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Streitfall Grundsteuer

Rund elf Milliarden Euro spült die Grundsteuer jährlich in die Kassen der Kommunen. Vor drei Jahren aber verlangte der Bundesfinanzhof ein neues Verfahren zur Ermittlung der Steuer. Seitdem diskutieren Bund, Länder und Gemeinden über eine Reform. Jetzt melden sich auch Naturschützer zu Wort.

Von Philip Banse | 02.05.2013
    Alle bisher diskutierten Vorschläge zur Reform der Grundsteuer wollen an einem auch heute geltenden Prinzip festhalten: Über die Höhe der Grundsteuer entscheidet nicht nur der Grund, sondern auch das Gebäude, das darauf steht. Denn es sollen nicht nur die Grundstückseigentümer, sondern auch die Bewohner an den Kosten der Gemeinde beteiligt werden - etwa für Straßen, Nahverkehr und andere Infrastruktur. Dieser Ansatz habe jedoch schädliche ökologische Wirkungen, sagt Ulrich Kriese vom Naturschutzbund NABU. Der NABU hat deshalb eine Grundsteuer entworfen, die allein die endliche Ressource Boden besteuert.

    "Wir stören uns an der Besteuerung des Gebäudes, weil es dazu führt, dass Investitionen ins Gebäude eigentlich bestraft werden."

    Denn: Je mehr Eigentümer investierten, desto höher der Gebäudewert, desto höher die Grundsteuer. Das würde dringend notwendige Investitionen in Gebäude behindern, sagt der NABU, die energetische Sanierung etwa, also die Gebäude-Dämmung, oder altersgerechte Umbauten. Der Naturschutzbund hat daher einen Grundsteuer-Reform-Entwurf verfasst, den zahlreiche Umweltverbände, aber auch Mietervereine und Bürgermeister unterschrieben haben. Zentrale Forderung: Die Grundsteuer besteuert nur das Grundstück. Das hätte viele positive Effekte, sagt der grüne Oberbürgermeister von Tübingen, Boris Palmer:

    "Wir würden eine einfache Regelung bekommen, ohne Erhebungsaufwand. Und wir hätten eine ökologische Steuerung für die Baulandpolitik: Baulücken würden eher bebaut."

    Die Steuer wäre einfacher zu erheben, das ist unbestritten. Aber ökologischer? Die Überlegung des NABU geht so: Wenn auf bebaute und unbebaute Grundstücke die gleiche Grundsteuer anfiele, wäre es attraktiver, bereits erworbene bestehende Grundstücke zu bebauen, als sie brach liegen zu lassen. Derzeit würden viele Grundstücke innerorts nämlich gehortet, sagt Dirk Löhr, Professor am Zentrum für Bodenschutz und Flächenhaushaltspolitik der Hochschule Trier. Eine reine Besteuerung des Bodens könne eine Bebauung dieser Lücken fördern statt an den Ortsrand auszuweichen:

    "Dann würde das gehortete, unbebaute Grundstück genauso besteuert wie das genutzte Grundstück. Dadurch würde der Bodenmarkt schon mal viel stärker mobilisiert und die Notwendigkeit, in den Aussenbereichen zu bauen, würde dann sinken. Das wäre schon mal ein ganz wichtiger Effekt."

    Ortskerne verdichten, um die grüne Wiese zu schützen – richtiges Ziel, falsches Mittel, sagt der Sprecher der Hauseigentümer-Lobby "Haus und Grund":

    "Das Problem der Zersiedlung ist eine Aufgabe, die man nicht über die Grundsteuer lösen sollte, sondern die kann man anders lösen, in dem man Bauland ausweist oder eben nicht ausweist."

    Wenn eine Gemeinde keine Wiesen für Einfamilienhäuser verbrauchen will, soll sie die Wiesen halt nicht zu Bauland erklären. So einfach sei das in der Praxis nicht, hält Tübingens Oberbürgermeister Palmer dagegen. Stadtplaner könnten niemanden zwingen, Baulücken zu füllen:
    "Tatsächlich haben wir so gut wie keine Möglichkeiten auf bebaubare Grundstücke zuzugreifen. Vor allem in schwäbischer Erbfolge werden die zurückgehalten. Und wenn es hier ökonomische Anreize gebe, sie zu bebauen, dann hätte das eine größere Wirkung als das Planungsrecht. Im Außenbereich ist es eben so: Solange innen nichts geht, muss ich eben außen Bauland ausweisen, denn als Bürgermeister bin ich auch in der Pflicht die Wohnraumversorgung sicher zu stellen."

    Einfach, ökologisch und gerechter - auch das Umweltbundes Bundesamt hält die Grundsteuer ohne Gebäude für sinnvoll, sagt Gertrud Penn-Bressel, Leiterin des Fachgebiets Umweltprüfung und raumbezoge Umweltplanung - unter einer Voraussetzung:

    "Es würde was bringen, wenn die Grundsteuer insgesamt höher wäre. Im Moment ist ja die Grundsteuer dermaßen niedrig, dass sie - egal wie Sie sie ausgestalten - in keiner Richtung viel bewirken würde."

    200 Euro mehr oder weniger pro Jahr - davon machten Bauherren keinen Hausbau abhängig, meint das UBA. Auch Tübingens OB Palmer plädiert für eine höhere Grundsteuer. Doch schon auch der NABU-Vorschlag, der keine Mehrbelastung für Bürger vorsieht, habe schon kaum eine Chance, umgesetzt zu werden, sagt der Grüne Palmer:

    "Stand heute: Es hat sich keine politische Partei für diese einfache und pragmatische Lösung ausgesprochen, deswegen sieht es nicht danach aus, dass sie umgesetzt wird. Wir können uns nur dafür einsetzen, dass sie wenigstens mal rechnerisch konkret geprüft wird, um mal konkrete Aussagen machen zu können."

    Das Bundesfinanzministerium sieht sich bei der Grundsteuerreform als "ehrlicher Makler" zwischen den Ländern, sagt ein Sprecher. Die Finanzministerkonferenz der Länder ließen Anfragen allerdings unbeantwortet.