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Beschäftigte protestieren gegen Konzernumbau

Noch ist der Poker um Alstom nicht entschieden, doch für die Siemens-Beschäftigten scheint schon jetzt klar zu sein: Sie sind die Verlierer. Entsprechend lautstark haben sie heute ihren Unmut in München kundgetan.

Von Michael Watzke | 23.05.2014
    Ein Mann in einer Industriehalle ist von hinten zu sehen. Auf seinem T-Shirt steht der Aufdruck "Alstom".
    Siemens-Mitarbeiter fürchten um ihre Arbeitsplätze. (picture alliance / dpa / Paul Boursier)
    Die Schonzeit ist vorbei für Joe Kaeser, den seit knapp einem Jahr amtierenden Siemens-Chef. Das demonstrierten heute 800 wütende Arbeiter des konzern-eigenen Lokomotiven-Werks in München-Allach.
    "Wir brauchen nicht mehr die Lippenbekenntnisse eines Joe Kaeser, der uns letztes Jahr noch gesagt hat: 'Die Bahntechnik gehört dazu!' Der gesagt hat: 'Ich sorge für Ruhe in diesem Laden, in diesem Konzern!' Nichts davon hat er eingehalten, gar nichts. Und deshalb ist jetzt Schluss mit Worten! Damit die endlich merken, dass sie die Rechnung ohne den Wirt gemacht haben!"
    Martin Kimmig von der IG Metall München attackierte nicht nur Kaesers Einsparpläne von einer Milliarde Euro bis 2016, sondern auch eine mögliche Fusion von Siemens mit Alstom. Das französische Technologie-Unternehmen baut ebenso wie der deutsche DAX-Konzern Lokomotiven. Nicht nur die Münchner Siemens-Mechatronikerin Melanie Huber fürchtet deshalb:
    "Dass wir hier, wenn wir von Alstom übernommen werden, bald keinen Arbeitsplatz mehr haben. Wenn wir zu Alstom gehören – denen geht's genauso schlecht wie uns – die werden dann die Auftragsspitzen oder unsere Aufträge für ihre Unterauslastung ausnutzen."
    Die Angst vor den Franzosen ist bei den Siemens-Beschäftigten in ganz Deutschland zu spüren. In Krefeld hielten Arbeiter Plakate hoch, auf denen durchgestrichene Baguettes zu sehen waren. In Erlangen forderte IG-Metall Bezirksleiter Jürgen Wechsler vor 1.000 Siemensianern Konzern-Chef Kaeser dazu auf, um jeden Arbeitsplatz zu kämpfen.
    In Berlin attackierte IG-Metall-Bundesvorstand Jürgen Kerner vor mehreren Hundert Demonstranten die Siemens-Sparpläne. Kerner ist auch Mitglied im Siemens-Aufsichtsrat. Im Lokomotiven-Werk Allach in München wies Arbeiter Amir Seferovic auf die Opfer hin, die die Siemens-Belegeschaft bereits in den vergangenen Jahren gebracht habe.
    "Wir haben in den Zeiten des Auftragsbooms Überstunden ohne Ende geschoben. Nur damit unsere Loks pünktlich rausgehen. Wir haben im letzten Jahr einen herben Personalabbau klaglos über uns ergehen lassen. Damit wir das beste Lokomotivenwerk Europas werden. Und wofür das alles? Damit sie uns jetzt an Alstom verschenken, dafür!"
    Noch ist es nicht so weit. Die Verhandlungen von Alstom mit Siemens und dem US-Konkurrenten General Electric dauern an. Ende offen. Und bei vielen Siemens-Mitarbeitern genießt Joe Kaeser Vertrauen – trotz des heutigen Protest-Tages.
    "Viele waren schon auch froh, dass es wieder ein Siemens-Interner ist mit dem Herrn Kaeser, und Herr Kaeser hat auch sehr viel Öffentlichkeitsarbeit gemacht, was bei den Kolleginnen und Kollegen durchaus gut angekommen ist. Ich glaube, man muss auch Vertrauen haben in einen Vorstand. Aber wir wissen leider auch, dass es sehr viel Veränderung geben wird. Und wir haben leider auch Vertrauen darin, dass wir befürchten müssen, dass das einen Arbeitsplatzverlust bedeutet."
    Genaue Informationen über einen möglichen Stellenabbau will Siemens erst in den nächsten Wochen verkünden.

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