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Ehrenamtler engagieren sich für die Deutsche Bahn

Sie verkaufen Fahrkarten, beraten bei den Reiseverbindungen und nehmen Beschwerden entgegen: In Westerstede bei Oldenburg engagieren sich seit 2012 Ehrenamtliche für die Deutsche Bahn und nehmen so vor allem älteren und selten Reisenden die Angst vor dem Zugfahren.

Von Beate Hinkel | 31.01.2014
    Ilona Klose aus Westerstede ist 56 Jahre alt. Sie möchte mit dem Zug nach Cartagena in Spanien fahren. Doch auf den Internetseiten der Deutschen Bahn, kann sie keine Verbindung finden. Zum Glück stellt die Stadt seit zwei Jahren, in der Nähe des Rathauses im nüchternen Bau des Sozialamtes, einen Raum für die ehrenamtliche DB-Agentur zur Verfügung. Fahrpläne und Infomaterial mit dem roten Logo der Deutschen Bahn, schmücken Wände und Verkaufstresen. Ilona Klose ist begeistert:
    "Toll, weil ansonsten hätte ich gar keine Möglichkeit<ins cite="mailto:Reimer,%20Jule" datetime="2014-01-29T15:31">,</ins> irgendetwas rauszukriegen."
    Die nächste Kundin ist Karin Pleuß:
    "Ich brauch ne Auskunft, und zwar drei Personen, Bad Zwischenahn – Oldenburg. Gibt es da eine Gruppenkarte oder ein Tagesticket, oder wie läuft das? Einen Moment."
    Auch diese Daten gibt Manfred Hüdersmann in seinen Computer ein. Der pensionierte Lokführer engagiert sich schon seit seiner Jugend ehrenamtlich. Seit einem halben Jahr sitzt er an einem Tresen der Deutschen Bahn:
    "A, weil ich Zeit habe, und B, weil, bei mir war so im Hinterkopf auf diese Art und Weise auch Kontakt zu dem Bürger in Westerstede zu bekommen."
    Und:
    "Dass der eine oder andere überlegt, ich kann die Fahrkarte Vorort kaufen und ich fahre dann eher mit dem Zug, als wenn ich erst nach Oldenburg muss, um mir dort ne Fahrkarte zu holen."
    Weil das niemand möchte, organisiert der Bürgerbusverein das Angebot. Der Seniorenbeirat hatte den Verein um Unterstützung gebeten, denn, so Jens Rowold, der 1. Vorsitzende:
    "Der Beratungsbedarf ist gerade bei älteren Bürgern enorm hoch. Man sieht das auch, wenn man am Automaten sich mal aufhält wie viele ältere Leute dort verzweifeln."
    Und so öffnen zehn Ehrenamtliche montags bis sonnabends von neun bis zwölf Uhr und donnerstags auch am Nachmittag die Türen der Agentur.
    Seit 2012 hat die einen Vertrag mit der Deutschen Bahn. Wie viele Menschen die DB-Freiwilligen schon beraten haben, wissen sie nicht. Nur, dass Westersteder jeden Alters kommen. Dass sie kostenlos für ein Großunternehmen arbeiten, das zumindest im Fernverkehr auch Gewinn machen soll, stört die meisten Ehrenamtlichen nicht. Manfred Hüdersmann gesteht:
    "Pfff, da habe ich mir überhaupt nichts bei gedacht. Eigentlich müsste die Bahn das machen."
    Doch er bezweifelt, dass es sich für die Bahn lohnt. Denn manchmal werden nur drei Fahrkarten am Tag verkauft, manchmal sind es 30. Das ist wahrscheinlich auch der Grund, warum sich in Westerstede kein Reisebüro gefunden hat, das den Service anbietet. Und Jens Rowold erklärt:
    "Die Deutsche Bahn AG ist nach wie vor ein Staatsunternehmen. Es ist nur eine privatrechtliche Organisation als AG. Die Aktien hält nach wie vor zu 100 Prozent der deutsche Staat. Wir arbeiten für unser Unternehmen, die "Deutschen Bahn". Wir fördern hiermit die Mobilität der Bürger der Stadt Westerstede. Und es ist eine ganz andere Motivation. Ich würde nie und nimmer auf die Idee kommen und eine Verkaufsstelle für Karstadt hier eröffnen. Danke."
    Das Problem seien die Ausschreibungen, sagt Rowold, dass:
    "Diese Agenturen nicht vorgeschrieben sind. Also wird jemand, der sich um eine Strecke bewirbt, und dann in dem Vertrag nicht der Unterhalt von Agenturen verpflichtend aufgenommen wird, dann wird er auch keine Agenturen betreiben."
    Da sei die Landespolitik gefragt, dass sie bei Streckenausschreibungen auch den Service verpflichtend vorschreibt. Dennoch könnte die ehrenamtliche Agentur auch ein Aprilscherz sein. Nicht nur, weil sie am 1. April 2012 gegründet wurde, sondern auch, weil die Bahn die Agentur wenig unterstützt. Dabei kann ihr doch gar nichts Besseres passieren als dass Menschen unentgeltlich für sie arbeiten. Doch selbst den Raum und die EDV, stellt die Stadt Westerstede. Und den ausrangierten Verkaufstresen der Bahn mussten die Ehrenamtlichen aus Osnabrück holen. Allein die Schulungen übernimmt die Bahn. Doch nachdem Testkäufer den guten Service gelobt hatten, hat die Bahn den Vertrag mit der Agentur in Westerstede dankend bis 2016 verlängert. - Und was sagen die Kunden? Karin Pleuß findet:
    "Es schon komisch."
    Aber bevor sie nach Bad Zwischenahn oder Oldenburg fahren muss, kauft sie ihre Karten doch lieber in dem 20.000 Seelen zählenden Städtchen Westerstede:
    "Wunderbar, alles klar. Dankeschön. Tschüss."