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Sexismus-Debatte in der Kunst
"Das Museum ist keine pädagogische Anstalt"

Zu viele nackte weibliche Haut ist anstößig. Das finden einige Kuratoren und Museumsbesucher und sorgen für aufgeregte Debatten um abgehängte Bilder. Aber Museen seien keine pädagogischen Anstalten - sie richteten sich an Erwachsene, die sich ein eigenes Urteil bilden könnten, sagt der Museumsdirektor Tobia Bezzola im Dlf.

Tobia Bezzola im Gespräch mit Michael Köhler | 04.02.2018
    Sexismus-Debatte: Galerie in Manchester hängt das Gemälde ab
    Sexismus-Debatte: Galerie in Manchester hängt das Gemälde ab (Britta Schultejans/dpa)
    Die Sexismus-Debatte hat auch die Kunstmuseen erfasst. In Manchester wurde das Gemälde "Hylas und die Nymphen" aus dem Jahr 1896 abgehängt. Die Kuratorin sieht den weiblichen Körper in der Gemäldegalerie als "passiv-dekorativ oder femme fatale" ausgestellt. Rechtfertigt das die Verhüllung? Ist da ein berechtigtes Diskussionsbedürfnis am Werk oder puritanische Zensur? Über abgehängte Bilder zu diskutieren scheint widersinnig. Konsequenterweise müsse man dann weite Teile der westlichen Museen von London bis Rom schließen, sagt Tobia Bezzola, der frühere Museumsdirektor des Essener Museum Folkwang. Er ist seit Anfang des Jahres als Direktor am Kunstmuseum im schweizerischen Lugano tätig.
    Ganze kunstgeschichtliche Epochen, die sich mit der intensivierten Betrachtung des menschlichen Körpers und seiner Leidenschaften befassen, stünden dann unter Verdacht.
    Eine lächerliche Diskussion
    Die zunehmend fehlende Autonomie der Kunst führt Bezzola auf die Pädagogisierung der Museen zurück. Sie unterlägen den Ministerien für Bildung. Dem liege die falsche Unterstellung zugrunde, es handle sich um Bildungseinrichtungen für die Jugend. Das führe dazu, dass Personen für Kultur zuständig seien, die Rubens nicht von Rembrandt unterscheiden könnten, fügt er sarkastisch hinzu. Was Museen aber zeigen, sei nicht zwingend bildend und erzieherisch. Das sei spezifisch für Deutschland und die angelsächsischen Länder. Damit steigen wir aus der Annahme des autonomen Kunstwerks aus.
    Die Diskussion um ein "paar viktorianische Akte" angesichts der Tatsache, dass jeder 12-Jährige sich alles Mögliche aus dem Interner herunterladen könne, wirke da lächerlich, sagt Bezzola.
    Dann bleibt nichts mehr übrig
    Er sieht das Problem, dass weite Teile der fotohistorischen Tradition dann nicht gezeigt werden könne, weil sie als pornografisch eingestuft werden würden.
    Sinnvoll sei die Diskussion, ob man im Museum Schranken schaffe, also Bereiche, die nur für Erwachsen oder in begleiteten Führungen zugänglich seien. Das werde schon in Wechselausstellungen praktiziert.
    Wenn alle erotischen Darstellungen verbannt würden, gebe es nur noch Landschaftsdarstelllungen und Herrscherporträts. Das wäre dann aber auf Dauer auch langweilig.