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Sprachzeugnis für Flüchtlinge
Eintrittskarte für ein Studium in Deutschland

Ab dem kommenden Wintersemester kann ein Teil der Flüchtlinge, die 2015 nach Deutschland gekommen sind, sich an den Universitäten einschreiben. Voraussetzung ist ein Sprachzertifikat, das den Abschluss eines 18-monatigen Kurses belegt. Jetzt erhalten die ersten Flüchtlinge diese Sprachzeugnisse.

Von Christoph Richter | 30.06.2017
    «Deutsch» steht in großen Buchstaben und der Deutschlandfahne in einem Klassenraum für Flüchtlingskinder der Astrid-Lindgren-Grundschule in Frankfurt (Oder) (Brandenburg) an einer Wand, aufgenommen am 02.11.2016.
    Integration von Flüchtlingskindern (dpa / picture alliance / Patrick Pleul)
    Musik und festliche Stimmung bei der Zeugnisübergabe gestern am späten Nachmittag an der Hochschule Anhalt in Köthen, das liegt auf halber Strecke zwischen Magdeburg und Leipzig. Im Hörsaal 211 bekommen Flüchtlinge, die demnächst studieren wollen, das entscheidende Sprachzeugnis, das DSH-Zertifikat. Denn: Nur wer die sogenannte Deutsche Sprachprüfung für den Hochschulzugang – kurz DSH – besteht, darf als Nicht-Muttersprachler in Deutschland auch studieren. Es ist damit so etwas wie die Eintrittskarte für ein Voll-Studium an einer deutschen Hochschule. In Sachsen-Anhalt wird es vom Landesstudienkolleg an der Hochschule Anhalt organisiert.
    "Ja, genau, dass müssen wir feiern. Endlich haben wir das Sprachzeugnis", jubelt der 20-jährige Miran Mesto. Er kommt aus Hasaka im Nordosten Syriens. Gelernt hat er sein Deutsch aber nicht nur im Sprach-Kurs erzählt er. "Ich empfehle, wenn man gut Deutsch lernen möchte, dass man immer Radio hört, das hilft."
    Ab Herbst möchte Miran Mesto Biomedizintechnik studieren. Neben ihm steht die 32-jährige Nadja Al-Najar. Auch sie hat die Sprachprüfung bestanden. Zusammen mit ihrem Mann und dem kleinen Sohn ist sie vor dem Krieg in Syrien nach Deutschland geflohen. Der Weg führte sie 2015 aus Daraa an der jordanischen Grenze, über Beirut, Istanbul und die Balkan-Route nach Sachsen-Anhalt.
    "Also, ich habe Landwirtschafts-Ingenieur in Syrien studiert und will jetzt hier einen Master machen."
    In Köthen haben im Januar 2016 22 Flüchtlinge – meist Syrer – angefangen Deutsch zu lernen. 15 von ihnen haben jetzt – also mehr als die Hälfte - die schwere Sprachprüfung bestanden. Innerhalb von nur 18 Monaten haben sie Deutsch gelernt, also von null auf hundert. Das heißt, vorher kannten die Geflüchteten kein einziges deutsches Wort, jetzt können sie – heißt es - problemlos einer deutschen Vorlesung folgen. Dazu mussten sie insgesamt über 1.000 Stunden Deutsch büffeln. Ein echter Kraftakt. Neben dem Sprachkurs hat man auch Exkursionen gemacht, um Land und Leute kennen zu lernen, ein Thema war auch der akademische Alltag hierzulande.
    Technische Studien bevorzugt
    Jetzt geht es weiter, alle wollen studieren, zumeist in Sachsen-Anhalt. Ein Gewinn für beide, sowohl für das Land als auch für die Flüchtlinge. Ganz oben auf der Wunschliste stehen Informatik, Wirtschaft und Technik. Nach Angaben der Hochschule Anhalt hat ein Drittel der syrischen Sprachschüler in der Heimat noch zu Friedenszeiten ein Studium begonnen beziehungsweise dort einen Bachelor gemacht.
    "Das heißt, die sind hervorragend geeignet, hier jetzt ihr Studium zu beginnen beziehungsweise fortzusetzen", erzählt Tristan Dornberger, er ist der Flüchtlingskoordinator an der Hochschule Anhalt. Und nennt das ganze Projekt auch "Wirtschaftsförderung für die Region. Und Entwicklungshilfe für die Leute. Damit sie vielleicht unter Umständen wieder ihr Land aufbauen können."
    Für Präsident Jörg Bagdahn von der Hochschule Anhalt - die sich rühmt den bundesweit höchsten Anteil ausländischer Studentinnen und Studenten zu haben - sind die sprachlich fit gemachten Flüchtlinge ein Meilenstein in Sachen Integration. Denn die zukünftig neuen Kommilitoninnen und Kommilitonen seien auch Multiplikatoren und Vermittler ihrer Kultur. Dennoch – mahnt Ingenieur Jörg Bagdahn – ein deutsches Studium sei kein Zuckerschlecken.
    "Das ist ein langer Weg. Und braucht vielleicht auch ein paar deutsche Grundtugenden: Disziplin, Fleiß, Durchhaltevermögen. Um dann erfolgreich zu sein."
    An der Hochschule Anhalt – mit ihren drei Standorten Köthen, Bernburg und Dessau - haben jetzt erst mal 15 Flüchtlinge ihr Sprachzertifikat bekommen, dass ihnen erlaubt in Deutschland zu studieren. Das ist aber nur der Anfang. Denn derzeit bereiten sich weitere 130 Studierende mit Fluchthintergrund - wie es so schön im Beamten-Deutsch heißt - in acht Sprachkursen auf ein Studium vor.