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Sumo in Japan
Neuer Botschafter eines alten Sports

Im Sumo, der traditionsreichsten der japanischen Sportarten, trat vor kurzem mit Hakuho der größte Ringer aller Zeiten zurück. Im ostasiatischen Land drängt sich die Frage auf, wie es im kriselnden Sumo wohl weitergeht.

Von Felix Lill |
Der neue mongolische Yokozuna Terunofuji führt ein Ritual zum Ringeintritt durch
Der neue Yokozuna Terunofuji will nun ein neuer Botschafter eines sehr alten Sports werden: Sumoringen (picture alliance / ASSOCIATED PRESS)
Es war ein Moment der Erleichterung, als Terunofuji seinen Gegner Wakatakakage aus dem Ring gedrängt hätte. Am Dienstag, dem dritten Wettkampftag des derzeit im südwestjapanischen Fukuoka laufenden Turniers, bestätigte der 29-jährige Terunofuji damit seine Favoritenrolle.
Wobei die eigentlich klar sein müsste: Er ist der einzige aktive Ringer mit dem höchsten Rang des Yokozuna. Als Großmeister in Japans traditionsreichster Sportart hat der 184 Kilo schwere Ringer damit auch religiöse Bedeutung.
"Seit ich Yokozuna geworden bin, denke ich natürlich viel mehr an die Verantwortung, die ich jetzt habe. Und dass es weiter aufwärts gehen muss. Für das jetzige Turnier kann ich allerdings nicht mehr tun, als mich seriös vorbereiten. Aber das tu ich auch." Das sagte Terunofuji in einem Interview mit dem Youtubekanal des Sumoverbands kurz vor dem derzeitigen Turnier.

Der Yokozuna: Weit über den Sport hinaus ein Star

Seit rund 2.000 Jahren existiert der Sport, bei dem sich zwei Ringer gegenseitig von den Beinen oder aus dem Ring drängen wollen. Seinen Ursprung hat Sumo in der japanischen Urreligion Shinto, wurde irgendwann zu einem Teil des kaiserlichen Hofzeremoniells. Seit rund 300 Jahren existiert der Ehrentitel des Yokozuna, den bisher nur 73 Ringer erhalten haben.
Ein Yokozuna ist weit über den Sport hinaus ein Star. Eltern junger Kinder freuen sich, wenn ein so erfolgreicher Ringer am Rande von Turnieren die Heranwachsenden auf den Arm nimmt. Es soll Reinheit bringen und Glück spenden.

Yokozuna Hakuho trat im Sommer zurück

Um Yokozuna zu werden, muss man in der Regel zweimal hintereinander eines der jährlich sechs nationalen Turniere gewinnen; dann macht ein Gremium einen Vorschlag. Doch als Terunofuji befördert wurde, hatte er beim Wettbewerb in Nagoya im Juli nur den zweiten Platz belegt.
Aber die Suche nach einem Großmeister war eben groß. Denn auch im Juli beschloss der größte Yokozuna aller Zeiten seinen Rücktritt: "Ich habe mit meinem Stallmeister gesprochen und er hat mir erlaubt, mich vom aktiven Sumo zurückzuziehen." Diese Worte des Ringers Hakuho sind von Anfang Oktober. Intern beschlossen hatte er sein Karriereende aber schon im Juli, eben zu dem Zeitpunkt, als Terunofuji flugs befördert wurde:
"Entschieden habe ich meinen Rücktritt beim Turnier in Nagoya im Juli. Es ist eine sehr schwere Entscheidung gewesen. Im letztem Jahr hatte ich eine Operation, dann kam die Corona-Pandemie. Dann hatte ich im März wieder eine Knie-OP. Das Knie schmerzte immer mehr."

Hakuho war das Äquivalent zu Messi und Ronaldo

Einen wie Hakuho hat es in diesem Sport noch nie gegeben. 45 Turniere in 20 Karrierejahren hat der gebürtige Mongole gewonnen. Hakuho ist damit ein Äquivalent zu Messi und Ronaldo im Fußball oder Federer, Nadal und Djokovic im Tennis. Nur dass er diesen Thron eben nicht teilen muss. Den Rang des Yokozuna hat Hakuho 14 Jahre lang besetzt.
Auch sich so lange an der Spitze zu halten, ist einzigartig. Skandale um Alkoholmissbrauch und unfaires Verhalten führten schon zu Rücktritten. Und wer mehrmals hintereinander nicht gewinnt, wird ebenso zum Abtreten gedrängt. Denn Verlierer gelten des erhabenen Ranges als nicht mehr würdig.
Wie groß auch der soziale Druck ist, der auf einem Yokozuna lastet, deutete der 36-jährige Hakuho rund um seinen Rücktritt selbst an: "Ich bin sehr nervös, aber jetzt auch sehr erleichtert über die Entscheidung."

Rücktritt: eine Frage des Timings

Lange habe er über das Timing seines Rücktritts nachgedacht, da sein Sport und ganz Japan in turbulenten Zeiten steckten. Im Vorlauf der Olympischen Spiele von Tokio, die im Sommer inmitten der Pandemie gegen viel öffentliche Opposition stattfanden, wollte der Athlet nicht die Aufmerksamkeit auf sich ziehen. So hat er trotz wiederholter Knieoperationen vorerst weitergekämpft.
Ein weiterer Grund, warum Hakuho erst später zurücktrat als offenbar gewollt, ist die Lücke, die er hinterlässt. Zwar könnte man vermuten, dass es jedem Wettkampf gut tut, wenn es eben keine klare Dominanz gibt, sondern belebte Konkurrenz. Im Sumo aber besteht zugleich der Wunsch, dass zumindest ein aktiver Ringer den ehrwürdigen Rang des Yokozuna bekleidet.
"Ich habe mir natürlich immer wieder Sorgen gemacht, ob ich mein Niveau halten könnte. Manchmal fühlte ich mich auch zu leicht", sagte der neue Yokozuna Terunofuji in diesem Sommer. "Aber ich hab mich weiterentwickelt. Vor ein paar Jahren hab ich noch viel Alkohol getrunken. Heute trainiere ich viel seriöser, bin jeden Tag vom Krafttraining erschöpft und ruhe mich aus."
Inwieweit er sportlich die Lücke schließen kann, ist aber weiterhin unklar. Seinen letzten Kampf gegen den verletzungsgeschwächten Hakuho verlor Terunofuji.

Bedeutung des Sumo hat nachgelassen

Seit Jahrzehnten kämpft Sumo gegen schwindendes Interesse unter jüngeren Leuten. Nach Empörungen um illegale Wetten, Drogenkonsum und Gewalt hat das Ansehen des eigentlich um Fairness und Respekt bedachten Sports nachgelassen. Gleichzeitig sind die Stars im Baseball und vor allem Fußball für den Nachwuchs von heute die deutlich attraktiveren Vorbilder.
Terunofuji will nun ein neuer Botschafter eines sehr alten Sports werden. Als der wie Hakuho gebürtige Mongole letztens gefragt wurde, was sein Lieblingssprichwort auf Japanisch sei, sagte er: "yarebadekiru". Bedeutet so viel wie: "Erst wenn man es versucht, kann man es schaffen".