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Sport in den Koalitionsgesprächen
Das Kanzleramt als Wunsch-Heimat

Die Koalitionsverhandlungen im Bund bedeuten auch eine mögliche Bruchstelle für die Sportpolitik. Die müsse den Sport als "Mittel zur Gestaltung der Gesellschaft ernst nehmen", sagte Friedhard Teuffel vom Landessportbund Berlin im Dlf. Er wünscht sich, dass der Sport "ressortübergreifend gedacht wird".

Friedhard Teuffel im Gespräch mit Marina Schweizer |
Kinder laufen über eine Laufbahn, zu sehen sind nur die Beine, unscharf.
Sport sei ein" wirksames Mittel zur Gestaltung der Gesellschaft", sagte Friedhard Teuffel, Direktor des Landessportbundes Berlin, im Dlf. (Thomas Imo/imago)
Aus Sicht vieler Verantwortlicher hat der Sport in der Corona-Pandemie nicht genug Aufmerksamkeit bekommen. Doch auch schon vor Corona gab es Klagen über marode Sportstätten und fehlende Wertschätzung. Mit dem Regierungswechsel in Deutschland kommt nun auch eine Bruchstelle für die Sportpolitik. Aber nicht nur im Bund, denn auch in Berlin laufen aktuell Koalitionsverhandlungen.
Der Berliner Landessportbund hat deshalb einen offenen Brief an die verhandelnden Parteien in Berlin geschrieben und einen höheren Stellenwert für den Sport verlangt. "Es ist ein Appell, den Sport als wirksames Mittel zur Gestaltung der Gesellschaft ernst zu nehmen und auch anzunehmen, um die Stadt Berlin weiterzuentwickeln", sagte Friedhard Teuffel, Direktor des Landessportbundes Berlin, im Dlf. "Der Sport bietet da unglaublich viele Potenziale, die zuletzt einfach nicht genutzt worden sind und in der Pandemie schon einmal gar nicht. Darauf wollten wir mit diesem offenen Brief hinweisen."

Sportstättenbau "nicht zu Ende gedacht"

Genau wie in anderen Städten seien auch in Berlin die Sportstätten marode. Zwar gebe es eine Schulbauoffensive, in deren Zuge auch viele Sportstätten gebaut würden. Allerdings sei es dabei zu Planungsfehlern gekommen, etwa beim Thema Inklusion. "Man baut eine Sporthalle zweistöckig, um Platz zu sparen, was ja gut ist. Aber wenn man dann da die Umkleiden und Duschen im ersten Stock ansiedelt, ist das für Rollstuhlfahrerinnen und Rollstuhlfahrer unglaublich schwer. Wie soll sich da in einer kurzen Zeit eine komplette Rollstuhlbasketballmannschaft umziehen? Das ist einfach nicht zu Ende gedacht."
Das Bild ist vom Besucherrang aus gemacht; man sieht unten die Teilnehmer an halbrunden Tischen und oben Zuschauer auf der Tribüne. Von der Decke hängt eine viereckige Digitaluhr herab.
„Sportstättensanierung wird ein großes Thema sein für Politik und Sport“
Dass in der kommenden Legislaturperiode der Klimaschutz und die Sanierung von Sportstätten wichtig Themen werden, das stehe fest, meint Bianka Schreiber-Rietig im Dlf.
Im Bund sei die Situation theoretisch besser, sagte Teuffel. "Der Bund ist auch bereit, in den kommunalen Sportstättenbau zu investieren und tut das auch." Allerdings sei das noch nicht in der Dimension umgesetzt, "wie wir uns das im Sport insgesamt erhofft haben".
Tatsächlich hat sich der Sporthaushalt im Bund in den vergangenen zehn Jahren fast verdoppelt. "Der Sport hat einen Lauf", sagte Teuffel, fügte aber an: "Dieser Lauf kann aber noch nicht zu Ende sein. Vor allem ist das Ziel noch eine gute Strecke entfernt. Es darf den Bund auch nicht nur um den Spitzensport gehen, sondern was wir uns erhoffen ist, dass der Sport ressortübergreifend gedacht wird. Also nicht nur als Sport in der Sportabteilung, sondern das er genutzt wird als Mittel zur Gesundheitsförderung, als Bildungsinstrument, als sozialer Verstärker. Das sind Dinge, die vom Bund noch viel stärker in den Fokus genommen werden könnten."

Wunsch: Sport ins Kanzleramt bringen

Deshalb sei es auch ein Wunsch, den Sport in Form eines Staatsministerin oder eines Staatsministers in Bundeskanzleramt zu bekommen, die oder der den Sport ressortübergreifend bearbeiten könnte. So wie es auf Landesebene etwa in Nordrhein-Westfalen der Fall ist. "Das wäre wirklich ein großer, großer Schritt nach vorne." Perfekt wäre laut Teuffel eine Person, die "begeistert wäre von den Werten des Sports und auch genau weiß, wo die Potentiale liegen".
Der SPD-Poltiker und Biathlon-Olympiasieger Frank Ullrich steht in einem Stadion.
Zwei Olympiasieger in den Bundestag gewählt
Mit Frank Ullrich schlägt ein Biathlon-Olympiasieger den ehemaligen Verfassungsschutzpräsidenten Hans-Georg Maaßen und zieht in den Bundestag ein. Der SPD-Politiker könnte nun neues Mitglied im Sportausschuss werden.
Personell habe Teuffel mit Blick auf eine mögliche Ampel-Koalition keine Bedenken. "Ich glaube, es geht darum, dass die handelnden Personen gut miteinander können. Das war etwas, was gerade zum Ende der vergangenen Legislatur nicht mehr gut geklappt hat zwischen Bundesinnenministerium, Deutschen Olympischen Sportbund und Vorsitz des Sportausschusses des Bundestags. Da hat es am Ende eigentlich nur noch gerumpelt und gekracht. Und das war sehr ärgerlich, weil dadurch einiges an Potenzial liegen geblieben ist."

Olympia-Bewerbung nur mit "neuem Konzept"

Die neue Berliner Regierung sei laut Teuffel nun diejenige, die die Weichen stelle für eine mögliche Bewerbung um Olympische und Paralympische Spiele. "Wenn es eine Bewerbung geben sollte, dann natürlich nur mit einem neuen, kreativen Konzept. Die gegenwärtige Frage lautet natürlich immer: Was bringt mir das? Was habe ich davon? Und da muss eine Olympia-Bewerbung wirklich Antworten liefern und zeigen, dass wir nicht einfach zwei Wochen Party machen. Entscheidend ist im Grunde Tag eins nach den Spielen, weil dann wird genau sichtbar, was die Spiele eigentlich gebracht haben und was ihr Erbe sein wird."
Konkret wünscht die Teuffel "die Offenheit, den Sport und solche Ereignisse nicht nur als reines Event zu sehen, sondern als Möglichkeit zur Gestaltung. Das erhoffe ich mir von der nächsten Koalition, sowohl auf Landes- als auch auf Bundesebene."