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Sprachförderung in Berlin
Sprachtest bereits ab vier Jahren

Fast die Hälfte der Kinder mit Migrationshintergrund in Berlin hat bei der Einschulung Sprachdefizite. Deswegen sollen jetzt auch schon Vierjährige Sprachtests absolvieren, der Senat hat den Test ein halbes Jahr vorgezogen. Die Regelung nimmt besonders die Kitas in die Pflicht.

Von Verena Kemna | 14.01.2015
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    Sprachförderung soll in den Berliner Kitas "alltagsintegriert" passieren. (Uli Deck/dpa)
    Zwei Jungs, etwa drei Jahre alt, schaukeln nebeneinander. Die beiden sprechen türkisch. Sie sind nicht die einzigen in der Kindertagesstätte Sankt Thomas in Berlin Kreuzberg, die mit ihren Eltern nicht Deutsch sprechen. Fast die Hälfte der 40 Kinder im Alter zwischen ein und sechs Jahren lernen zuhause arabisch oder türkisch, sie sprechen kurdisch, aber auch spanisch, französisch oder dänisch, erklärt Isa Dubois. Sprachförderung soll in den Berliner Kitas "alltagsintegriert" passieren, so heißt es im Bildungsprogramm des Berliner Senats. Isa Dubois, selbst gelernte Sprachtherapeutin, erklärt, was hinter dem sperrigen Begriff steckt. Alle Betreuer sind angehalten, möglichst viel mit den Kindern zu sprechen, ob beim Anziehen oder beim Tischdecken, eben in jeder ganz alltäglichen Situation.
    "Man hat eben den Teller wirklich und das Besteck und was man braucht und das ist sinnvoll. Also das ist das, wo wir dran arbeiten, dass jeder sprachliche Zuwendung kriegt und wo wir gucken können, wo die Kinder stehen, gerade Kinder, die Deutsch erst lernen."
    Untersuchungen zufolge hat fast die Hälfte der Migrantenkinder bei der Einschulung Sprachdefizite. Dabei haben Kinder, die mindestens drei Jahre lang eine Kita besucht haben, offensichtlich weniger Probleme mit der Sprache. Nach dem Bildungsprogramm des Berliner Senats müssen ab diesem Jahr auch die zwei Prozent der Berliner Kinder, die keine Kita besuchen, eineinhalb Jahre vor der Einschulung täglich fünf Stunden zur Sprachförderung zur Kita gehen. Für alle Kinder ist nun ein Sprachtest im Alter von vier Jahren vorgeschrieben, ein halbes Jahr früher als bisher. In der Kindertagesstätte Sankt Thomas bringen die neuen Vorgaben des Berliner Senats kaum Veränderung. Leiterin Christiane Giese erklärt, dass der Sprachtest, im Fachjargon "qualifizierte Statuserhebung" genannt, seit Langem gut funktioniert. Dabei werden sie einzeln betreut. Sie sollen Reime bilden und Geschichten nacherzählen und vieles mehr.
    "Bildbeschreibung, Hören, also ob sie dann wirklich wahrnehmen, wo im Raum Geräusche sind. Rhythmus, ob sie Lieblingslieder haben, Lieblingsbücher, diese Dinge werden erfragt."
    Auch die größtmögliche Förderung hat Grenzen
    In der Kita Sankt Thomas in Berlin-Kreuzberg erreichen in der Regel fast alle Kinder die erforderliche Punktzahl. Ausnahme sind Kinder mit beispielsweise besonderen logopädischen Problemen. Seit einigen Jahren müssen alle Kita-Erzieher für jedes Kind ein sogenanntes Sprachlerntagebuch führen. Da werden Fortschritte beim Sprechen eingetragen, Geschichten aus der Familie, Vorlieben der Kinder. Doch auch bei der größtmöglichen Sprachförderung gibt es Grenzen, sagt Sprachtherapeutin Isa Dubois.
    "Wir haben die Kinder besonders im Blick und bemühen uns auch besonders um sie, aber, es ist ganz klar, wir müssen hingucken, wo unsere Grenzen sind. Wo es nötig ist, ein Elterngespräch zu führen und wo man empfiehlt, mit dem Kinderarzt zu sprechen und ob es ein Bedarf ist, den man mit Förderung nicht lösen kann, sondern wo wirklich ein Sprachentwicklungsproblem da ist."
    Christiane Giese ist froh, dass Isa Dubois das Team der sechs Teilzeiterzieher in Sankt Thomas unterstützt. Da hier 18 von 40 Kitaplätzen mit Migrantenkindern besetzt sind, kann sie sich die Stelle der Sprachtherapeutin aus Bundesmitteln fördern lassen. Christiane Giese freut sich über jeden zusätzlichen Mitarbeiter. Denn Sprechen lernen braucht vor allem Zeit und viel Zuwendung. Der Betreuungsschlüssel sieht derzeit für zehn Kinder einen Erzieher vor. Zu wenig, meint Kitaleiterin Christiane Giese. Sie wünscht sich:
    "Eine grundsätzliche Veränderung und die heißt wirklich, mehr Personal in der Kindertagesstätte."