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Second-Hand-Markt für Windkraftanlagen

Für annährend alle beweglichen Wirtschaftsgüter auf der Welt gibt es einen Gebrauchtmarkt. Selbst, wenn sie so schwer beweglich sind wie die meterlangen Rotorenblätter von Windkraftanlagen. Weil 2012 in Deutschland nahezu 10.000 Anlagen älter sein werden als zwölf Jahre, wird mit aller Kraft in neue investiert. Repowering nennt das die Branche, in dessen Windschatten boomt der Markt mit Windkraftanlagen aus zweiter Hand.

Von Godehard Weyerer | 20.08.2010
    Wie das Geschäft funktioniert, wer die Abnehmer der Second-Hand-Ware sind.

    Rund 90 Rotorenblätter liegen auf dem Freigelände, aufgereiht wie gefällte Bäume – jedes Blatt 45 Meter lang und 10 Tonnen schwer. Auf der Glasfaseroberfläche bündeln sich die Sonnenstrahlen. Die Gondeln stehen vor dem drei Meter hohen Maschendrahtzaun, auf einem anderen Firmenareal haben die demontierten Turmsegmente Platz gefunden. Windkraftanlagen kann man meist nur aus großer Entfernung betrachten; auf dem Firmengelände der L&L Rotorservice GmbH liegen sie einem direkt vor den Füßen.

    "Die sind verkauft in die Tschechei. Da hinten sind Anlagen, die gehen nach Rumänien. Genau so wie die Vestas hier vorne, die gehen in die Tschechei, die werden von uns aufgebaut. Wir bieten das Know-how an für Demontage und Montage der Anlagen. Wir lagern hier auch Windkraftanlagen komplett zwischen, um Rotorblätter zu überholen für den Interessenten und Käufer, die dann eine Anlage haben möchten, die noch wenigsten 10 oder 15 Jahre läuft. Die werden hier bei uns auch überholt."

    Norbert Lührs ist zuständig für Vertrieb und Verkauf. Die Firma im niedersächsischen Basdahl östlich von Bremen handelt mit gebrauchten Windkraftanlagen und repariert Rotorenblätter. Da spricht sich schnell herum, wenn eine Anlage verkauft und durch eine neuere und leistungsstärkere ersetzt werden soll. Repowering nennt sich das Geschäft. Im Jahr 2012 werden in Deutschland nahezu 10.000 Anlagen älter als zwölf Jahre sein. Die Frage, woher Norbert Lührs die gebrauchten Windräder bezieht, ist damit so gut wie beantwortet:

    "Vorwiegend, zu 80 Prozent, aus Deutschland, teilweise aus Holland, vereinzelt aus Dänemark, aber überwiegend aus Deutschland, weil da das Repowering im größeren Umfang stattfindet als in Holland zum Beispiel. Die gehen dann weltweit, wie zum Beispiel Südamerika, Osteuropa, Thailand haben wir die ersten Maschinen geliefert schon vor Jahren, die auch heute gut laufen."

    Die Windkraftanlagen haben eine Leistung von bis zu 2,75 Megawatt. Mit der Demontage allein ist es allerdings nicht getan. Der Transport kommt dazu – häufig per Schiff. Bremerhaven ist nicht weit, eine halbe Stunde vielleicht für einen Schwertransport. Fünf Tieflader fahren für die Firma. Und der Preis für ein Second-Hand-Windrad? Sechs Jahre alte Anlagen kosten etwa die Hälfte des Neupreises; bei einer Laufzeit von zehn Jahren sind es noch 25 Prozent. Für eine 2-MW-Anlage sind das dann rund 500.000 Euro. Ingolf Lührs, der Cousin von Norbert Lührs, ist Prokurist der Firma. Beide beschäftigen 79 Mitarbeiter, 15 davon in Ausbildung:

    "Im Falle einer Reparatur, die sofort stattfinden muss, besteht für die Betreiber die Möglichkeit, sofort ein Tauschsatz von hier anzufordern, der dort wieder durch unsere Mitarbeiter montiert wird. Der zu überarbeitende Blattsatz von dort wird dann hier mit unserer hauseigenen Logistik ins Werk, hier überarbeitet und danach wieder eingelagert."

    "Das ist unsere Reparaturhalle, hier werden die Blätter geschliffen und neu aufgespachtelt und präpariert. Schäden werden beseitigt. Wenn die Blätter soweit sind, kommen sie in die nächste Halle und werden lackiert und fertiggemacht. Viele Kunden geben die Anlagen komplett zu uns, lagern hier ein, zwei Monate und dann gehen sie raus in die Weltgeschichte und dann werden sie wieder aufgebaut und können neu starten."

    Windkraftanlagen, selbst wenn sie demontiert sind und fein säuberlich am Boden aufgereiht liegen, lassen sich in einem unbeaufsichtigten Moment wohl kaum entwenden. Das Firmengelände ist dennoch geradezu hermetisch mit einem Stacheldraht bewehrten Maschendrahtzaun abgeschirmt. Die US-Army hatte hier einen Standort. In den ehemaligen Garagen begann die Arbeit. Mehrere Hallen sind mittlerweile hinzugekommen; die neueste ist noch eingerüstet.

    "Gondeln und Rotorenblätter zum Teil auch die Transformatoren können wir schön hier in Basdahl einlagern, auch trocken einlagern, das ist ein wichtiger Aspekt für die empfindlichen elektronischen Teile. Bei über 8500 Quadratmetern überdachter Hallenflächen sind diese Komponenten auch sicher untergebracht. Wir können mit unseren eigenen LKW und Tele-Satteln Gondeln und Generatoren, Türme und Rotorblätter bis zu über 50 Meter Länge transportieren in Form eines Schwertransports."

    Nicht für jede ausgemusterte Windkraftanlage haben die beiden auch gleich einen Abnehmer. Länger als zwei Monate bleiben die demontierten und aufgearbeiteten Einzelteile aber kaum auf dem Firmengelände. Der Vergleich mit einem Gebrauchtautohändler liegt da auf der Hand. Tatsächlich werden Abmachungen und Verträge nicht immer eingehalten. Doch das sind Ausnahmen und darüber sprechen sie nicht gerne, bekräftigen Ingolf und Norbert Lührs, die Geschäftsführer der L&L Rotorenservice im niedersächsischen Basdahl.

    Die Windkraftanlage, die auf dem Betriebsgelände steht, ist von Weitem schon zu sehen. Eine 500-KW-Anlage, natürlich aus zweiter Hand, wie alle, die hier liegen.