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Südsudan
Bürgerkrieg statt Freiheitstraum

Der Südsudan blieb trotz beträchtlicher Erdölvorkommen weiter instabil. Zu gewalttätigen Konflikten um Ressourcen kommen nun blutige Machtkämpfe zwischen dem derzeitigen Präsidenten Salva Kiir und seinem einstigen Weggefährten und Vizepräsidenten Riek Machar.

Von Hans Michael Ehl | 21.12.2013
    Auf dem Gelände der UN-Mission in der südsudanesischen Hauptstadt Juba suchen Menschen Schutz vor Gefechten und Gewalt. Zehntausende sind landesweit vor den Kämpfen auf der Flucht.
    Der innenpolitische Richtungsstreit um die Zukunft der regierenden Sudanesischen Volksbefreiungsbewegung SPLM wird seit Tagen mit Waffengewalt ausgetragen – zwischen rivalisierenden Einheiten der Armee. Dabei hatte der Präsident des jüngsten Staates der Welt, Salva Kiir, seit seinem Amtsantritt einen versöhnlichen Kurs gegenüber Kritikern aus den eigenen Reihen eingeschlagen.
    So machte Kiir Riek Machar zum Vizepräsidenten, seinen stärksten Widersacher in der SPLM. Der Konkurrenzkampf eskalierte, als Kiir im Sommer seine Regierungsmannschaft, unter ihnen auch Vizepräsident Machar, entließ. Seither erhob Kiir immer wieder schwere Vorwürfe gegen seine ehemaligen Weggefährten.
    "Unglücklicherweise haben einige Kameraden die fundamentalen Prinzipien unserer Bewegung vergessen. Sie haben ihre Position in der Regierung als selbstverständlich genommen. Sie wurden vom Luxus verführt und haben vergessen, dass wir Diener des Volkes sind. Wir dürfen die Opfer unseres Volkes nicht erhöhen, indem wir den Wohlstand durch Korruption und Misswirtschaft unserer Ressourcen verprassen."
    Machar reagierte auf seine Absetzung zumindest in der Öffentlichkeit gelassen.
    Machar reagierte auf seine Absetzung zumindest in der Öffentlichkeit gelassen. Der Präsident habe das Recht zur Regierungsbildung, dagegen sei nichts einzuwenden, sagte er. Gleichzeitig kritisierte Machar aber heftig Kiirs Führungsstil. Er regiere das Land wie ein Diktator; er führe seine Partei, die SPLM, ohne Rücksicht auf abweichende Meinungen. Bei einer Sitzung der Führungsriege der SPLM Mitte Dezember, an der auch Machar teilnahm, erklärte Kiir parteiinterne Streitigkeiten zur großen Gefahr für Einheit des Landes.
    Machar verließ die Sitzung vorzeitig, am selben Abend begannen Schießereien in einer Kaserne in Juba, die tagelang andauerten und die jetzt vor allem im Bundesstaat Jonglei zu einem ausgewachsenen Bürgerkrieg werden könnten.
    Dies sei kein Stammeskonflikt, betont Präsident Kiir seit Ausbruch der Kämpfe. Kiir gehört der wichtigsten Volksgruppe im Südsudan, den Dinka, an; Machar ist Nuer. Augenzeugenberichte aus Juba scheinen den Beteuerungen Kiirs, dass es sich nicht um einen ethnischen Konflikt handelt, zu widersprechen.
    "Sie greifen besonders Nuer an, sie fragen dich was und wenn du nicht verstehst oder auf Nuer antwortest, attackieren sie dich. Ich weiß nicht, warum die Regierungssoldaten vor allem Nuer angreifen."
    Armee-Einheiten gehen mit Gewalt gegen Angehörige der Dinka-Volksgruppe vor
    Im Bundesstaat Jonglei, wo die Kämpfe in den vergangenen Tagen hart geführt wurden, gehen Armee-Einheiten, die Machar nahe stehen, jedenfalls mit Gewalt gegen Angehörige der Dinka-Volksgruppe vor. Vor Monaten warnten die Vereinten Nationen schon vor ethnischen Kämpfen in Jonglei. Tausende waren damals auf der Flucht vor Milizen, die Machar nahestehen sollen. Das weckt böse Erinnerungen. 1991 hatte sich Machar schon einmal von der SPLM abgewandt, auch damals war es vor allem ein politischer Streit, der in einen ethnischen Konflikt mündete. Viele machen Machar verantwortlich für ein Massaker an Dinkas in Bor, der Hauptstadt des Bundesstaats Jonglei, im selben Jahr. Mindestens 2000 Menschen wurden damals getötet. Erst elf Jahre später unterzeichnete Machar zusammen mit dem damaligen SPLM-Chef John Garang ein Versöhnungsabkommen. Machar damals:
    "Wir hatten diesen Streit und ich bin so froh, dass dieser Streit jetzt vorbei ist. Der Streit war teuer, elf Jahre des Konflikts, Brüder kämpften gegen Brüder. Das war sehr schwierig. Ich bin glücklich, dass das vorbei ist."
    Die alten Konflikte scheinen jetzt wieder aufzubrechen. Durch den politischen Konflikt hat der ethnische Konflikt in der Region neue Nahrung bekommen.