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Schwäbisch-Gmünd
Flüchtlinge für die Gartenschau

Der Bürgermeister von Schwäbisch-Gmünd setzt bei der Landesgartenschau Flüchtlinge als Helfer ein. Bezahlt werden die Männer aus Nigeria oder Afghanistan dafür nicht. Flüchtlingsorganisationen befürchten, dass die unbezahlte Arbeit irgendwann Pflicht werden könnte.

Von Susanne Lettenbauer | 17.04.2014
    Mohsen Mirzai aus Afghanistan konjugiert während einer Unterrichtseinheit eines Deutschkurses für Flüchtlinge am 09.12.2013 in Schwäbisch Gmünd (Baden-Württemberg) an einer Tafel das Verb "arbeiten".
    Ein Flüchtling in Schwäbisch-Gmünd während eines Deutschkurses (dpa/picture-alliance/Marjan Murat)
    Das schwere Eisentor quietscht in den Angeln. Der Garten des Rokokoschlösschens von Schwäbisch Gmünd leuchtet in unzähligen Blumenfarben. Tulpen, Stiefmütterchen, dazwischen Riedgras und ein akkurat gemähter, sattgrüner Rasen:
    "Wir haben gestern ausgerissen, haben wir gestern hier getan, wir anfangen sieben Uhr bis vier Uhr fifteen - jeden Tag und wir haben 45 Minuten Pause."
    Stolz zeigt Christopher auf ein Beet mit Stiefmütterchen. Gerade hat der Nigerianer gemeinsam mit vier anderen Helfern die Blumen gepflanzt, exakt in einer Reihe mit genauen Abständen.
    "Wir haben diese heute umgesetzt, ja die ganzen Blumen hier. Gibt noch zu tun, aber das ist morgen, hier diese Pflanzen, diese Blumen."
    Christopher wohnt seit drei Jahren und vier Monaten in einer alten Kaserne, heute das Flüchtlingsheim von Schwäbisch Gmünd. In seiner Heimat war er LKW-Fahrer, das darf er in Deutschland nicht sein. Deshalb pflanzt er freiwillig Blumen auf dem Gelände der Landesgartenschau, ohne Bezahlung. Er würde auch Eintrittskarten kontrollieren, die Ställe der Kaninchen säubern oder Rasen mähen, nur um nicht untätig rumzusitzen. Genauso wie Mahmoud oder Sabi oder Blar:
    "Ich heiße Mahmoud. Ich bin 28 Jahre alt, zweieinhalb Jahre bleib ich da."
    "Mein Name ist Sabi, ich komme aus Pakistan, ich wohne in Schwäbisch Gmünd, ich habe zwei Jahre und sechs Monate in Deutschland. Normal was helfen. Ja helfen, normal helfen."
    Bis vor Kurzem nahm keiner von ihnen an Sprachkursen teil. Das ist bei geduldeten Flüchtlingen, also jenen, deren Asylantrag abgelehnt oder noch nicht bearbeitet wurde, gesetzlich nicht vorgesehen. Deshalb geben pensionierte Lehrer den Flüchtlingen Deutschunterricht. Alles in dieser Stadt scheint auf Ehrenamt zu beruhen – auch die Ende des Monats beginnende Landesgartenschau. Gut 1.200 Helfer werden die 166 Tage-Veranstaltung am Laufen halten: Sie werden an Infoständen, an den 17 Eingängen stehen – ohne dafür entlohnt zu werden. Auch die Bewohner des Flüchtlingsheimes können auf Einladung des Oberbürgermeisters mitmachen – freiwillig und ehrenamtlich - wie die deutschen Bürger auch. 65 machen mit:
    "Wir kamen einfach her, haben uns getroffen, wir haben gesagt, wenn sie Arbeit für uns haben machen wir alles, der Oberbürgermeister sagte: Ja. Alles machen wir, egal, damit ich was zu tun habe, deswegen.
    Als Teil dieser Stadt möchte ich mich hier einbringen und werde Tickets kontrollieren."
    Früher liefen die jungen Männer tagsüber ziellos durch die Stadt, saßen in der Unterkunft, auf dem Ausländeramt und warteten. Andere bauten ein Protestcamp auf dem barocken Marktplatz von Schwäbisch Gmünd auf, um gegen die deutsche Asylpolitik zu demonstrieren. Einige dealten. Die Chance, in der Stadt kleine Arbeiten zu verrichten – hatten nur wenige. Ein Unding für den forschen Oberbürgermeister. Wenn es sein muss, redet Richard Arnold mit den Flüchtlingen englisch oder französisch – fließend übrigens. Seit fünf Jahren sitzt der Christdemokrat auf dem Chefsessel des Rathauses. Davor war der 55-Jährige Leiter der Vertretung des Landes Baden-Württemberg bei der Europäischen Union in Brüssel, vom Manager Magazin wurde er damals einer der zehn bekanntesten und einflussreichsten Deutschen in Brüssel genannt.
    "Ich bin der Oberbürgermeister einer Stadtgemeinschaft. Alle gehören hier dazu, auch die Flüchtlinge gehören dazu, d. h. die Projekte, die wir hier machen, sind die Projekte von allen, also auch von den Flüchtlingen".
    Arnold ist ein Macher, der sich über das deutsche Zuwanderungsgesetz ärgert und über die Schranken, die ihm das sperrige Asylbewerberleistungsgesetz setzt, wenn er Flüchtlinge beschäftigen will, ob für die gesetzlich erlaubten ein Euro fünf Cent oder ehrenamtlich. Er ärgert sich auch gestenreich über das neue grün-rote Integrationsministerium in Stuttgart. Eine Alibiveranstaltung, sagt er. Noch heute ist er von seinem Kofferträger-Projekt am Bahnhof – das im vergangenen Jahr für Negativschlagzeilen sorgte, - hundertprozentig überzeugt. Sein Ausländeramt für die 600 registrierten Migranten will er demnächst kurzerhand in Amt für Zuwanderung umbenennen. Der Grund: Jeden Monat kommen künftig circa 40 neue Flüchtlinge in seine Stadt:
    "Wir bezahlen Geld dafür, dass die im Zimmer sitzen bleiben müssen und warten, bis über den Asylantrag entschieden wird, das geht ja manchmal bis zu zwei Jahre, und gleichzeitig fehlen uns Arbeitskräfte, zum Beispiel im Pflegebereich, zum Beispiel im Handwerk. Das sind alles Bereiche, wo ich meine, wo wir profitieren könnten. Wir haben eine absolut verkorkste Asylpolitik im Jahr 2014."
    Ziemlich ratlos sitzen drei Männer der Bürgerinitiative gegen Fremdenfeindlichkeit, Arbeitskreis Asyl auf dem Schwäbisch Gmünder Marktplatz. Alwin Schöffler, Helmut Zehender, Bernd Sattler. Ihr Kontakt zu den Flüchtlingen ist derzeit abgebrochen, weil das Landratsamt ohne ihr Wissen eine Überwachungskamera am Flüchtlingsheim installiert hat. Die ehrenamtliche Tätigkeit der Flüchtlinge auf der Landesgartenschau aber sei generell begrüßenswert, so ihr Credo. Auch wenn der Flüchtlingsrat Baden-Württemberg davor warnt, dass aus der freiwilligen Arbeit bald eine verpflichtende Arbeit werden könnte:
    "In der Vergangenheit kamen die Flüchtlinge überhaupt nicht zu Wort. Es wurde unterstellt, dass sie mehr oder weniger aufgefordert oder gar gezwungen wurden, mitzuarbeiten. Die Wahrnehmung haben wir nicht, die Angebote waren vonseiten der Stadt immer auf Freiwilligkeit abgestimmt."
    Und solange der Einsatz der Flüchtlinge auf Freiwilligkeit beruht, könne man nichts dagegen sagen. Das meinen auch die meisten Bürger von Schwäbisch Gmünd: So wisse man wenigstens, wer im Flüchtlingsheim so wohne. Und das mit der Sprache wird auch immer besser, das beweist Christopher aus Nigeria vor seinem Blumenbeet.
    "Ok ja, ok, Stiefmütter-... wie nochmal? Stiefmütterchen, ja Stiefmütterchen."