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Südfrankreich
Wirbel um ein neues Biomasse-Kraftwerk

Ein altes Kohlekraftwerk in Südfrankreich wurde von der E.on-Tochter Uniper zu einer Biomasseanlage umgebaut. Dort wird aus Schnittholz, aber auch aus Bäumen aus französischen Wäldern sauberer Strom produziert. Kritiker sehen dadurch den Wald bedroht. Der Betreiber verweist hingegen auf nachhaltige Holzwirtschaft als Lösung.

Von Suzanne Krause | 09.12.2016
    Baumstämme lagern an einem Waldweg
    Die angestrebten 420.000 Tonnen, die jährlich verwendet werden sollen, seien eher ein Klacks, sagt Jean-Michel Trotignon aus der Chefetage von Uniper France. (Andreas Diel)
    Mit einem Aufklärungsspot zur nachhaltigen Waldnutzung geht ein Zusammenschluss südfranzösischer Akteure im Holzsektor seit Kurzem an die Öffentlichkeit.
    "Die meisten Leute denken, Holz zu schlagen sei synonym mit Kahlschlag, Umweltkatastrophe. Es ist hingegen so: Mangelnder Unterhalt des Waldes führt dazu, dass die Bäume sich weniger gut entwickeln, die Abfälle sich häufen, die Brandgefahr steigt."
    Nachhaltige Holzwirtschaft bringe Jobs, heißt es in dem Video weiter – bei der Herstellung von Dachstühlen, Parkett, Möbeln, Papier. Und bei der Energieproduktion. Dieser Hinweis kommt nicht von ungefähr – die Aufklärungsaktion wird unterstützt von der E.on-Tochterfirma Uniper. In zweijähriger Arbeit hat sie das alte Kohlekraftwerk Provence-4 zur landesweit größten Biomasse-Anlage umgebaut, um hier künftig 150 Megawatt Strom zu erzeugen. Und dafür braucht sie jährlich 850.000 Tonnen Holz, grob zu Plättchen geschreddert.
    Zwar soll das Kraftwerk knapp die Hälfte seines Biomassebedarfs durch Schnittholz aus Gärten und Parks decken. Doch die zweite Hälfte soll langfristig aus südfranzösischen Wäldern stammen. Diese 420.000 Tonnen jährlich seien eher ein Klacks, sagt Jean-Michel Trotignon aus der Chefetage von Uniper France.
    "Im hiesigen Großraum gibt es 186 Millionen Tonnen Holz, jährlich wachsen fünf Millionen Tonnen hinzu. Und davon werden bislang gerade mal 1,2 Millionen Tonnen pro Jahr geschlagen."
    Holzvorkommen könnte 2035 nicht mehr ausreichen
    Argumente, die die Projektgegner nicht überzeugen. Nicolas Bell vom Aktionsbündnis 'SOS Foret du Sud', dem mehrere Umweltorganisationen angehören, zitiert einen aktuellen Bericht der staatlichen Umwelt- und Energieagentur ADEME. Demnach werden 2035 die vorhandenen Holzvorkommen angesichts steigender Nachfrage nicht mehr ausreichen.
    "Dieses Megakraftwerk hat bereits starke Spannungen auf dem Holzmarkt ausgelöst. Ein Holzkrieg ist ausgebrochen, durch die Konkurrenz mit der Papierfabrik in Tarascon, mit weiteren großen Biomasse-Kraftwerken in Pierrelatte und in Brignoles und auch mit hunderten von kleinen Kraftwerken."
    Jean-Michel Trotignon von Uniper France wiegelt ab: die Holzbranche in Südfrankreich sei nun dabei, sich zu strukturieren, Lösungen für eine nachhaltige Waldnutzung zu entwickeln.
    "Der Präfekt der Region hat im letzten Jahr einen berufsübergreifenden Zusammenschluss im Holzsektor eingerichtet. Unser Biomasse-Projekt diente da als ein Auslöser."
    Eine Befriedungsaktion. Denn als dieses Kraftwerksprojekt publik wurde, kam es zu massiven Protesten. Knapp 400 Gemeinden sprachen sich gegen das Biomasse-Kraftwerk aus, mehrere Naturparks reichten vor Gericht Klage ein. Nicht nur, weil sie sich um die einheimischen Wälder sorgen, sagt Projektgegner Nicolas Bell.
    "Dieses riesige Kraftwerk in Gardanne wird eine Bedrohung für die öffentliche Gesundheit darstellen, aufgrund des Ausstosses von Feinpartikeln, Dioxinen und Holzstaub."
    Da widerspricht Jean-Michel Trotignon vom Betreiberunternehmen Uniper France.
    "Unsere Holzhäcksel-Anlage ist hochmodern und garantiert Schutz vor Lärm und Holzstaub. Uniper beschäftigt Menschen für den Werksbetrieb, unsere Sorge gilt der Gesundheit unserer Arbeiter und der benachbarten Anwohner."
    Französische Regierung hat sich eingeschaltet
    Die Gegner bleiben mehr als skeptisch. Doch der Wirbel rund um das neue Biomasse-Kraftwerk hatte Folgen: Inzwischen hat sich auch die Regierung in Paris eingeschaltet, gibt Jean-Michel Trotignon zu.
    "Derzeit sind wir von Staatsseite gezwungen, auf Importholz zurückzugreifen. Um weniger aus den benachbarten Wäldern zu holen. Und zu verhindern, dass unser Holzschlag für die anderen Nutzer zu brutal wirkt und damit wir nicht in Konflikt mit ihnen geraten."
    In einigen Wochen soll das Biomasse-Kraftwerk Provence-4 den regulären Betrieb aufnehmen. Bis dahin werden die Klagen gegen die Anlage längst noch nicht bearbeitet sein.