entsprechendes Testdesign also erzielen können, ohne dass es überhaupt jemand gemerkt hätte, so Hopmann.

    " "Ich kann mich dafür entscheiden, ich möchte mehr oder weniger Frauen haben. Ich kann mich dafür entscheiden, ich möchte mehr oder weniger Österreicher haben. Ich kann mich dafür entscheiden, ich möchte mehr oder weniger Bildungsbürgerkinder haben. ... Es wäre für einen erfahrenen Testpsychologen überhaupt kein Problem, einen Test zu konstruieren, den nur bestimmte Leute aus dem Waldviertel bestehen. Und es wäre auch kein Problem, einen Test zu konstruieren, wo ich relativ sicher bin, dass höchstens zehn Prozent Österreicher da durchkommen. ... So gesehen war die Uni demokratisch ehrlich und handelt sich dafür ein Rechtsverfahren ein."

    Wie in Österreich üblich, versuchte die Uni-Verwaltung daraufhin, die Wogen zu glätten – und zauberte 40 weitere Studienplätze aus dem Hut, die freilich wiederum erst nach gendergerecht ausgewertetem Bewerbungstest in Anspruch genommen werden durften. Johannes Angerer, Sprecher der Med-Uni Wien, will den Vorgang in Hinblick auf das laufende Verfahren nicht kommentieren. Für Bildungsforscher Hopmann ist das grundsätzliche Problem durch die zusätzlichen Studienplätze jedenfalls nicht gelöst:

    "Das ist typisch: 'Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass.' Da werden symbolische Lösungen produziert, die eigentlich mit der Sache selbst nix zu tun haben. Da werden die 40 potenziellen Kläger ruhiggestellt, das macht man hier so. Das wird erst dann interessant, wenn Nummer 41 klagt. ... Die Schwierigkeit ist die Unfähigkeit der österreichischen Gesellschaft, der österreichischen Politik, dazu Stellung zu beziehen, welche Kriterien dafür wichtig sein sollen, ob jemand eine Ausbildung bei uns machen darf oder nicht."

    Rechtsanwalt Raoul Wagner sieht noch ein weiteres Problem der umstrittenen gendergerechten Testauswertung: Er befürchtet die Stigmatisierung zukünftiger Medizinerinnen.

    "Diese Vorgehensweise der Universität ist auch beleidigend für alle tüchtigen Frauen, die eine große Leistung bringen, denn man wird sich in fünf, sechs Jahren fragen müssen, wenn eine junge Ärztin einen behandelt, ob das eine von jenen ist, die trotz schlechter Leistungen im Aufnahmetest studieren durfte, obwohl es bessere Männer gegeben hat, oder ob das eine wirklich gut qualifizierte Ärztin ist. Und das ist für alle Beteiligten - auch für die Ärztinnen - unzumutbar."

    Oliver K., der abgewiesene Bewerber, ist derweil im Stand-by-Modus und verliert ein Studienjahr, sagt sein Anwalt. Wann das Bundesverfassungsgericht ein Urteil in der Causa fällen wird, sei nicht vorhersehbar, so Raoul Wagner. Wenn es gut laufe, dann bis Mitte 2013.

    Derweil hat die Universität bereits angekündigt, im nächsten Studienjahr ein anderes Testverfahren anzuwenden. Der ganze Schlamassel, fügt der Rechtsanwalt noch hinzu, sei übrigens erst durch "die Überflutung" der österreichischen Medizinfakultäten mit Studierenden aus Deutschland entstanden. Österreich ist eine willkommene Anlaufstelle für alle, die in Deutschland wegen des Numerus clausus keinen Studienplatz bekommen haben. Und die Politik in Österreich, so Wagner, habe dagegen nichts unternommen.