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Studenten unterrichten Migrantenkinder

Vor 20 Jahren hat die Universität in Essen die ersten Förderkurse für Migrantenkinder angeboten. Damit schlug die Hochschule zwei Fliegen mit einer Klappe: Studenten konnten erste Praxiserfahrung sammeln, Kinder und Jugendliche bekamen kostenlose Hilfe bei Schulproblemen. Viele Unis griffen die Idee auf. In Hamburg hat gerade ein neuer Förderkurs begonnen.

Von Werner Nording | 16.09.2005
    40 Kinder und Jugendliche aus 42 Hamburger Schulen haben sich an diesem Nachmittag auf den Campus der Universität getraut. Ihre Lehrer haben sie ausgesucht, um an dem kostenlosen Förderunterricht teilzunehmen, den Studierende der Erziehungswissenschaft anbieten. Dabei geht es nicht um Nachhilfeunterricht. Vielmehr soll begabten Migrantenkindern geholfen werden, ihr Potential voll auszuschöpfen, sagt die Erziehungswissenschaftlerin Ursula Neumann.

    "Einerseits ist die Zielsetzung den Kindern zu helfen, andererseits Studierende auf eine Realität vorzubereiten, die viele während des Studiums nicht wahrnehmen, es ist immer noch möglich, die Uni Hamburg fürs Lehramt für Grund- und Mittelstufe zu verlassen ohne sich in einer einzigen Lehrveranstaltung mit Mehrsprachigkeit befasst zu haben."

    Kinder mit mehr als 30 Sprachen nehmen an den Kursen teil. Türkisch, Russisch, afrikanische Sprachen oder Serbokroatisch sind zum Beispiel vertreten. Die wissenschaftliche Mitarbeiterin Camilla Grupen betreut den Förderunterricht. Die 27-jährige Frau hat gerade ihr Studium mit dem Schwerpunkt Deutsch als Fremdsprache abgeschlossen.

    "Wir haben insgesamt 35 Kurse, jeder Kurs hat zwischen vier und sechs Teilnehmer, die Kurse sind zunächst für ein halbes Jahr angelegt, das lehnt sich an das Schulhalbjahr an, wir haben ja Kinder von der vierten Klasse bis zur 13. Klasse und in der Oberstufe haben wir fünf, sechs Kurse, die gezielt auf das Abitur vorbereiten sowohl in Deutsch, Englisch als auch in Mathe."

    Chüna Jalzin studiert Erdkunde und Türkisch für das Lehramt an der Grund- und Mittelstufe im zehnten Semester. Weshalb hat sie sich als Förderlehrein zur Verfügung gestellt?

    "Um einfach die Kinder mal kennenzulernen, die mehrsprachig aufwachsen, um die Lernschwächen von den Kindern näher kennenzulernen. Ja doch, würde ich schon als Probe beschreiben, ob man quasi als Lehrer qualifiziert ist später, den Beruf auszuüben oder nicht und ob man dann auch mehrsprachige Kinder in zwei Sprachen fördern kann."

    Jeder zweite der 34 Studierenden-Förderlehrer hat selbst einen Migrationshintergrund. Chüna Jalzin ist mit türkisch aufgewachsen, obwohl sie längst Deutsche ist. Dieser Mentoreneffekt ist bewusst gewählt. Die Schüler sollen sehen, dass es nicht unbedingt von Nachteil sein muss, dass sie zweisprachig aufgewachsen sind.

    "Ja, dass man als Vorbild auch zeigen kann, dass man als mehrsprachige Person es hier in Deutschland schafft, eine höhere Ausbildung zu machen und auch auf Lehramt zu studieren und dass die Herkunftssprache nicht von Nachteil ist, sondern zum Vorteil sein kann."

    Jeder Förderlehrer hat einen Vertrag abgeschlossen und bekommt einen Stundenlohn von exakt 7, 72 Euro. Ein netter Nebendienst meint Isabella Galling, die Englisch und Geschichte im dritten Semester studiert. Doch wegen des Geldes macht sie den Job nicht, vielmehr hat sie das ungewöhnliche Projekt gereizt.
    "Also das stand auf jeden Fall im Vordergrund, weil so viel bekommen wir ja auch nicht, das ist ein normaler studentischer Hilfskraftjob, wegen des Geldes mach ich das jetzt nicht unbedingt. Ich denke, dass es in Deutschland ein Defizit gibt was den Unterricht an den Schulen anbelangt mit diesen Kindern und Jugendlichen und mir macht das einfach Spaß mit so einer heterogenen Gruppe was zu machen, ich hab an einigen Schulen schon was gemacht und möchte auf jeden Fall in diesem Bereich weiter was machen."

    Mit dem Förderunterricht können wir uns auf die multikulturelle Realität an den Schulen vorbereiten, findet Tobias Ruberg. Der Student der Sonderpädagogik hat sich zum Ziel gesetzt, Lernbehinderte so zu fördern, dass sie zumindest einen Schulabschluss schaffen. Der Deutschunterricht in der Förderklasse ist für ihn eine ideale Ergänzung zum Studium.

    "Mich reizt besonders die Sprachbehindertenpädagogik und vor allem die Mehrsprachigkeit, die Bi-Lingualismus-Forschung. Das find ich ein sehr spannendes Thema, weil es in diesem Bereich so gut wie gar keine Forschungsergebnisse gibt, das kommt jetzt gerade erst auf, besonders hier in Hamburg an der Uni wird da sehr viel geforscht, das find ich spannend. Ich steh jetzt am Ende meines Studiums und das ist sicher ist das eine gute Möglichkeit so langsam in die Praxis reinzufinden."