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"Solche Produkte sind überhaupt nicht notwendig"

Seit gestern müssen mit Biozid-Zusätzen ausgerüstete Produkte gekennzeichnet werden. Jetzt sei es wichtig, dass die Verbraucher ihr Recht auch nutzten, erklärt Susanne Smolka vom Pestizid-Aktions-Netzwerk PAN - und entsprechende Produkte nicht kaufen.

Susanne Smolka im Gespräch mit Jule Reimer | 02.09.2013
    Jule Reimer: Seit gestern müssen alle EU-Mitgliedsstaaten die neue Biozidverordnung der Europäischen Union anwenden. Diese gibt Verbrauchern auch neue Rechte. Verbunden bin ich jetzt mit Susanne Smolka vom Pestizid-Aktions-Netzwerk in Hamburg. Kurz genannt "PAN" ist dieses Aktionsnetzwerk ein eingetragener Verein, der sich der Chemiepolitik und der kritischen Begleitung von chemischen Produkten verschrieben hat. Susanne Smolka, was sind überhaupt Biozide?

    Susanne Smolka: Biozide sind Chemikalien, die stecken in ganz vielen Produkten, zum Beispiel antibakteriellen Reinigern, Desinfektionsmitteln, aber auch im Holzschutzmittel oder in Schädlingsbekämpfungsmitteln.

    Reimer: Geben Sie Beispiele für Produkte?

    Smolka: Zum Beispiel das klassische Mottengift mit Pyrethroiden, oder das T-Shirt, was gegen lästigen Geruch mit Silberpartikeln ausgerüstet worden ist, oder das antibakterielle Schneidbrettchen. Es werden immer mehr solche Gegenstände angeboten, wo Biozide drin stecken, die dann der Hygiene dienen sollen, und das ist jetzt neu in der überarbeiteten Gesetzgebung, dass diese Gegenstände, die nicht selbst ein Biozid sind, aber dort, wo Biozide drin stecken, dass die mit berücksichtigt werden. Das ist ganz wichtig, wenn solche Gegenstände wie, sagen wir mal, der Teppich oder das Ledersofa aus Nicht-EU-Ländern eingeführt werden in die EU. Zukünftig dürfen nur noch solche Biozide verwendet werden, die in der EU geprüft wurden.

    Reimer: Steht das denn auf den Produkten drauf? Ist das kenntlich für mich?

    Smolka: Leider nicht immer. Wir haben uns dafür eingesetzt, für eine allgemeine Kennzeichnungspflicht. Wenn der Hersteller sagt, es ist antibakteriell, dann muss draufstehen, was drin ist. Aber wenn es sich, sagen wir mal, nur um Konservierungsmittel handelt, dann nicht unbedingt. Die Behörde wird dann prüfen und entscheiden. Deswegen ist es ganz wichtig, dass jetzt das Verbraucherrecht auch genutzt wird, nämlich kritisch nachzufragen. Ab gestern haben die Verbraucher endlich das Recht, wirklich im Handel und die Lieferanten zu fragen, was ist in dem Gegenstand drin, sind da Biozide drin, welche sind da drin und wieso.

    Reimer: Sie haben ja bereits angedeutet, das sind ganz unterschiedliche Zusätze. Woher weiß ich denn, ob die schädlich sein können? Erst einmal würde ich davon ausgehen, wenn das zugelassen ist, dann sind die doch gar nicht schädlich.

    Smolka: Also wir schätzen, dass die Behörden noch mindestens zehn Jahre brauchen, um überhaupt die Wirkstoffe alle abzuprüfen. Es gibt also Übergangsregeln. Das heißt, das was jetzt mit antibakteriell beworben wird, ist noch nicht geprüft. Auch nicht hinsichtlich der Wirksamkeit des Schutzes, des Hygieneschutzes. Das ist also ein Problem. Und außerdem sind solche Produkte unserer Meinung nach überhaupt nicht notwendig, weil wenn man so die klassische Hygiene macht mit Hände waschen und Scheuermilch benutzen, reicht das völlig aus. Wir empfehlen in unserem aktuellen Verbraucherratgeber, den wir dafür auch zur Verfügung stellen, Biozide erkennen und die Produkte gegebenenfalls auch wirklich im Regal stehen lassen.

    Reimer: Es gibt eine neue EU-Biozidverordnung, die auch den Unternehmen stärkere Auskunftspflichten auferlegt. Das war Susanne Smolka vom Pestizid-Aktions-Netzwerk PAN. Danke für diese Informationen.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.