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Streit um belgische AKWs
Belgiens Atomaufsicht rechtfertigt sich

Die sich offenbar häufenden Schäden an Belgiens Atomkraftwerken haben die Atomaufsicht FANC des Landes dazu bewogen, in einem Workshop über ihre Sicherheitstests zu informieren. Der Behörde zufolge sind die Anlagen sicher - das deutsche Umweltministerium hat daran weiterhin Zweifel.

Von Jörg Münchenberg | 13.01.2016
    Das Atomkraftwerk Tihange
    Das Atomkraftwerk Tihange, 70 Kilometer südwestlich von Aachen (Olivier Hoslet, dpa picture-alliance)
    Die belgische Atomaufsicht FANC geht in die Offensive, nachdem die beiden umstrittenen Reaktorblöcke Tihange 2 und Doel 3 wieder ans Netz gegangen sind. Rund 60 Experten aus 20 Ländern wurden auf einem zweitägigen Workshop über die jüngsten Ergebnisse der Sicherheitstests informiert. Von den beiden Atomkraftwerken des Stromversorgers Elektrabel gehe demnach keinerlei Gefahr aus, betonte die Sprecherin der belgischen Atomaufsichtsbehörde Nele Scheerlinck gegenüber diesem Programm:
    "Das ist also untersucht worden und Elektrabel hat beweisen können, dass diese Anwesenheit von Wasserstoffflocken in diesem Stahl eigentlich nicht die Eigenschaften des Stahls grundsätzlich beeinflusst. Das wäre möglich, das diese Wasserstoffflocken die Stärke oder Bruchfähigkeit des Stahls beeinflussen, aber man hat gesehen, dass das nicht so ist. Die haben das beweisen können"
    Auch die Überprüfung durch ein amerikanisches Fachlabor habe die Ergebnisse bestätigt, betont die Sprecherin. 2012 waren die Probleme bei den beiden Reaktoren erstmals entdeckt worden. Bei Thiange 2 wurden demnach 3000 Risse gefunden, bei Doel 3 sogar 13.000. Monatelang standen deshalb die beiden Reaktorblöcke still.
    Doch die belgische Aufsichtsbehörde erklärte jetzt, die 16.000 Risse - vermutlich Wasserstoff-Flocken aus dem Schmiedeprozess - seien harmlos. Deshalb, so Scheerlinck, sei die Betriebsgenehmigung erneuert worden:
    "Es ist sehr gründlich untersucht worden. Und wir sind auch überzeugt, dass die Reaktoren sicher sind. Aber man kann nie sicher genug sein. Es handelt sich um AKWs. Und deshalb haben wir auch gefordert, dass Elektrabel am Ende des nächsten Reaktorzyklus aufs Neue die Ultraschalluntersuchung machen muss. Um da zu kontrollieren, ob da tatsächlich keine Änderung ist."
    Umweltministerin Hendricks ist nicht zufrieden
    Doch der deutschen Umweltministerin reicht das nicht aus. In einer Erklärung von Barbara Hendricks hieß es jetzt, trotz des Workshops blieben offene Fragen. Nach Einschätzung der eigenen Fachleute handele es sich bei den Haarrissen um eine signifikante Abweichung der geforderten Fertigungsqualität.
    Aus deutscher Sicht sei fraglich, ob dies mit den grundlegenden Sicherheitsanforderungen an Atomkraftwerke vereinbar sei. Deshalb hat das Umweltministerium der FANC erneut 15 Fragen zur Beantwortung vorgelegt. Kritik kommt aber auch von den Grünen im Europäischen Parlament, die morgen eine neue Studie zu Tihange 2 und Doel 3 vorstellen werden. Die Entstehung der Risse, so Fraktionschefin Rebecca Harms gegenüber diesem Programm, sei demnach weiterhin ungeklärt:
    "Sind die betriebsbedingt oder war der Stahl schon bei der Errichtung der Atomkraftwerke so schlecht? Und solange das nicht geklärt werden kann - und das ist meiner Meinung nach nicht geklärt - geht man ein hohes Risiko ein, wenn man die Reaktoren weiter betreibt."
    Doch nicht nur die belgischen Atomaufsichtsbehörde, sondern auch die Regierung sieht das anders. Forderungen nach einer Abschaltung der Meiler wurden stets zurückgewiesen. Doel und Tihange sind zwar über 40 Jahre alt, doch die Laufzeit wurde erst kürzlich um zehn Jahre verlängert. Gut 50 Prozent des belgischen Strombedarfs werden von den beiden Atomkraftwerken abgedeckt.