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Sommerreihe Lieblingsorte
Gumpen in der Walchenklamm

Er ist weder sehr einfach zu finden, noch einfach zu erreichen - der Lieblingsort Dlf-Bayern-Korrespondent Tobias Krone. Und während andere dort vor allem den Adrenalin-Kick finden wollen, sucht er einen philosophischen Zugang zu seinem Bundesland - und geht dem Geheimnis der Gumpen auf den Grund.

Von Tobias Krone |
    Seinsbachklamm im Karwendelgebirge, nahe Garmisch-Partenkirchen, Bayern, Oberbayern, Deutschland, Europa
    Eine Klamm - eine besonders schmale, ins Felsgestein eingeschnittene Schlucht (imago stock&people)
    Es ist ein gewöhnlicher Wander-Parkplatz an der Bundesstraße, in der Nähe des Achenpasses auf etwa 800 Höhenmetern. Ein enges Tal, ringsum Wald, das Handy heißt einen schon einmal vorsorglich in Österreich willkommen. Dieser Touristenpfad ist eigentlich ziemlich ausgelatscht.
    20 Kilometer nach Norden verschanzt sich am Tegernsee der Geldadel hinter alpenländisch kitschiger Jodelarchitektur, 20 Kilometer nach Süden ist der Achensee in Tirol. Dort kann man Schnitzel essen und günstig tanken. Wer hier im Porsche einfach nur vorbeifährt, ahnt nicht, dass einen gleich nebenan ein rauschhaftes Erlebnis erwartet: die Gumpen.
    Ein Ort, der sein Geheimnis wahren soll
    "Eine Gumpe ist eigentlich, wenn ein Bergfluss vom Berg runterfließt, viel Wasser mitbringt und macht dann ein Loch in den Felsen. Und das wird tiefer und tiefer, wird ausgegraben, da sammelt sich das Wasser und das ist dann eine Gumpe."
    Dieser braungebrannten Familienmutter, die aus der Umgebung stammt, war ein Interview nur nach längerer Verhandlung abzuringen - unter der Bedingung, dass weder ihr Name, noch die exakte Ortsangabe irgendwo auftaucht.
    "Weil's ein Naturevent ist und weil's so bleiben soll, wie es ist."
    Wasserloch, Gumpen, Gebirgsbach, Naturschutzgebiet Schronbachtal, im Isarwinkel, bei Lenggries, Oberbayern, Bayern, Deutschland
    Eine Gumpe - ein vom Wasser ausgewaschenes tiefes Loch in einem Bach oder Fluss (imago stock&people)
    Vor allem für Journalisten gilt eine ungeschriebene Regel: Seinen Lieblingsort verrät man nicht. Aber erstens hat ihn schon so gut wie jedes Bergsportmagazin in der Rubrik "Fun & Action" ausgeplaudert und zweitens geht es mir nicht allein um Fun und Action, sondern um einen philosophischen Zugang zu meinem oft so eigenbrötlerischen und verschlossenen Bundesland.
    Ein Abenteur für Generationen
    Bayern muss man sich selbst erschließen - sinnlich darin eintauchen. Und hier in der Walchenklamm, in der sich die Elemente Wasser, Fels und Luft so rasch abwechseln, bleibt einem gar nichts anderes übrig als einzutauchen. Es ist im Prinzip wie in einem Bierzelt, nur viel einsamer. Ein Erlebnis für Alt - und vor allem für Jung.
    "Als Kinder haben wir das öfter betrieben. Als Erwachsene ist mir jetzt ziemlich kalt. Ich muss es nicht mehr haben, auch das Abenteuer nicht mehr so brutal." - "Aber jetzt sind Sie mit den eigenen Kindern da." - "Jetzt bin ich mit den eigenen Kindern da. Und für die ist es wieder ein Abenteuer. Für uns war's auch ein Abenteuer."
    Hinein in die absolute Stille
    Das Abenteuer beginnt ziemlich harmlos an einem kleinen, kniehohen Bächlein, zu dem man allerdings erstmal über einen Waldpfad, vorbei an Blaubeerbüschen, und über eine Geröllhalde hinabsteigen muss. Trittsicher sollte man sein - und am besten Badeschuhe tragen. Die schützen vor spitzen Steinen, schwimmen besser als Bergstiefel - und außerdem gibt es hier in diesem Niedrigwasserjahr ein paar kleine Sumpflöcher, die etwas gierig sind.
    Am einfachsten watet man durch den Bach flussaufwärts, während sich die Badeschuhe angenehm mit kleinen Steinchen füllen. Bald wird er tiefer, Bauchtief, halstief...
    In den Gumpen sammelt sich das Wasser, teilweise einige Meter hoch. Hier heißt es schwimmen. Ehe ich mich versehe, bin ich umgeben von hohen Felswänden, - eigentümlich ausgehöhlt wie Schädelknochen. Ich schwimme durch die enge Klamm wie durch eine Grotte, mal grau, mal rostrot, das Wasser klar und saphir-grün - hier herrscht eine absolute, fast gespenstische Stille, aller Lärm des Tages wird geschluckt.
    Sommer in seiner rohesten und reinsten Form
    Man sollte immer wieder mal nach oben blicken, denn auch bei Jugendlichen sind die Felsen beliebt. Von 1 bis 10 Metern Sprunghöhe ist für jeden Adrenalinkick etwas dabei. Mir allerdings wird es jetzt zu kalt. An einer Stromschnelle kraxele ich ans Ufer - und lege mich auf einen großen flachen Stein, von dem mir die Wärme des Sommers entgegenströmt. Ich schaue nach oben in den Himmel, genieße den Augenblick völliger Geborgenheit. Das ist Sommer in seiner rohesten, reinsten Form. Und oft auch in seiner kürzesten.
    Selbst in diesem August kommt hier oben schnell mal ein Gewitter vorbei. Gut, dass es zum Parkplatz nur wenige Meter sind - um sich dann tiefenentspannt in die Blechlawine Richtung München einzureihen.