Aus einem großen Waldgebiet ragt ein rund 60 Meter hoher Bohrturm empor. Hier, ganz in der Nähe des Städtchens Soultz-sous-Forêts, 40 Kilometer von Karlsruhe entfernt, arbeiten Ingenieure und Geologen zur Zeit an einem ehrgeizigen Ziel. Sie wollen die Wärme des Erdinnern anzapfen, denn diese Energieform bietet gegenüber anderen regenerativen Energiequellen zahlreiche Vorteile, zum Beispiel...
dass sie jederzeit zur Verfügung steht und deshalb auch im Grundlastbereich eingesetzt werden kann. Wohingegen zum Beispiel der Wind nur zu bestimmten Zeiten bläst oder die Sonne nur zu bestimmten Zeiten scheint, ist die Erdwärme ständig verfügbar
... sagt Projektleiter Reinhard Jung vom Institut für Geowissenschaftliche Gemeinschaftsaufgaben in Hannover. Unter dem Turm beginnt ein Stahlrohrgestänge, das senkrecht 5 Kilometer hinab reicht. Zur Zeit fressen sich die Bohrer ein zweites Mal genauso weit in die Tiefe – durch Sand, Ton und Granit, Tag und Nacht, sechs Monate lang.
Normalerweise ist es in fünf Kilometer Tiefe 150 Grad Celsius warm. Doch hier sind es über 200 Grad – günstige Bedingungen für die Nutzung von Erdwärme. Um Strom produzieren zu können, wollen die Experten mit den zwei Bohrungen ein Wasser-Kreislaufsystem einrichten, das im Prinzip so funktionieren soll: Kühles Wasser wird über das eine Loch in die Tiefe geleitet, heizt sich dort auf, strömt zum anderen Loch und wird dort wieder hochgepumpt. An der Erdoberfläche wird das heiße Wasser verdampft und treibt eine Turbine an. Von der gesamten Anlage wird indes kaum etwas zu sehen sein, sagt Günter Becht, Leiter der Abteilung Energiedienstleistungen bei den Pfalzwerken in Ludwigshafen:
Der Charme der Anlage beginnt natürlich erst richtig oben. Das Kraftwerk ist in 5000 Meter Tiefe verteuft und das ist der Kessel – das ist üblicherweise das, was beim Kraftwerk das ganz Große darstellt. Oben auf der Erdoberfläche bleibt eine Turbine, die kann man in einer großen Garage unterbringen.
Doch es gibt eine Schwierigkeit: Wie kommt das Wasser in fünf Kilometer Tiefe vom einen Bohrloch zum anderen? Das Gestein im elsässischen Untergrund enthält kaum Risse, durch die das Wasser den sechshundert Meter langen Weg strömen könnte. Dadurch sind die wirtschaftlich bedeutsamen Tiefen knochentrocken. Eine ausweglose Situation? – Keineswegs!
Mit einer geradezu brachialen Methode will Reinhard Jung beweisen, dass geothermische Energie auch aus trockenen Gesteinen gewonnen werden kann.
Es sind also Maßnahmen notwendig, um die Gesteinsdurchlässigkeit zu erhöhen. Und dazu dichtet man einen Teil dieser Bohrung – den unteren Abschnitt – nach oben ab und presst dann über Hochdruckrohre Wasser ein. Wenn sie den Druck ausreichend hoch machen, erreichen Sie irgendwann den Punkt, wo das Gestein aufspaltet. Wenn so ein Riss erst einmal entstanden ist, dann ist es relativ leicht, ihn weiter zu vergrößern, ähnlich wie das zum Beispiel bei einem Stoff ist: Wenn Sie den angerissen haben, dann geht es nachher viel leichter, ihn noch weiter durchzureißen. Und indem wir große Wassermengen – und unter groß verstehe ich Volumina von zehn- bis zwanzigtausend Kubikmetern – indem wir solche großen Wassermengen in diesen so entstandenen Riss hineinpressen, können wir den bis auf Quadratkilometergröße erweitern.
Durch das Aufbrechen der Gesteine in fünf Kilometer Tiefe lösen die Ingenieure zwar kleine Erdbeben aus, doch ist deren Stärke so gering, dass davon an der Erdoberfläche nichts zu spüren ist. Mit dieser Technik wollen die Experten in den kommenden Jahren erstmals in Mitteleuropa aus einem vollkommen trockenen und heißen Gestein Strom gewinnen. "Hot Dry Rock" nennen sie das Verfahren - Energiegewinnung aus einem heißen, trockenen Gestein.
Zwar ist noch jede Menge Wärme im Erdinnern gespeichert, doch sie muss auch Zeit genug haben, das in der einen Bohrung in die Tiefe gepumpte kalte Wasser auf 200 Grad zu erwärmen. Gunnar Grecksch grübelt am Hannoveraner Institut über die Folgen der Wärmeentnahme in den nächsten Jahrzehnten:
Wie verhält sich also das ganze Zirkulationssystem über 10, über 20, über gar 30 Jahre, die diese Anlage letztlich laufen soll? Da es keine Anlage gibt, die über 30 Jahre schon Strom produziert hat, kann man das eben nicht wissen. Man muss hier mit Modellrechnungen arbeiten. Wir gucken uns also an, wie verhält sich die Temperatur im Untergrund über so lange Zeit? Das Gestein kühlt sich natürlich ab, da ich kaltes Wasser einleite. Wie verhält sich das über 30 Jahre? Habe ich immer noch genügend Temperatur an der Extraktionsbohrung vorhanden, damit ich die ganze Anlage auch weiterhin betreiben kann?
Der Ausgang ist ungewiss - noch. Daher hält sich das Industriekonsortium mit Investitionen zurück, bis die Experten mit Sicherheit geklärt haben, dass eine Stromerzeugungsanlage mit 20 Megawatt elektrischer Leistung auf Dauer betrieben werden kann. Erfüllen sich die Hoffnungen, wartet ein Millionen Euro schwerer Markt, sagt Günter Becht:
Wenn man sich ein Modell bildet und einen Kubikkilometer etwa bei 200 Grad – die 200 Grad erreicht man bei 5000 Meter Tiefe – wenn man den rein theoretisch um 50 Grad entwärmen würde, also auf 150 Grad abkühlen würde, dann hätte man 30 Jahre lang eine Mittelstadt mit Strom und Wärme zu versorgen. Oder anders ausgedrückt: So ein Kubikkilometer entspricht volkswirtschaftlich einem Wert von 500 Millionen Euro.
Nicht nur die wirtschaftlichen Daten stimmen, auch die Ökobilanz des geothermischen Kraftwerks ist positiv: Zwar ist einiges an Strom zum Betrieb der Förderpumpe nötig, doch die Anlage gewinnt dafür ein Vielfaches dieser Energie aus dem Bauch der Erde. Dem großen Potenzial steht jedoch die völlig ungeklärte Rechtssituation bei der Gewinnung geothermischer Energie gegenüber:
Das Bergrecht kannte eigentlich nur so quasi einen 'Claim’, wo man mit einem großen überdimensionalen Spaten rechts und links und vorne und hinten reinsticht und alles, was zwischen diesen Stichen ist, das gehört einem, wenn man eine Lizenz hat. Die Geothermie hat ganz andere Gesichtspunkte: Erstens fließt ja überall Wärme nach, man kann ja Wärme nicht absperren. In Deutschland ist das Bergrecht ein Länderrecht. Wenn ich vorhin vom Oberrheingraben gesprochen habe, der schneidet mindestens drei Landesgrenzen – und das ist das Harmlose noch. Jetzt liegt der Oberrheingraben noch eine Frankreich-Deutschland-Grenze. In Frankreich gilt wieder ein völlig anderes Bergrecht. Man kann hier nicht am Rhein aufhören zu denken, wenn ein Schild kommt: Hier verlassen sie das Bundesland und betreten ein neues Bundesland.
Dennoch: Wenn die Experten in Soultz zum weltweit ersten Mal beweisen können, dass sich aus einem heißen und vollkommen trockenen Gestein Strom gewinnen lässt, erschließt sich für die Energieversorger eine bedeutende neue Quelle zur Stromproduktion. Nach einer Studie des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt in Köln könnten allein in Deutschland 18 Prozent des Energieverbrauchs von Erdwärme gedeckt werden. Erste Pläne gibt es bereits in Mecklenburg, vor den Toren Berlins und in Baden. Wenn das geothermische Kraftwerk im Nord-Elsass ab dem nächsten Jahr fehlerfrei arbeitet und die bergrechtlichen Probleme aus dem Weg geräumt sind, könnte das die Initialzündung für die Nutzung dieser umweltschonenden Energieform sein.
dass sie jederzeit zur Verfügung steht und deshalb auch im Grundlastbereich eingesetzt werden kann. Wohingegen zum Beispiel der Wind nur zu bestimmten Zeiten bläst oder die Sonne nur zu bestimmten Zeiten scheint, ist die Erdwärme ständig verfügbar
... sagt Projektleiter Reinhard Jung vom Institut für Geowissenschaftliche Gemeinschaftsaufgaben in Hannover. Unter dem Turm beginnt ein Stahlrohrgestänge, das senkrecht 5 Kilometer hinab reicht. Zur Zeit fressen sich die Bohrer ein zweites Mal genauso weit in die Tiefe – durch Sand, Ton und Granit, Tag und Nacht, sechs Monate lang.
Normalerweise ist es in fünf Kilometer Tiefe 150 Grad Celsius warm. Doch hier sind es über 200 Grad – günstige Bedingungen für die Nutzung von Erdwärme. Um Strom produzieren zu können, wollen die Experten mit den zwei Bohrungen ein Wasser-Kreislaufsystem einrichten, das im Prinzip so funktionieren soll: Kühles Wasser wird über das eine Loch in die Tiefe geleitet, heizt sich dort auf, strömt zum anderen Loch und wird dort wieder hochgepumpt. An der Erdoberfläche wird das heiße Wasser verdampft und treibt eine Turbine an. Von der gesamten Anlage wird indes kaum etwas zu sehen sein, sagt Günter Becht, Leiter der Abteilung Energiedienstleistungen bei den Pfalzwerken in Ludwigshafen:
Der Charme der Anlage beginnt natürlich erst richtig oben. Das Kraftwerk ist in 5000 Meter Tiefe verteuft und das ist der Kessel – das ist üblicherweise das, was beim Kraftwerk das ganz Große darstellt. Oben auf der Erdoberfläche bleibt eine Turbine, die kann man in einer großen Garage unterbringen.
Doch es gibt eine Schwierigkeit: Wie kommt das Wasser in fünf Kilometer Tiefe vom einen Bohrloch zum anderen? Das Gestein im elsässischen Untergrund enthält kaum Risse, durch die das Wasser den sechshundert Meter langen Weg strömen könnte. Dadurch sind die wirtschaftlich bedeutsamen Tiefen knochentrocken. Eine ausweglose Situation? – Keineswegs!
Mit einer geradezu brachialen Methode will Reinhard Jung beweisen, dass geothermische Energie auch aus trockenen Gesteinen gewonnen werden kann.
Es sind also Maßnahmen notwendig, um die Gesteinsdurchlässigkeit zu erhöhen. Und dazu dichtet man einen Teil dieser Bohrung – den unteren Abschnitt – nach oben ab und presst dann über Hochdruckrohre Wasser ein. Wenn sie den Druck ausreichend hoch machen, erreichen Sie irgendwann den Punkt, wo das Gestein aufspaltet. Wenn so ein Riss erst einmal entstanden ist, dann ist es relativ leicht, ihn weiter zu vergrößern, ähnlich wie das zum Beispiel bei einem Stoff ist: Wenn Sie den angerissen haben, dann geht es nachher viel leichter, ihn noch weiter durchzureißen. Und indem wir große Wassermengen – und unter groß verstehe ich Volumina von zehn- bis zwanzigtausend Kubikmetern – indem wir solche großen Wassermengen in diesen so entstandenen Riss hineinpressen, können wir den bis auf Quadratkilometergröße erweitern.
Durch das Aufbrechen der Gesteine in fünf Kilometer Tiefe lösen die Ingenieure zwar kleine Erdbeben aus, doch ist deren Stärke so gering, dass davon an der Erdoberfläche nichts zu spüren ist. Mit dieser Technik wollen die Experten in den kommenden Jahren erstmals in Mitteleuropa aus einem vollkommen trockenen und heißen Gestein Strom gewinnen. "Hot Dry Rock" nennen sie das Verfahren - Energiegewinnung aus einem heißen, trockenen Gestein.
Zwar ist noch jede Menge Wärme im Erdinnern gespeichert, doch sie muss auch Zeit genug haben, das in der einen Bohrung in die Tiefe gepumpte kalte Wasser auf 200 Grad zu erwärmen. Gunnar Grecksch grübelt am Hannoveraner Institut über die Folgen der Wärmeentnahme in den nächsten Jahrzehnten:
Wie verhält sich also das ganze Zirkulationssystem über 10, über 20, über gar 30 Jahre, die diese Anlage letztlich laufen soll? Da es keine Anlage gibt, die über 30 Jahre schon Strom produziert hat, kann man das eben nicht wissen. Man muss hier mit Modellrechnungen arbeiten. Wir gucken uns also an, wie verhält sich die Temperatur im Untergrund über so lange Zeit? Das Gestein kühlt sich natürlich ab, da ich kaltes Wasser einleite. Wie verhält sich das über 30 Jahre? Habe ich immer noch genügend Temperatur an der Extraktionsbohrung vorhanden, damit ich die ganze Anlage auch weiterhin betreiben kann?
Der Ausgang ist ungewiss - noch. Daher hält sich das Industriekonsortium mit Investitionen zurück, bis die Experten mit Sicherheit geklärt haben, dass eine Stromerzeugungsanlage mit 20 Megawatt elektrischer Leistung auf Dauer betrieben werden kann. Erfüllen sich die Hoffnungen, wartet ein Millionen Euro schwerer Markt, sagt Günter Becht:
Wenn man sich ein Modell bildet und einen Kubikkilometer etwa bei 200 Grad – die 200 Grad erreicht man bei 5000 Meter Tiefe – wenn man den rein theoretisch um 50 Grad entwärmen würde, also auf 150 Grad abkühlen würde, dann hätte man 30 Jahre lang eine Mittelstadt mit Strom und Wärme zu versorgen. Oder anders ausgedrückt: So ein Kubikkilometer entspricht volkswirtschaftlich einem Wert von 500 Millionen Euro.
Nicht nur die wirtschaftlichen Daten stimmen, auch die Ökobilanz des geothermischen Kraftwerks ist positiv: Zwar ist einiges an Strom zum Betrieb der Förderpumpe nötig, doch die Anlage gewinnt dafür ein Vielfaches dieser Energie aus dem Bauch der Erde. Dem großen Potenzial steht jedoch die völlig ungeklärte Rechtssituation bei der Gewinnung geothermischer Energie gegenüber:
Das Bergrecht kannte eigentlich nur so quasi einen 'Claim’, wo man mit einem großen überdimensionalen Spaten rechts und links und vorne und hinten reinsticht und alles, was zwischen diesen Stichen ist, das gehört einem, wenn man eine Lizenz hat. Die Geothermie hat ganz andere Gesichtspunkte: Erstens fließt ja überall Wärme nach, man kann ja Wärme nicht absperren. In Deutschland ist das Bergrecht ein Länderrecht. Wenn ich vorhin vom Oberrheingraben gesprochen habe, der schneidet mindestens drei Landesgrenzen – und das ist das Harmlose noch. Jetzt liegt der Oberrheingraben noch eine Frankreich-Deutschland-Grenze. In Frankreich gilt wieder ein völlig anderes Bergrecht. Man kann hier nicht am Rhein aufhören zu denken, wenn ein Schild kommt: Hier verlassen sie das Bundesland und betreten ein neues Bundesland.
Dennoch: Wenn die Experten in Soultz zum weltweit ersten Mal beweisen können, dass sich aus einem heißen und vollkommen trockenen Gestein Strom gewinnen lässt, erschließt sich für die Energieversorger eine bedeutende neue Quelle zur Stromproduktion. Nach einer Studie des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt in Köln könnten allein in Deutschland 18 Prozent des Energieverbrauchs von Erdwärme gedeckt werden. Erste Pläne gibt es bereits in Mecklenburg, vor den Toren Berlins und in Baden. Wenn das geothermische Kraftwerk im Nord-Elsass ab dem nächsten Jahr fehlerfrei arbeitet und die bergrechtlichen Probleme aus dem Weg geräumt sind, könnte das die Initialzündung für die Nutzung dieser umweltschonenden Energieform sein.